Samstag, 29. Dezember 2012

Stille Nacht mit Hyänen

Unklug war Oscars Entscheidung, am 23.Dezember zu erkranken, dem Tag also, an dem hier dank des Opa-Geburtstages alljährlich die großen Festtage beginnen, und erst wieder am 26.Dezember, dem Ende der Feierlichkeiten, zu genesen.

So hatten wir exakt zu Weihnachten statt eines fröhlich-randalierenden Oscars wie sonst ein missmutig-pöbelndes Kind in unserem Kreise, das beispielsweise mitten in die Kirchengesänge am Heiligen Abend hineinpolterte "Die sollen aufhören zu singen. Das ist langweilig hier!".

Als die Familie dann nach Ende des Gottesdienstes nach Hause kam, stellte man fest, dass man den Weihnachtsmann verpasst haben muss, denn unterm Baum lagen plötzlich zahlreiche Geschenke. Es war der Zeitpunkt, von dem an die Vorstellungen der Kinder über den Verlauf des Abends von denen der Eltern stark abwichen. Es war dies gleichzeitig der Zeitpunkt, an welchem den Eltern die Fäden aus den Händen glitten.
Mama und Papa nämlich dachten sich das ungefähr so: In einer gemütlichen Runde wird besinnlich beieinander gesessen. Es wird gesungen, Gedichte werden aufgesagt, hier und da ein Geschenk geöffnet. Rund 90 Minuten oder mehr könnte man auf diese Weise familiär-weihnachtlich verbringen.

Ella und Oscar sahen das anders. Hier das Protokoll der ersten zwei Minuten nach Aufschließen der Wohnungstür:
Ella, mit brennender Kerze in der Hand, stürzt ins Wohnzimmer, schreit: "Der Weihnachtsmann war da!". Oscar, ebenfalls mit brennender Kerze in der Hand, stolpert hinterher. Papa, der sich eigentlich zunächst einmal seine Schuhe ausziehen wollte, sieht sich plötzlich mit den beiden brennenden Kerzen seiner Kinder in den Händen vollkommen handlungsunfähig dastehen.
Oscar stürzt zu einem attraktiven Geschenk und beginnt daran zu rupfen. Die Eltern schreien "Noch nicht! Noch nicht!" - Oscar schreit zurück "Ein CD-Player!!!!" und verbeißt sich immer stärker in das halb geöffnete Paket.

Auch Ella ist nun nicht mehr zu halten. Papa steht immer noch hilflos mit zwei Kerzen in der Hand daneben. Die Mutter versucht, sich irgendwie zwischen die Kinder und die Geschenke zu werfen. Relativ erfolglos. Die Kinder sind längst im Raubtier-Modus und nur noch trieb- statt vernunftgesteuert.
Ella liest die Namensschilder an den Geschenken und wird immer aufgebrachter. "Die großen Sachen sind alle für Oscar!!!" schreit sie. Die Stimmung kippt ins Aggressive.

Papa hat mittlerweile zwei Schnapsgläser zu Kerzenständern umfunktioniert, ist im Prinzip wieder handlungsfähig, kann die Auspack-Orgie der Kinder aber nicht mehr stoppen. Die Hyänen Ella und Oscar haben die Beute längst entdeckt, gerissen und zerteilt. Geschenkpapier fliegt durch die Gegend. Ella ist mittlerweile in solcher Rage, dass sie beim vielleicht aggressivsten Auspacken, das je ein Weihnachtsgeschenk über sich ergehen lassen musste, die beiden unteren Reihen des Weihnachtsbaumes von sämtlichem Schmuck befreit. Währenddessen gibt das liebevoll verpackte Brettspiel den Schüttelbewegungen unserer Tochter nach und poltert besinnlich aus dem Papier durch den halben Weihnachtsbaum auf den Fußboden. Ist in den Augen unserer Tochter in diesen Momenten weihnachtliches Glück zu sehen? Nein.

Nach wenigen Sekunden ist der Spuk, der anderenorts Bescherung heißt und durchaus weihnachtlich ablaufen kann, schon wieder vorbei. Das kleinste Geschenk war ein Schlüssel. Er passte letztendlich in die Tür des Gäste-WCs. Dahinter befand sich ein Fahrrad für Ella. Rechtlich umstritten ist nun, ob nur das Fahrrad oder auch der Schlüssel das Geschenk darstellt. Ella jedenfalls sieht sich derzeit als rechtmäßige Besitzerin des einzigen WC-Schlüssels. Die Eltern sehen das anders. Die Abhängigkeit, die damit verbunden wäre - sie wäre schwer zu ertragen ("Ella, ich muss mal. Darf ich den Schlüssel haben?" - "Nein" - "Bitte..." - eine unschöne Vorstellung).

Irgendwann saß die Familie dann beim Festessen. Oscar verspeiste ein Würstchen, was später noch von Bedeutung sein wird.
Später, das war als Ella sich vor die Wii stellte und dort tanzte. Ein Weihnachtsgeschenk sah nämlich genau dies vor. Ella hüpfte mit einem Controller wild auf und ab, Oscar saß daneben und dachte vermutlich die ganze Zeit an das Würstchen, das er dummerweise in seinem Bauch hatte. Zur Erinnerung: Oscar war krank. Er hatte Durchfall, der, das wusste unser Seher Oscar, drei Tage andauern wird.
Fast biblisch klang seine Weissagung am 23.Dezember. Er saß auf dem Klo und während Papa Oscars Hintern von gelblicher Flüssigkeit befreite, sprach Oscar: "Ich habe drei Tage Durchfall!". Und siehe: Drei Tage lang hatte er tatsächlich Durchfall. Dann war es vorbei. Oscar hat manchmal etwas Magisches an sich.

Schnell wieder zur tanzenden Ella, die fröhlich Arme und Beine von sich wirft. Der mit Wurst gefüllte Oscar will nun auch mal, schnappt sich einen zweiten Controller und tanzt neben Ella nun auch ein bisschen. Hier gehüpft, dort ein Ärmchen nach links, hier ein Beinchen gehoben. Wurst.

Es war grotesk. Papa hatte gerade den Telefonhörer in der Hand, war mit dem Anrufbeantworter des Opas verbunden. Ella hüpfte wild und Oscar erbrach die Wurst einen Meter neben die tanzende Furie, die davon überhaupt nichts mitbekam.
Mama hielt Oscar übers Klo. Oscar brach. Ella tanzte. Papa holte den Wischmop. Ella hüpfte bedenklich nah an der Lache. "Ella, Oscar hat neben dir alles vollgekotzt!" - "Was? Wo?". Fazit: Das Wii-Spiel "Just Dance Kids" ist spannender als ein kotzender Bruder.

Vergleichbar lief schließlich auch der erste Feiertag bei Oma. Oscar versuchte - schlecht gelaunt - mitzufeiern, gab dann auf und schlief ein. In der Möckernstraße auf Papas Arm kotzte er dann Nudeln. Es war fantastisch: Die S-Bahn blieb sauber, das Treppenhaus blieb sauber. Oscar wusste genau, wo man mit minimalen Konsequenzen hinkotzen kann.













Montag, 17. Dezember 2012

Intelligent, humorvoll, kulturell interessiert (fast 4) sucht...

Wenn man ein Freund der ganz groben Verallgemeinerung ist, dann kann man es so formulieren: In dieser Woche hielten seltsame Gegenstände Einzug in sowohl Oscars als auch Ellas Kopf - doch der der Reihe nach.

Am Mittwoch war Zahnarzt-Termin für Ella und Oscar, was diese bislang immer mit großem Jubel quittieren, denn der Zahnarztbesuch hat immer noch großen Event-Charakter. Spielzeuge werden am Schluss in Empfang genommen, vorher hört man sich die mild formulierte Kritik an der Zahnpflege bereitwillig an.
Diesmal aber jedoch wurde Oscar neben der leichten Kritik und dem Spielzeug auch noch ein anderes seltsames Teil gegeben. (Der Vater, der diese Zeilen tippt, ist momentan der Einzige hier, der nicht beim Zahnarztbesuch dabei war, aber er ist leider auch der Einzige, der momentan nicht schläft - insofern kann er niemanden fragen, wie das Ding heißt, das Oscar jetzt in diesem Moment hoffentlich in seinem Munde hat.)

Moment!

Nein. Oscar liegt dummerweise ohne seltsames Gestell im Bett. Das soll nicht sein, aber wach machen sollte man den Knilch zu dieser Stunde besser nicht, will man lautstarke Verzweiflungsschreie und -tritte umgehen. Er müsste theoretisch derzeit aber etwas im Mund tragen, das von außen betrachtet so aussieht wie ein Schnuller, innen aber mit Oscars Zunge irgendwelche Dinge tut, die zu einer Kette von Ereignissen führen, an dessen großartigem Ende wohl Oscars Überbiss verschwindet. Viel schlechter kann man vermutlich nicht schildern, was der Zahnarzt uns da gegeben hat, aber es ist spät und wir wollen milde über die inhaltliche Richtigkeit dieses Blog-Eintrags urteilen.

Von anderer Qualität ist die Veränderung des Tochter-Kopfes. In selbigem brodelte nämlich in den letzten Tagen der Gedanke, man könne sich ja mal Ohrlöcher stechen lassen. Viele Mädchen in der Klasse hätten Ohrlöcher. Cool sei das. Man wolle das eigentlich auch.
Nachdem man dann noch einmal hin ("besser nicht kurz vor Weihnachten... vielleicht entzündet sich das ja") und her ("besser doch ganz unbedingt gleich") überlegt hatte, schritt Ella mit ihrem Vater voller Entschlossenheit und Mut gen Friseur, der von sich behauptet, Ohrlöcher schießen zu können.

Ella saß schon bald auf dem Frisierstuhl. Papa fragte die Friseurin: "Schießen Sie gleichzeitig in beide Ohren?", woraufhin der Kunde neben Ella zu kichern begann. Schließlich standen zwei Friseurinnen neben Ella, zählten bis 3 und drückten dann beide ab. Ellas Mund machte unlogische Bewegungen. Er lachte, während das Gesicht drumherum verkündete: "Nicht gut".
Auf dem Rückweg beschrieb Ella die Situation, die zu diesem seltsamen Gesicht führte und lernte daraufhin den Begriff "Glückshormon" kennen. Sie sagte: "Ich fühle mich irgendwie komisch. Es tut ein bisschen weh, aber es geht mir total gut.", woraufhin der Papa durch den Schneematsch Kreuzbergs schlurfte und "Das sind Glückshormone" in den Schal brummte. Ella nahm es hüpfend zur Kenntnis. Für sie war der Schneematsch rosa, denn Ella hat jetzt Ohrringe im Ohr.

Soviel zu den Köpfen unserer Kinder.
Nun zu den Kindern selbst.

Oscar, der ganz nebenbei bemerkt nun glücklicherweise auch zu einem Friseurbesuch überredet werden konnte, der dann irgendwann vor Weihnachten stattfinden und nichts mit Ohrlöchern zu tun haben wird, ist wesentlich cleverer als man denken könnte, sollte man ihn beispielsweise dabei beobachten, wie er 45 Minuten braucht um einen Toast zu essen.

Oscar ist im Hirn topfit: So löst er spielend die Additionsaufgaben, die seine Mutter ihm spaßeshalber zuruft und so zeigt er für einen knapp Vierjährigen einen schier unglaublich ausgereiften Humor, wenn er am Sonntag beobachtet, wie seine Mutter die Brötchen aus dem Ofen fischt und er dabei ungelogen sagt: "Advent, Advent, das Brötchen brennt" - das ist Komik. Sehr gute Komik sogar. Und wie jeder gute Komiker lachte Oscar über seinen eigenen Witz natürlich nicht, sondern guckte nur zufrieden in die jubelnde Menge.

Oscar, um das jetzt mal zu komplettieren, ist nicht nur intelligent und humorvoll, sondern auch kulturell interessiert, womit alle Eigenschaften abgedeckt sein dürften, die in Kontaktanzeigen immer gefordert werden. Am Samstag nämlich besuchte er mit seiner Familie die Philharmonie. Ein Familien-Weihnachtskonzert stand auf dem Programm, weshalb es im Saal der Philharmonie vor unruhiger Kinder nur so wimmelte. Direkt vor Ella beispielsweise, die sich selbstverständlich die gesamte Zeit über absurd streckte, bog und verdrehte, saßen zwei Kinder, die sich ebenfalls die gesamte Dauer des Konzertes über bogen, streckten und verdrehten. Es war der Tanz der Hyperaktiven.

Oscar saß derweil kerzengerade auf Papas Schoß und genoss das Konzert. Ganz besonders toll, das sah aber auch Ella kurzfristig so, waren die Schneeflocken, die von etwa 60 "großen Kindern" (so Oscar) verkörpert wurden. Hier musste Oscar auch ganz genau hinsehen, denn bereits morgen, bei der Weihnachtsfeier des Kinderladens, muss er selbst den unter Schauspielern sehr gefürchteten Part der Clown-Schneeflocke übernehmen. Keine leichte Aufgabe...









Sonntag, 9. Dezember 2012

Zahnfee und Nikolaus und Ladenschluss

Wenn Oscar vor dem abendlichen Vorlesen laut fordert: "Das mit Maria. Und Josef. Und Gok", dann sind zwei Sachen sonnenklar: Ersten hat Oscar immer noch ein paar Probleme mit dem Konsonanten T, weshalb er den Schöpfer eben jenes T leider derzeit "Gok" nennt. Zweitens ist die Weihnachtszeit nun schon rund 14 Tage alt. 
Papa hatte sich zu Beginn der Weihnachtszeit zunächst aus dem Staub gemacht. Fünf Tage lang weilte er nicht im Lande, was Oscar eher gleichgültig zur Kenntnis nahm und Ella tieftraurig machte. Das in Berlin zurückgelassene Gespann Mama-Ella-Oscar meisterte jedoch die Aufgabe letztlich sehr souverän. Ella war zu Beginn noch traurig, später dann wohl besser drauf. Und Oscar war halt so, wie er immer ist. 
Als Papa einmal anrief, da verstand er Mama und Ella jedenfalls kaum, da im Hintergrund jemand tobte und heulte. Oscar wurde gefragt, ob er den Vater denn auch kurz mal sprechen wolle. Oscar aber konnte nicht. Viel wichtiger war es in diesem Moment für ihn, unterm Mittagstisch zu liegen und zu wimmern. Grund genug zur Traurigkeit hatte der Herr allemal: Barbarisch wie Mama nun einmal ist, sollte Oscar einen kleinen Bissen von der Kartoffel essen, ehe er seinen Teller ausschließlich mit Fischstäbchen füllen dürfe. Oscar raste vor Wut. 
Eine Minute nach dem Telefongespräch mit seiner Familie, klingelte des Vaters Handy erneut. Es war absehbar, wer am anderen Ende der Leitung nun schluchzen würde. Es war Oscar. Ein kurzes Gespräch wurde geführt. Oscar war wieder stabil. Dann die überaus dämliche Frage des Vaters nach der Kartoffel. Erneutes Heulen. Papa konnte das Problem mit einem Tastendruck aus der Welt schaffen. In Berlin suchte die Mama eine solche Taste vergebens. 
Als Papa wieder zurückkam, freute er sich auf den Empfang durch die jubelnden Kinder. Doch musste dies ein wenig verschoben werden, denn Papa kam erst gegen Mitternacht nach Hause. Die potenziellen Jubler schliefen zärtlich. 
Am nächsten Morgen blieb eigentlich auch nur wenig Zeit für ein inniges Wiedersehensfest. Hinzu kam, dass Ella wohl tags zuvor versucht hatte, lange wach zu bleiben. Sie war - vorsichtig formuliert - mäßig gelaunt an diesem Morgen. Zehn Minuten hielt sie sich die Augen zu, denn das Lampenlicht in der Küche, nicht gerade für seine Stärke berühmt, piekste in Ellas müden Augen. Sie weinte. Nach elf Minuten war alles gut. Eine Minute später ging Papa zur Arbeit und freute sich darauf, das große Wiedersehen mit Ella dann am Nachmittag feiern zu können. 
Papa ging motiviert in den Hort und fand dort Ella - benommen. Etwa eine Stunde zuvor hat sie versehentlich einen Arm ihrer Freundin ins Gesicht bekommen. Der Wackelzahn nahm dies dankbar an und wackelte dann so richtig. Blut floss. Ella sah nicht glücklich aus. Das Wiedersehen wurde abermals um eine Stunde verschoben. 
Dann aber: Geschenke von der Dienstreise. Für Oscar einen Stier - den einzigen lieben Stier Spaniens. Oscar glaubte die Geschichte und ist sehr stolz auf sein neues Kuscheltier. Für Ella ein Flamenco-Kleid samt Fächer. Volltreffer. Der Wackelzahn war vergessen. Im Internet wurde geguckt, was die Profis mit diesen Kleidern so machen. 

So lief auf dem Bildschirm also ein Flamenco-Tanz. Davor versuchte Ella simultan mitzutanzen und zeigte dabei, dass sie die Voraussetzungen (hektische und unberechenbare und extrem wilde Bewegungen) perfekt aufweist. Im Prinzip kann man sagen, dass Ella schon seit Jahren Flamenco tanzt, wir dies nur nicht erkannten und Ella von dem spanischen Tanz schlicht und ergreifend nichts wusste. Jetzt aber kann Ella ihre Liebe zu exzentrischen Kleidern und grotesken Bewegungen endlich verbinden und professionalisieren. Wir suchen mal nach einer Tanzgruppe... 
Die Woche lieferte weitere Höhepunkte: Der Zahn fiel am 5.12. dann doch aus. Einen Tag vor Nikolaus also. Gut, dass Ella den Zahn verloren hatte, denn sonst hätte ja nicht nur der Nikolaus, sondern in der gleichen Nach auch die Zahnfee ran gemusst. Dieses große Treffen der Fabelwesen sollte uns erspart bleiben - dachten wir. 
Ella schrieb nämlich eifrig einen Brief, "Liebe Zahnfee. Ich habe den Zahn leider verloren." und legte ihn geschenkegierig unters Kopfkissen. 
Und während Mama spät an diesem Abend der Nikolaus war, der die fleißig gesäuberten Stiefel mit Süßigkeiten und Geschenken füllte, war Papa die Zahnfee, die am PC den Antwortbrief tippte. Wo denn der Zahn ungefähr sei, sie würde dort halt noch mal gucken... Wir hatten an diesem Abend einfach kein Geschenk mehr. Zahnfee und Nikolaus und Ladenschluss. Papa schmierte Glitzer auf den Brief und legte ihn unter Ellas Kissen. 
Am nächsten Morgen war die Sache aber erstmal vergessen. Der Nikolaus zog die Aufmerksamkeit voll und ganz auf sich. Ella fiel erst am Abend die Zahnfee ein - und siehe: Diese hatte inzwischen doch noch irgendein Pixie-Buch organisieren können. Der Brief kam nicht zum Einsatz. Gut so. Papa fühlte sich auch ganz schlecht, als er in Form eines Fabelwesens metaphysische Kommunikation mit seiner Tochter aufbauen wollte. Man stelle sich vor, Ella hätte zurückgeschrieben und ein jahrelanger Briefkontakt zwischen ihr und der Zahnfee hätte sich entsponnen. Irgendwann hätte sie herausgefunden, dass ihr eigener Papa... ach egal. So weit kam es ja nicht. 
Weitere Höhepunkte: Schnee. Plätzchen. Rodeln. Advent. 





Montag, 26. November 2012

Faszinierende Tumulte

Es wäre fast eine Woche ohne echte Höhepunkte geworden. Die Familie dümpelte durch den November. Mama war krank geschrieben, Ella und Oscar erlebten gefühlt: nichts.
Dann der erste Lichtblick: Im Supermarkt klingelt gleich das Telefon und wird für Erheiterung sorgen.

Papa ist bereits beim Zahlvorgang. Er schaufelt diverse Artikel vom Band in den Einkaufswagen. Nun also läutet es.
Der Kassierer grinst: "Hast bestimmt wat vajessen.".
Papa hat keine Hand frei, aber glücklicherweise ein Kind dabei. Ella geht ans Telefon, sagt immer "ja" und "gut", legt auf und verkündet: "Mama sagt, wir brauchen noch Bratwürstchen."
"Siehste", blinzelt der forsche Kassierer. "Kannst gleich vor mit den Wööstchen"

Ella rennt nun noch einmal durch den Supermarkt. Sie bezahlt und ruft danach stolz ihre Mama an. Ella sagt erst  "Ich hab Nürnberger geholt" und wird dann blass. Ähnlich ergeht es nun wohl der Mutter am anderen Ende der Leitung.
Ella legt auf. Der Vater wittert Unheil. "Was ist?"
"Nichts", lügt Ella. "Also, es ist nicht schlimm."
"Was ist nicht schlimm?"
"Dass wir Würstchen gekauft haben"
"?"
"Mama hat 'Zahnbürsten' gesagt".

Man lachte sehr in diesem Moment. Wie sich später herausstellte, lachte man nicht nur im Supermarkt, sondern auch einige Meter davon entfernt. Mama und Oscar waren zuhause und fanden die Bratwürstchen/Zahnbürsten-Verwechslung nämlich auch sehr amüsant.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Mutter des Hauses einen Tag später tatsächlich neue Bürsten für alle kaufte. Die Nürnberger liegen immer noch im Kühlschrank und wurden bislang nicht als Zahnbürste zweckentfremdet.

Soviel zu den Höhepunkten bis Sonntag.

Dann aber war Kindergeburtstag.
Ella "feierte nach", sagen wir mal, denn an ihrem Geburtstag vor etwa sechs Monaten hatte niemand Zeit. Nun also feierte Ella ihren sechsten Geburtstag nach. Es sollte gebacken, gebastelt und gespielt werden.

Auf der Gästeliste standen letztlich die Mädchen R., S., und M. und die Herren J. (, dessen Bruder J. auch recht lange mitfeierte) und N. (mitsamt Schwester). Zu erwähnen ist aber auch noch Ellas Bruder O., der sich ebenfalls als eingeladen betrachtete.

Der Nachmittag nahm einen heiklen Verlauf. Wie auf jedem Kindergeburtstag wurden massenhaft Straftaten begangen, insbesondere im Bereich der Sachbeschädigung und Körperverletzung. Oft war Oscar das Opfer. Scheinbar grundlos wurde ihm der Finger umgedreht. Hier und da wurde er niedergestreckt. Immer wieder weinte er. Dann schüttelte er sich und stürzte sich erneut in die Kinderschar, wo ihm meist erneut Unrecht widerfuhr.

Schlimm sind Kindergeburtstage. Mama und Papa sind jedenfalls bereit, für die demnächst anstehenden Kindergeburtstage große Mengen Geld zu bezahlen, damit diese als Gegenleistung dafür außerhalb der eigenen Wohnung stattfinden.

Für die gebackenen und toll verzierten Plätzchen gilt wie immer, das wissen aber alle Eltern sowieso: Nicht essen! Denn die Hände der wackeren Bäcker waren mal in der Nase, mal in der Hose.

Den angenehmen Höhepunkt der Geburtstagsfeier setzte die Gastgeberin  Ella selbst mit ihrem gestochenen Deutsch. So sprach sie zu Kind R.: "Ich danke dir für dein hervorragendes Geschenk." Später schlenderte sie durch das Kinder-Chaos, durch die Tumulte und Sachbeschädigungen und sprach "faszinierend". Schöner hätten das die Eltern auch nicht ausdrücken können.  

Der Blog pausiert für eine Woche, denn der Vater ist auf  Kosten des Steuerzahlers ein bisschen unterwegs.







Sonntag, 18. November 2012

"Themenwoche Tod" und weitere Highlights

Wenn die Tochter fröhlich zum Vater schleicht und ihn fragt: "Soll ich zu deiner Beerdigung kommen, wenn du tot bist?", dann ist die große ARD-Themenwoche "Tod und Sterben" schon an ihrem ersten Tag in den Kinderzimmern angekommen. Doch weder den Dokumentationen über Beerdigungen noch den Plakaten mit der Aufschrift "Sie werden sterben!" gelang es, das Thema derart nüchtern zur Sprache zu bringen wie eben Ella, die sich beim Vater also nach dessen Bestattung erkundigte.

Ja, erfuhr sie, sie möge doch bitte kommen. Sie sei hiermit praktisch herzlich eingeladen. "Oscar auch?" bohrte Ella weiter. "Ja, Oscar auch", antwortete der Vater lebend. "Auch Mama?", fragte Ella. Papa antwortete salomonisch: "Wenn sie dann noch da ist - gerne." Das Tal der Tränen wird tapfer durchschritten, in acht Tagen beginnt die Weihnachtszeit. Dann heißt es Lebkuchen essen, statt Sinnfragen stellen.

Überhaupt hat der November ja traditionell neben der "Themenwoche Tod" noch mehr Highlights zu bieten: Laternenlaufen zum Beispiel - ein Ritual, das mittlerweile endlich mit gemeinsamen elterlichen Glühwein-Trinken beendet wird.

Auch schärfsten Kritikern des Alkoholkonsums in Gegenwart von kleinen Kindern dürfte inzwischen also aufgefallen sein, dass das Laufen um einen Häuserblock im dunklen November kein Zuckerschlecken ist, zumal der Nachwuchs die selbstgebastelten Laternen innerhalb kurzer Zeit entweder kaputt tritt oder generell die Lust am Laternenhalten verliert, sodass manche Eltern bereits nach wenigen Metern die Laternen und Laternenfetzen tragen dürfen, während die Kinder brüllend in alle möglichen Richtungen des dunklen Stadtteils ausschwirren.

Die beiden Laternenlieder werden - wenn man ganz besonders scharf beobachtet - auch immer nur von den Eltern gesungen. Es ist also Jahr für Jahr ein insgesamt sehr sehr ärgerliches Ritual, an dem sichtbar niemand Spaß hat. Dieses Mal war sogar ein echtes Pferd dabei. Auch das hatte Stress. So wie viele Eltern. Aber die bekamen ja dann noch Glühwein.

Gut. Wenn wir ehrlich sind, war die Sache mit dem Pferd aus Kindersicht nicht schlecht. Interessanterweise standen neben dem Pferd auch noch zwei Polizisten. Eventuell hatte die Anwesenheit des Staates ja mit dem Gaul zu tun. Vielleicht gibt es da Gesetze, die besagen, dass Pferde beim Laternenlaufen Polizeischutz benötigen.

Oscar jedenfalls hatte schon lange vor dem großen Tag verkündet, dass sowohl Pferd als auch Polizisten beim Laternenlaufen mitmachen würden. Bis heute ist Oscar unentschlossen, wessen Anwesenheit er großartiger fand. Unter dem Polizisten wurde jedenfalls recht häufig ein kleiner Junge gesehen, der seinen Kopf ganz weit in den Nacken legte um den großen Polizisten gut angucken zu können.

Einen kulturellen Höhepunkt lieferte dann das Wochenende, an dem unter anderem ein Besuch im Deutschen Historischen Museum anstand. Man lief durch die Ausstellung, freute sich über Ritter und Kaiser und lernte auch Unfassbares über das 20.Jahrhundert. Den "bösen Mann" kann man schlecht verschweigen, wenn man mit seinen Kindern durch dieses Museum geht.

Oscar, der in seinem "Berlin"-Panini-Heft das Bild "Bomben auf Berlin" absolut super findet, brüllte zwar schon im Foyer des Museums "Ich will 'Bomben auf Berlin'", verstummte dann aber schnell. Das sei alles doch nicht so super gewesen mit den Bomben. Oscar und Ella waren beim Schlendern durch den Nationalsozialismus ziemlich schnell recht bleich. Glücklicherweise endet die museale deutsche Geschichte derzeit mit dem Happy End der Maueröffnung.
   
Ella, dies sei voller Stolz verkündet, hat nun ihr erstes richtiges Buch durchgelesen. Es heißt natürlich "Ella in der Schule" und hat über hundert Seiten. Im Buchladen deutete Papa auf seine Tochter: "Dieses Mädchen hier kann lesen. Sie braucht ein neues Buch", sprach er. Ella guckte die Verkäuferin dabei an. Es wurden Vorschläge gemacht. Ella schwieg und deutete schließlich auf den zweiten Teil der Reihe. "Ella in der zweiten Klasse."

"Dieses Mädchen hier kann nicht nur lesen", sagte der Vater beim Bezahlen, "sondern eigentlich auch sprechen." Den Beweis blieb die Lese-Maus im Buchladen aber schuldig.








Montag, 12. November 2012

Möbelgeschichten

Da es im heutigen Blog-Eintrag auch um Möbel gehen wird, müssen wir erst einmal ein wenig ausholen. Erläutert werden muss zumindest, dass das Wort "Möbel" etymologisch mit dem Wort "mobil" verwandt ist und demnach die Eigenschaft vordergründig ist, dass Möbel bewegliche Gegenstände sind. Und nun kommen die heiß ersehnten Möbel-Episoden dieser Woche:

In der Nacht vom Dienstag zum Mittwoch wurde in den USA ein neuer, schließlich glücklicherweise aber der alte, Präsident gewählt. Dies war den Eltern von Ella und Oscar Grund genug, das neue Möbelstück "Schlafsofa" im Wohnzimmer zu testen. Der Plan sah vor, dass die gesamte Nacht über der Fernseher laufen solle. Man wollte in einer Mischung aus Schlaf, Halbschlaf und Wachzustand die Wahlen jenseits des Ozeans mitverfolgen. Ella und Oscar wurde dieses Vorhaben nur unvollständig erläutert.

Die Kinder sollten a) durchaus erfahren, dass Mama und Papa des Nachts nicht im Schlafzimmer anzutreffen sein werden um Paniken zu umgehen, aber sie sollten b) nicht erfahren, dass der Fernseher die gesamte Nacht über eine US-Karte in den Farben rot und blau zeigen werde. Zumindest Ella hätte mit diesem Wissen nicht umgehen können. Gegen 20:45 hätte sie Bauchschmerzen vorgetäuscht und um 21:15 tatsächlich welche bekommen. Sie hätte dringend ins Wohnzimmer zu Mama und Papa und zum Fernseher gemusst.

Ella und Oscar schliefen Dienstagabend also brav in ihren Betten ein. Von den folgenden Ereignissen, sind drei erwähnenswert:
1) Gegen 5:15 Uhr stand fest, wer die nächsten 4 Jahre die USA regieren wird. Für Ella hat sich das monotone "Barack Obama"-Aufsagen der letzten Tage also gelohnt. Es gibt Deutsche, die können das weniger gut, wie zum Beispiel die Dame im TV, die statt "Barack Obama" leider "Back Orama" und damit fast "Backaroma" sagte.

2) Der Plan, die gesamte Wahlnacht so richtig durchzumachen, ging zumindest für den Vater schief. Da die ersten Ergebnisse erst gegen 1:00 zu erwarten waren, gönnte er sich gegen 22:00 schon mal ein Schläfchen um dann richtig fit zu sein, wenn's spannend wird. Um 6:00 wachte der Vater wieder auf. Obama war wiedergewählt.

3) Oscar hatte Mitten in der Nacht dann doch die so wichtige Information vergessen, dass seine Eltern nicht im Schlafzimmer liegen. Ahnungslos tappste er - so die Erzählung der Mutter - von seinem Zimmer ins Schlafzimmer. Wie jede Nacht. Oscars Gesichtsausdruck beim Anblick des leeren Elternbettes ist leider nicht überliefert, fest steht aber, dass Oscar nun wieder zurück in sein Kinderzimmer tappst. Ein wenig durchdachtes Unterfangen, wenn man bedenkt, dass Oscar in seinem Zimmer auf der Stelle wieder umkehrt um abermals ins Schlafzimmer zu latschen. Vielleicht hat er gedacht, er könne die ganze Sache einfach nochmal versuchen. Diesmal mit Erfolg und einem Bett, randvoll gefüllt mit Eltern. Fehlanzeige.
Oscar wurde in diesem Moment klar, dass er verlassen wurde. Mama und Papa, dies war die einzige Erklärung, sind Mitten in der Nacht einfach weg gerannt und haben ihn zurückgelassen. Oscar legte sich auf den Teppich vor dem leeren Bett und weinte. Dann kam Mama. Und dann wurde alles unfassbar gut für Oscar, denn er lag nun im Wohnzimmer zwischen seinen Eltern und durfte sogar fernsehen. Irgendwann schlief er dann ein.

Die zweite Möbelanekdote ist diese: Mama werkelte in den Kinderzimmern herum, während Papa kränkelnd im Wohnzimmer jammerte. Irgendwann war Mama fertig und das Kinderzimmermobiliar komplett umgestellt. Die Betten stehen jetzt direkt am Fenster. Beide Räume, dies wurde im Anschluss mehrfach erwähnt, seien dadurch größer geworden.
Oscar hörte sich alles sehr interessiert an. Er freut sich über sein nun größeres Zimmer und spricht noch immer voll Ehrfurcht von der sonderbaren Wandlung. Auch der Teppich sei nun größer. Alles sei größer. Mamas können alles. Es gibt keinen Grund, kritisch zu hinterfragen, ob Oscars Mama tatsächlich die Quadratmeterzahl des Kinderzimmers mit Hilfe eines Schraubenziehers vergrößern kann. Es ist einfach so. Alles ist nun groß.

Die letzte große Anekdote der Woche hat nicht viel mit Möbeln zu tun. Ellas oberer Schneidezahn wackelte schon seit Tagen bedenklich und stand zuletzt in wahrer Horrorfilm-Manier nach vorne ab. Am Samstagabend war es dann soweit. Mitten beim unzulässig heftigen Toben hat Ella diesen Zahn dann verloren und danach geblutet und gejammert.
In der Nacht kam die Zahnfee und sie tat das, was Zahnfeen nun mal tun: Sie tauschte den Zahn gegen ein Präge- und Stanzset aus.
Seitdem prägt und stanzt die zahnlose Ella in unserer Wohnung auf Teufel komm raus.

Bedenkt man, dass beide Kinder, erstaunlicherweise also auch Oscar, seit Kurzem wieder bzw. erstmals im Bügelperlenfieber sind, muss man kein Prophet sein, um sich vorzustellen, wie unser Fußboden derzeit aussieht: Überall liegen Bügelperlen herum, meistens auch in allen Schuhen. Und seit der Zahnfee gesellen sich auch noch diverse Prägerückstände aus Papier dazu. Manche sehen auf dem ersten Blick noch dazu aus wie kleine Hakenkreuze.  





Sonntag, 4. November 2012

Dr.Oscars Milz-Sprechstunde

Brandaktuell vermelden wir folgenden Dialog. Es handelt sich um ein medizinisches Fachgespräch. Gesprächsanlass ist ein Motiv auf unserem Astra-Kalender. Es zeigt einen Metzger. Darunter der Spruch "Zwischen Leber und Milz passt immer ein Pils". Darauf gucken wir immer bei den Mahlzeiten. 
Ella spricht deshalb seit einiger Zeit bei Tisch häufig von Organen. Mit wedelnden Armen hat Papa ihr zuletzt den Blutkreislauf erklärt und dann diskutierten Papa und Mama darüber, ob man zwei Lungen oder nur eine Lunge mit zwei Lungenflügeln hat und so weiter und so fort. Bei alledem scheinbar unbeteiligt malmte Oscar sein Essen, was so aber auch nicht ganz richtig ist, denn Oscar verweigert derzeit nahezu jede klassische Mahlzeit. Nichts mundet dem Herrn, doch dazu später mehr. 
Während Oscar so beim Tisch sitzt und nicht isst, eignet er sich momentan durchaus fundiertes medizinisches Fachwissen an. Vor allem bezüglich Leber und Milz. Eben ging es wieder los: 
Ella: Kann man ohne Leber leben?
Eltern: Ella, genau das hast du doch beim Frühstück schon gefragt. Nein. 
Ella: Kann man mit Leber und Milz leben. 
Mama: Ja.
Oscar (in ungeahnter medizinischer Kompetenz, brüllend): Da kann man sogar sehr gut mit leben! 
alle irtritiert.
Oscar (weiter): Die Sprechstunde ist beendet. 
Ansonsten müssen wir hier all diejenigen enttäuschen, die nun denken, dass der liebe Herr Oscar ja ein ganz ausgezeichneter und angenehmer Zeitgenosse ist. Nichts dergleichen entspricht der Wahrheit. Oscar ist momentan eine Zumutung für uns alle. 
Oscar schreit und rennt den gesamten Tag durch die Wohnung. Erholsam sind die Momente, in denen er entweder nur schreit oder nur rennt. Gefürchtet bei uns und im gesamten Haus sind dagegen die langen Phasen des simultanen Rennens und Schreiens. Mahlzeiten, wir deuteten es an, werden generell verschmäht. Lediglich Nutellabrötchen mit Fleischwurst werden akzeptiert. Fragt man Oscar nach einem Wunsch für das Mittagessen, sagt er "Schokosuppe". 
Während hier die Eltern achselzuckend erkennen müssen, vollkommen versagt zu haben, dürfen wir aber auch einen pädagogischen Erfolg verkünden, den wir in der vergangenen Woche prophezeit haben. Es ist vollbracht: Oscar geht nun auch bereitwillig auf unser zweites Klo und steht nicht mehr brüllend und tobend vorm ersten, wenn dieses besetzt ist. Und was schuf Abhilfe? Richtig. 
Eine riesige Fahne des VfL Bochums wurde mehr oder weniger liebevoll über ein Wasserrohr gelegt. Sitzt man auf dem Klo, kann man verträumt in das blau-weiße Wappen starren. Dies tut Oscar sehr gerne. Problem gelöst. Die Ästhetik des WCs hat sich natürlich nicht unbedingt enorm verbessert. Mama sagte vielsagend, dass die Fahne hängen bleibe, bis man andere Ideen entwickelt habe. Das kann sehr bald sein, fürchten Oscar und Papa. 
Ehe nun andere Eltern, die darunter leiden, dass ihre Kinder eines von zwei Klos total verschmähen, das Problem auf die gleiche Weise zu lösen versuchen und eine Fahne des VfL Bochum in die Nasszelle hängen, müssen wir aber erklären, dass Oscar ein unfassbares Interesse für Fußballwappen aufbringt. Es ist nicht gelogen: Oscar blätter seit Tagen in seinem Zimmer äußerst intensiv im Sonderheft des Kicker. Diese Neigung ist bei anderen Kindern eventuell weniger ausgeprägt und insofern ist die Lösung "Bochum-Fahne" auch nicht eins zu eins auf andere Kinder übertragbar. 
Als Höhepunkte der vergangenen Woche vermelden wir, dass Ella mal wieder nahezu selbstständig einen unfassbar schmackhaften Kuchen zubereitet hat und ihre Oma dabei staunend assistierte. Ein paar Tage später war Halloween. 
Ella (Zombie) zog mit zwei Jungs (Teufel und Vampir) durch verschiedene Treppenhäuser und erbeutete reichlich Süßkram. "Und? Wie habt ihr das gemacht? Habt ihr 'Süßes oder Saures' geschrieen?", fragte Papa den naschenden Zombie.
"Nein", sagte dieser. Wir waren manchmal auch ein bisschen schüchtern und haben erst mal gar nichts gesagt." - Das wiederum fand Papa, der Halloween nicht leiden kann, großartig. Die Vorstellung, dass es abends an der Tür klingelt und draußen ein schüchterner Vampir, ein schüchterner Zombie und ein schüchterner Teufel stehen und aus sechs großen Augen schweigend dem Fremden ins Gesicht blicken hat großes Potenzial. Erstaunlich, dass die Kreuzberger derart zurückhaltendem Spuk bereitwillig Süßigkeiten entgegenwarfen. 
Am heutigen Sonntag ging es ins Kindermuseum "Labyrinth", einem wunderbaren Ort, an welchem die Eltern auf einer Holztreppe sitzen und in ihren Smartphones blättern, während sich die Kinder interkulturell bilden und wunderbar spielen. An dem kleinen Museums-Shop am Ausgang schlichen wir uns erst klug vorbei. Draußen die Erkenntnis: Ella hat ihren Haarreifen verloren. Alle Mann wieder rein ins Museum. Haar-Reifen wieder bekommen. Am Ausgang der Museums-Shop. Eine Piraten-Fahne für Oscar und eine Prinzessinnen-Krone für Ella gekauft. Mist. 






Montag, 29. Oktober 2012

Erfolgreiche Studenten

Für großes Vergnügen unter den Bewohnern Kreuzbergs sorgt derzeit Oscar mit einer überaus billigen, aber wirkungsvollen Slapstick-Nummer.
Es gibt da eine Jeans in seinem Kleiderschrank, die noch nicht bemerkt hat, dass Oscar keine Windel mehr trägt. Diese Jeans ist ein wenig zu groß für Oscars zarten Hintern.
Rennt Oscar nun durch Kreuzberg und das tut er oft, denn Fortbewegung zu Fuß ohne dabei zu rennen liegt Oscar fern, dann rutscht die Hose langsam herunter.

Passanten, die das große Glück haben, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein, sehen Oscar dann auf sich zurasen, meist irgendetwas von Usain Bolt brüllend, dann sehen sie, wie Oscar seine Hose verliert, o-beinig stehenbleibt, seine nackten Beine anguckt und lacht. Der Passant, der dabei nicht fröhlich wird, ist uns bislang noch nicht begegnet. Eine sehr freundliche Dame hat sich nach Oscars Darbietung sogar beim Künstler und dessen Förderer bedankt. Man habe ihr soeben den Tag versüßt. Anspruchsloses Kreuzberg...

Schön ist, dass wir in unserer neuen Wohnung jetzt zwei Badezimmer haben. Schön ist das, weil Papa sich früher immer über klopfende und vor der Badezimmertür hüpfende Kinder geärgert hat. Heute sieht es aber leider nicht so richtig anders aus. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass insbesondere Oscar ein klares Lieblingsklo hat. Ist dieses besetzt, wird geklopft und gehüpft wie eh und je. Doch es besteht Hoffnung: Oscars grenzenlose Liebe zu dem einen Badezimmer resultiert nämlich nur aus der Tatsache, dass an dessen Tür ein Bochum-Wimpel baumelt.
Oscar jedenfalls nennt diesen Raum schlicht "Bochum-Klo" und würde es nie wagen, das Nicht-Bochum-Klo zu betreten. Die Lösung liegt selbstredend auf der Hand und wurde bereits sowohl in den Hirnwindungen der Mutter wie auch des Vaters unabhängig voneinander ausgebrütet.

Man müsse wohl nur eine noch größere Devotionalie des VfL Bochum in das andere Klo hängen. Es gäbe da beispielsweise eine Fahne. Vielleicht wäre dann die Toilettensituation wieder entspannter. Die Frage, wie Oscar dann die beiden Räume nennen wird, ist jedenfalls eine der ganz großen Fragen an die familiäre Zukunft.

Die letzten Bilder des heutigen Blog-Eintrages haben wir auf dem Tempelhofer Feld geknipst. Man wollte gemeinsam einen Drachen steigen lassen. Viele andere Berliner hatten diese Idee und so flogen, gelenkt von ehrgeizigen Männern, so an die 30 bunten Drachen über Tempelhof - es waren so richtig professionelle Teile, die großen Eindruck machten.

Unser Drachen kostete 2,90 Euro und stellte einen roten Hund dar. So weit, so toll. Erbärmlich aber waren alle Versuche, das Ding in die Luft zu bewegen. Mal rannte der Vater wie bescheuert über das Tempelhofer Feld, während sich im Schlepptau der rote Hund in das Stoppelfeld fräste, mal rannte Ella bis in die Haarspitzen motiviert. Der Drachen allerdings klebte wie Blei am Boden und zeigte selbst bei besten Windverhältnissen nur Flugphasen von maximal zwei Sekunden und vier Metern Höhe. Das war alles ein ziemlich großer Reinfall.

Oscar tat das einzig Richtige: Er setzte sich mitten auf das ehemalige Flugfeld und streikte. Sein Bein... Au weia... Das könne er ja nun so gar nicht mehr bewegen.
Der Vater, der soeben seinen letzten Sprint quer über den Flughafen beendet und den Drachen verflucht hatte, durfte den Sohn nun also nach Hause tragen.
Nicht einen Schritt machte Oscar mehr. Erst in der Wohnung konnte er wieder rennen.

Überhaupt das Rennen: Oscar und Ella rennen und poltern hier durch die Wohnung, dass man schon sehr starke Nerven braucht. Irgendwann klingelte es.
"Das ist bestimmt die WG unter uns. Die beschweren sich jetzt über Euch", sagte die Mama noch halb im Spaß, öffnete die Tür und sah sich einem Bewohner der WG gegenüber. Er beschwerte sich.
Mama sprach zu dem verdutzten Studenten: "Sehr gut. Sag das bitte noch mal meinen Kindern" und dabei deutete sie auf die entsetzten Gesichter einen Meter unter ihr.

Der Student ging in die Knie und erzählte Ella und Oscar etwas davon, dass er und seine Freunde jeden Tag von ihnen geweckt werden. Der Student guckte ganz traurig. Ella und Oscar wollten, dass diese Situation ganz schnell verschwindet und weg ist.

Die Mutter berichtete am Abend dem Vater davon. Dieser ging zu den Kindern. Er fragte Ella, ob sie will, dass der Mann noch einmal kommt. Kopfschütteln. Schlucken.
Papa ging zu Oscar. Hier auch. Kopfschütteln. Schlucken.
Und siehe: Der studentische Besuch war ein voller Erfolg. Erst seit gestern rennen und toben unsere Kinder wieder durch die Wohnung.








Montag, 22. Oktober 2012

Vertretungsunterricht in Sachkunde

Was an Ellas Schule passiert, ist alles ganz interessant, wenn man genau aufpasst.

Also: Ellas Sachkundelehrerin, Frau C., sprach noch auf dem Elternabend im Sommer davon, dass sie mit den Kindern nach den Herbstferien das Thema "Sexualkunde" besprechen möchte. Mit allem Drum und Dran, also zumindest einem recht interessanten Informationshefter, der erstaunlich drastische Antworten auf alle möglichen die Sexualität betreffenden Fragen geben wollte.


Interessanterweise ist Frau C. nun aber schwanger, was schon mal ganz lustig ist, bedenkt man den geplanten unterrichtlichen Schwerpunkt.
Frau C. wurde also draller und draller und irgendwann, wahrscheinlich exakt nach den Herbstferien, war Frau C. dann nicht mehr da.
Ella berichtet nun jedenfalls, dass Frau C. erstmal nicht mehr Sachkunde unterrichten wird, vielmehr sei da jetzt eine Frau M., die in der nächsten Zeit den Sachkundeunterricht zu unternehmen gedenken. Frau M., sagte Ella dann weiter, habe aber ein eigenes Thema dabei. Sie werde nicht das machen, was Frau C. machen wollte. Frau M. will jetzt "Herbst" machen.

Papa freute sich, als er diese Erzählung hörte. Er sah Frau M. regelrecht vor sich, wie sie als Vertretungslehrerin auf den Lehrplan guckte, das Wort "Sexualerziehung" entdeckte und in einem Akt spießbürgerlicher Rebellion sich darüber hinwegsetzte und den ahnungslosen Kindern statt Penissen aus Hartplastik die Blätter des Kastanienbaumes zeigte.

Ella jedenfalls wird schon bald, der wackeren Frau M. sei's gedankt, die heimischen Bäume sehr gut unterscheiden können. Sie wird mit Papa im Grunewald nach deren Blättern suchen und wenn sie sagt: "Guck mal, eine Eichel", dann wird sie keinen roten Kopf bekommen, sondern sich an der Nussfrucht erfreuen, deren Wesen ihr Frau M. nahe gebracht hätte, wohingegen Frau C. da noch ganz andere Dinge zu diesem Begriff hätte erzählen können.

Sensationelles tat sich dann am Wochenende: Die Familie schlief noch, da klingelten unten zwei Herrschaften, die uns unter lautem Geächze ein riesiges Sofa in die Wohnung trugen.
Zuvor wurden die zwei Vorgängermodelle unserer Wohnung verscherbelt, sodass hier einen Tag lang eine Matratze das Sofa bildete, was die Kinder mit begeistertem Hüpfen quittierten. Hüpfen aber ist nun tabu. Ella zumindest hat es verstanden: "Oscar, das neue Sofa ist kein Trampolin!", mahnt sie gerne und sammelt damit ordentlich Punkte bei ihren Eltern. Im Übrigen ist das neue Sofa auch ohne Hüpferlaubnis ein ziemlicher Knaller. Mama und Papa jedenfalls sitzen sehr gerne darin und Ella und Oscar haben Mordsspaß mit dem König der Verpackungsmaterialien, der Luftpolsterfolie, deren eine Milliarde Luftpölsterchen Ella und OScar in den nächsten Wochen aufzuplatzen gedenken.

Oscar gilt dabei hier allerdings als der aktuelle Familien-Stinkstiefel. Äußerst unangenehm ist es zu beobachten, wie Oscar seine Befehle erteilt bei gleichzeitiger vollkommener Arbeits- und Kooperationsverweigerung. Der Herr spielt immer noch König, sieht sich aber einem zunehmend missgestimmten Hofstaat gegenüber. Die Laune des Vaters hielt sich jedenfalls in eng gesteckten Grenzen, nachdem er mit Oscar am ausgestreckten Arm hängend vom Bäcker zurück kam.

Geplant war, dass Papa mit Ella Brötchen holen geht. Oscar aber, der Ella dies nicht gönnte, wollte auch mit. Ein Wutausbruch drohte. Ein Vormittag war in Gefahr. Oscar begann sich nun umzuziehen, was nichts anderes heißt, als dass mehrere andere Menschen ihn umziehen müssen. Der Gang zum Bäcker verzögerte sich.

Im Bäckerladen musste Oscar dem Grauen ins Gesicht blicken. Sein Vater nämlich sagte auf Oscars Befehl hin, man möge für Oscar doch bitte ein Mohnhörnchen (1,35€) und eine Laugenstange (1,10€) zum Einkauf hinzufügen, ein unerwartetes Wort, nämlich "Nein".

Oscar brach noch im Laden zusammen und sein schlimmer Zustand stabilisierte sich auch auf dem Rückweg nicht. Papa schickte also die Tochter vor, trug selber eine Tüte mit 18 Brötchen in der einen und den schreienden Sohn in der anderen Hand nach Hause. In der Kita, so die Erzieher, benehme sich Oscar dagegen "unauffällig". Das freut uns.