Sonntag, 9. Dezember 2012

Zahnfee und Nikolaus und Ladenschluss

Wenn Oscar vor dem abendlichen Vorlesen laut fordert: "Das mit Maria. Und Josef. Und Gok", dann sind zwei Sachen sonnenklar: Ersten hat Oscar immer noch ein paar Probleme mit dem Konsonanten T, weshalb er den Schöpfer eben jenes T leider derzeit "Gok" nennt. Zweitens ist die Weihnachtszeit nun schon rund 14 Tage alt. 
Papa hatte sich zu Beginn der Weihnachtszeit zunächst aus dem Staub gemacht. Fünf Tage lang weilte er nicht im Lande, was Oscar eher gleichgültig zur Kenntnis nahm und Ella tieftraurig machte. Das in Berlin zurückgelassene Gespann Mama-Ella-Oscar meisterte jedoch die Aufgabe letztlich sehr souverän. Ella war zu Beginn noch traurig, später dann wohl besser drauf. Und Oscar war halt so, wie er immer ist. 
Als Papa einmal anrief, da verstand er Mama und Ella jedenfalls kaum, da im Hintergrund jemand tobte und heulte. Oscar wurde gefragt, ob er den Vater denn auch kurz mal sprechen wolle. Oscar aber konnte nicht. Viel wichtiger war es in diesem Moment für ihn, unterm Mittagstisch zu liegen und zu wimmern. Grund genug zur Traurigkeit hatte der Herr allemal: Barbarisch wie Mama nun einmal ist, sollte Oscar einen kleinen Bissen von der Kartoffel essen, ehe er seinen Teller ausschließlich mit Fischstäbchen füllen dürfe. Oscar raste vor Wut. 
Eine Minute nach dem Telefongespräch mit seiner Familie, klingelte des Vaters Handy erneut. Es war absehbar, wer am anderen Ende der Leitung nun schluchzen würde. Es war Oscar. Ein kurzes Gespräch wurde geführt. Oscar war wieder stabil. Dann die überaus dämliche Frage des Vaters nach der Kartoffel. Erneutes Heulen. Papa konnte das Problem mit einem Tastendruck aus der Welt schaffen. In Berlin suchte die Mama eine solche Taste vergebens. 
Als Papa wieder zurückkam, freute er sich auf den Empfang durch die jubelnden Kinder. Doch musste dies ein wenig verschoben werden, denn Papa kam erst gegen Mitternacht nach Hause. Die potenziellen Jubler schliefen zärtlich. 
Am nächsten Morgen blieb eigentlich auch nur wenig Zeit für ein inniges Wiedersehensfest. Hinzu kam, dass Ella wohl tags zuvor versucht hatte, lange wach zu bleiben. Sie war - vorsichtig formuliert - mäßig gelaunt an diesem Morgen. Zehn Minuten hielt sie sich die Augen zu, denn das Lampenlicht in der Küche, nicht gerade für seine Stärke berühmt, piekste in Ellas müden Augen. Sie weinte. Nach elf Minuten war alles gut. Eine Minute später ging Papa zur Arbeit und freute sich darauf, das große Wiedersehen mit Ella dann am Nachmittag feiern zu können. 
Papa ging motiviert in den Hort und fand dort Ella - benommen. Etwa eine Stunde zuvor hat sie versehentlich einen Arm ihrer Freundin ins Gesicht bekommen. Der Wackelzahn nahm dies dankbar an und wackelte dann so richtig. Blut floss. Ella sah nicht glücklich aus. Das Wiedersehen wurde abermals um eine Stunde verschoben. 
Dann aber: Geschenke von der Dienstreise. Für Oscar einen Stier - den einzigen lieben Stier Spaniens. Oscar glaubte die Geschichte und ist sehr stolz auf sein neues Kuscheltier. Für Ella ein Flamenco-Kleid samt Fächer. Volltreffer. Der Wackelzahn war vergessen. Im Internet wurde geguckt, was die Profis mit diesen Kleidern so machen. 

So lief auf dem Bildschirm also ein Flamenco-Tanz. Davor versuchte Ella simultan mitzutanzen und zeigte dabei, dass sie die Voraussetzungen (hektische und unberechenbare und extrem wilde Bewegungen) perfekt aufweist. Im Prinzip kann man sagen, dass Ella schon seit Jahren Flamenco tanzt, wir dies nur nicht erkannten und Ella von dem spanischen Tanz schlicht und ergreifend nichts wusste. Jetzt aber kann Ella ihre Liebe zu exzentrischen Kleidern und grotesken Bewegungen endlich verbinden und professionalisieren. Wir suchen mal nach einer Tanzgruppe... 
Die Woche lieferte weitere Höhepunkte: Der Zahn fiel am 5.12. dann doch aus. Einen Tag vor Nikolaus also. Gut, dass Ella den Zahn verloren hatte, denn sonst hätte ja nicht nur der Nikolaus, sondern in der gleichen Nach auch die Zahnfee ran gemusst. Dieses große Treffen der Fabelwesen sollte uns erspart bleiben - dachten wir. 
Ella schrieb nämlich eifrig einen Brief, "Liebe Zahnfee. Ich habe den Zahn leider verloren." und legte ihn geschenkegierig unters Kopfkissen. 
Und während Mama spät an diesem Abend der Nikolaus war, der die fleißig gesäuberten Stiefel mit Süßigkeiten und Geschenken füllte, war Papa die Zahnfee, die am PC den Antwortbrief tippte. Wo denn der Zahn ungefähr sei, sie würde dort halt noch mal gucken... Wir hatten an diesem Abend einfach kein Geschenk mehr. Zahnfee und Nikolaus und Ladenschluss. Papa schmierte Glitzer auf den Brief und legte ihn unter Ellas Kissen. 
Am nächsten Morgen war die Sache aber erstmal vergessen. Der Nikolaus zog die Aufmerksamkeit voll und ganz auf sich. Ella fiel erst am Abend die Zahnfee ein - und siehe: Diese hatte inzwischen doch noch irgendein Pixie-Buch organisieren können. Der Brief kam nicht zum Einsatz. Gut so. Papa fühlte sich auch ganz schlecht, als er in Form eines Fabelwesens metaphysische Kommunikation mit seiner Tochter aufbauen wollte. Man stelle sich vor, Ella hätte zurückgeschrieben und ein jahrelanger Briefkontakt zwischen ihr und der Zahnfee hätte sich entsponnen. Irgendwann hätte sie herausgefunden, dass ihr eigener Papa... ach egal. So weit kam es ja nicht. 
Weitere Höhepunkte: Schnee. Plätzchen. Rodeln. Advent. 





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