Dienstag, 29. Mai 2012

Liebe T-Shirts kaufen

Scrollt man durch die Bilder dieses Blog-Eintrags, so wird man nicht eines finden, das einen weinenden Jungen zeigt, was unseren Blog zu einem nicht sonderlich repräsentativen Text für diese Woche macht. Oscar nämlich weinte teilweise stundenlang. Hier und da war es mehr ein Brüllen, dann wieder ein Wimmern, unterm Strich aber meist ein Weinen.

Schlimm war es im Supermarkt. Die Familie marschierte mit dem Ziel "Großeinkauf" relativ zielstrebig hinein. Noch nahm man dabei den kleinen Herrn nicht so ganz für voll, der irgendwas von einer Krokodil-Mütze erzählte und dabei schluchzte.

Es war wohl so, dass Oscar kurz vor dem Verlassen der Wohnung noch selbige Mütze trug, diese dann abnahm und sich plötzlich ohne Mütze auf dem Weg zum Supermarkt wiederfand. Oscar weinte. Im Supermarkt schrie er dann, und zwar die gesamte Einkaufszeit und da es sich tatsächlich um einen Großeinkauf handelte, wurde der hiesige Supermarkt für rund 35 Minuten von unserem Sohn niedergebrüllt und um es ganz ehrlich zu sagen: Der Supermarkt hier hat das durchaus mal verdient. Es ist ein gottloser Ort.

A propos Gott. Als wir unseren Großeinkauf in Beutel und Rucksäcke zu stopften versuchten, neben uns den mittlerweile fix und fertigen Oscar, der das Wort "Krokodil-Käppi" immer noch in sein Brüllen und Heulen integrierte, da kam eine recht betagte Dame auf uns zu. Es war zunächst schwer abzusehen, ob sie in guter oder böser Absicht kam. Sie murmelte Oscar und uns Dinge zu, die aber vollständig von Oscars Argumentation bezüglich der Krokodil-Mütze überlagert wurden und demzufolge unverstanden blieben.

Dann, als Oscar irgendwie mal Luft holen musste, war die Dame plötzlich zu verstehen. Sie sagte in etwa folgende, für uns Eltern sehr lehrreiche Worte: "Es ist ja auch kein Wunder, dass dieses Kind so schlecht gestimmt ist. Es hat ja auch ein furchtbares T-Shirt an." Die Dame verschwand in den Gedärmen des Supermarktes.

Oscar und seine Eltern guckten nun auf sein T-Shirt. Es handelte sich um das St.Pauli-Shirt, das ihm seine Mama vom Bibliothekartag in Hamburg mitbrachte. "Oscar darf St.Pauli-Fan sein. Er ist schließlich gebürtiger Hamburger und demzufolge kein Modefan aus dem nicht-hanseatischen Raum", sprach die Mutter, als sie ihrem Sohn das schwarze Shirt überstülpte. Oscar war sofort hellauf begeistert.

Das T-Shirt zeigt den Totenkopf der Piratenflagge, darunter der Schriftzug "St.Pauli" - Dass es sich um einen Fußballverein handelt, hat Oscar schnell kapiert und die Schnittmenge aus Piraten und Fußball binnen Sekunden in sein Herz geschlossen. Nun aber wieder zu der alten Dame im Supermarkt. War sie etwa HSV-Fan?

Nein. Die Dame fand wohl den Totenkopf irgendwie doof. "Ein furchtbares T-Shirt", sagte sie zu Oscar, der doch so stolz auf sein Kleidungsstück war. Papa aber notierte in Gedanken: "Liebe T-Shirts kaufen. Dann schreien die Kinder eventuell nicht mehr." Vielleicht läuft Oscar demnächst in T-Shirts mit Marienkäfern herum und ist sehr ausgeglichen.

Momentan aber zelebriert er lieber sein Trockenwerden. Dass er Jubelstürme und Lob erntet, wenn er - wie zuletzt immer regelmäßiger - vorher Bescheid sagt und dann auf die Toilette geht, hat er nun verinnerlicht. Das Klo, so denkt Oscar, ist ein Ort, an dem man zeigen kann, wie groß man schon ist. Und dann kann es halt auch mal passieren, dass Oscar nach dem selbstständigen Spülen noch ein wenig im Bad verharrt. Nach 10 Minuten kam ein Elternteil mal gucken und fand den Sohn in der Pose des Maitre de Cuisine mit der Klobürste in der Schüssel rühren. Wohlgemerkt nach dem kleinen Geschäft.

Das Elternteil sprach dann aber kein abermaliges Lob aus, sondern äußerte leichte Verwunderung über Oscars Verhalten. Dieser erklärte sich: "Wieso? Ich mach doch nur sauber!".

Und Ella? Ella ist in einer ganz anderen Phase. Ella tanzt auf dem Karneval der Kulturen mit Geistern, die ihr früher noch schlaflose Semester beschert hätten. Und wenn sie aus dem Bus aussteigt, kann es vorkommen, dass sie zum Fahrer sagt: "Tschüss, es war sehr schön in Ihrem Bus".

Nach dem Karneval durfte sie im Garten zelten. Als Beistand wählte sie Papa und Oscar. Die Familie war begeistert. Man munkelt, vor allem die Mutter, die alleine in der Gartenlaube nächtigte...


Montag, 21. Mai 2012

Der Dachstunnel

Es war wohl so, dass die alte Oma wusste, dass sie nun alles erreicht hat. Als Ella und Oscar Ende Dezember nämlich ein letztes Mal bei Ihr zu Besuch waren, da hatte sie endlich auch Oscar geknackt. Oscar verabredete sich an diesem Wintertag mit seiner Uroma. Er würde gerne mal bei ihr übernachten, sagte er seiner begeisterten Uroma und seinen ratlosen Eltern. Uroma und Oscar freuten sich schon. Dann, an einem Mittwochmorgen fünf Monate später, ist die Uroma  eingeschlafen und einfach nicht mehr wach geworden.

Oscar dagegen wurde an diesem Morgen sehr wohl wach, tapste durch die Wohnung, sah, dass seine Eltern Kummer hatten und sagte mit seinen drei Jahren seiner Mama, die an diesem Mittwochmorgen so tieftraurig war, die unglaublichen Worte "Mama, ich hab dich so lieb, dass es wehtut." Ganz doll presste sich der Kleine an seine Mama.

Oscar, das wusste er wohl auch, musste ja auch für zwei Kinder trösten, er hatte so niedlich und lieb wie zwei Kinder zu sein. Ella war zu diesem Zeitpunkt nämlich auf ihrer Kinderladen-Reise im mittlerweile vertrauten Ollendorf, ritt dort auf Ponys und brach aus einem Pferdestall aus, der Gefängnis spielen musste, schaffte dies als einziges Gefangenen-Kind und saß danach triumphierend auf der Stalltür. Man beachte auf dem Foto die hilflosen Hände der anderen Kinder, die vermutlich noch immer im Pferdestall Gefangene spielen. Ella kann klettern. Fast so gut wie dieser Franzose, der immer auf Häuser steigt.

Zuvor und auch danach erlebte sie in Ollendorf weitere großartige Dinge. Zumindest die etwa 300 Fotos, die von der Reise existieren und von uns begutachtet wurden, sprechen eine eindeutige Sprache. Hier wird Pizza gemacht, dort getöpfert, hier ein Meerschweinchen im Arm, dort ein Grillabend. Zum Frühstück allerlei Süßkram... Aber als sich Ellas Papa am Bahnhof beim Reiseteilnehmer Janek nach dem Spaßfaktor auf der Kinderladenreise erkundigte, da sprach dieser Superheld "war langweilig" in die Mikrofone. Es handelte sich - wie sich später zeigte - um eine aalglatte Lüge, denn auch Janek, so die Fotos, hatte Spaß.

Die Erzieher im Übrigen auch. "Es war sehr entspannt", sagte die eine. "Die Kinder haben alle super geschlafen", sagte die andere. Bei näherem Nachfragen stellte sich zwar heraus, dass Ella in der Nacht aus ihrem Bett direkt ins Gesicht einer Erzieherin fiel, dass dabei beide Beteiligten wach wurden, sich kurz in die Augen sahen und Ella dann "Gute Nacht" sagte, aber das kann man durchaus mal als "super geschlafen" bezeichnen, denn hier sind nachts gerade in den Wochen vor der Ollendorf-Fahrt ganz andere Dinge geschehen. Ein ins Gesicht fallendes Kind, das danach noch artig "Gute Nacht" sagt, hätten wir jederzeit gegen das diffus schreiende Kind eingetauscht, in dessen regungslos wimmerndes Gesicht wir in einigen vergangen Nächten irgendwelche Schlaf-Argumente sprachen.

Vorbei das. Aus Ollendorf kam Ella - wie nach jedem Kurzurlaub - irgendwie erwachsen zurück. Noch hält es an, aber die nächste Kleinkind-Phase ist genauso zuverlässig im Anmarsch wie irgendein Tiefdruckgebiet, das sich gerade über Island zusammenbraut. Noch scheint hier die Sonne. Der Regen wird aber kommen.

Zu Hause bekamen Ella und Oscar dann ein neues Buch vorgelesen. Ein lieber alter Dachs geht durch einen langen seltsamen Tunnel, fühlt sich plötzlich ganz leicht und kriecht am nächsten Tag nicht mehr aus der Höhle. Die anderen Tiere sind natürlich traurig, aber am Schluss überwiegen bei allen die vielen tollen Dachs-Erinnerungen. Ella und Oscar haben das mit der alten Oma jetzt so ungefähr verstanden.

Sonntag, 13. Mai 2012

Vor unserem geistigen Auge ist es nicht grün und nicht rosa. Die Kinder aber weinen.

Das Thema "Umzug" schiebt sich immer mehr in unser Leben. Da gibt es diejenigen in unserer Familie, die derzeit eher sorgenvoll dem Ereignis entgegenblicken wie die Mama, die Arbeiten und Probleme auf uns zukommen sieht, die für den Vater glücklicherweise derzeit noch unsichtbar sind. Und auch Ella hat ihre Momente, in denen sie unter Schluchzen erläutert, dass sie eigentlich überhaupt nicht umziehen will. Der Prä-Umzugs-Blues trägt hier also ganz klar weibliche Züge. Oscar und Papa gehen da nämlich weitaus pragmatischer heran.

So ist Oscar - wie wir nun herausgefunden haben - der festen Überzeugung, dass das künftige Badezimmer hellgrün sein wird. Er freut sich allem Anschein nach sogar darauf. Schlecht daran ist, dass wir Oscars Farbvorstellung der Nasszelle nicht teilen und auch keine Ahnung haben, woher Oscar diese Information bezieht.
Wir sehen das enttäuschte, möglicherweise weinende Kind bereits im nicht-grünen Badezimmer stehen.

Und wo wir schon beim Thema farbige Räume sind. Ella flüsterte ihrer Oma folgendes ins Ohr: "Papa sagt, man kommt in eine Phase, in der man Rosa nicht mehr mag" - dieses für ein fünfjähriges Mädchen äußerst reife Zitat spielt auf einen Konflikt an, den viel weniger der - wir sagten es bereits - pragmatische Vater mit seiner Tochter ausficht als die besorgte Mutter. Rosa jedenfalls solle das Kinderzimmer der Tochter nicht werden. Es gibt keinen rosa Stuhl und keine rosa Wand.
Unser geistiges Auge ergänzt zu dem im Badezimmer weinenden Sohn die im Kinderzimmer weinende Tochter.

Der heimliche Höhepunkt dieser Woche stammt aber vom Freitag. Papa guckte müde. Ella machte deshalb Kaffee. Vielleicht hat Papa sie darum auch gebeten, das weiß er aber nicht mehr, weil er zum fraglichen Zeitpunkt zu müde war um sich das zu merken.
Ella jedenfalls werkelte anschließend in der Küche herum und wir sagen es hier ganz deutlich: Ella macht ausgezeichneten Kaffee. Ihre Mama sagt jedenfalls, Ellas Kaffee sei besser als Papas und ihr Papa sagt, Ellas Kaffee sei besser als Mamas. Schlecht ist das also nicht, was sie da zusammenmixt.

In Oscar keimte in dieser Minute, in der Ella Kaffeepulver in den Filter füllte, der Gedanke auf, dass er eigentlich auch schon groß genug ist, um seinem Vater mal einen Kaffee zu kredenzen.
Oscar verwendete allerdings nicht das Verb "kredenzen", sondern rannte "Ich mach Papa auch einen Kaffee" schreiend durch die Wohnung. Papa lächelte und war zu müde, über das Gehörte weiter nachzudenken.
Wenige Sekunden später war Oscar aber schon fertig mit Kaffeemachen. Das ist schon mal interessant, dachte Papa, dass Oscar da eine Methode der Zubereitung entdeckt hat, die so schnell ist, dass er Ella bei der Produktion des Heißgetränks überholen kann.

Stolz rammte Oscar seinen "Kaffee" - ja, wir setzen das jetzt mal in Anführungszeichen - dem Vater auf den Tisch. Die Frage nach der Zubereitungsart war nach einem Blick in die Tasse zwingend notwendig.
Er habe, so Oscar, eine Tasse voll mit Milch [kalte, der Verf.] gegossen und anschließend Kaffeepulver [geschätzte 300 g, der Verf.] hineingeschüttet. Schließlich habe er kräftig umgerührt.
Das Ergebnis war breiig, kalt und allein aufgrund des erstaunlichen Anblicks mindestens ebenso stimulierend wie herkömmlicher Kaffee, insofern hat Oscar da tatsächlich ein sinnstiftendes Werk getan.

Artig bedankte sich der Vater und kippte die viskose Masse ohne Oscars Wissen danach ins Klo. Danach trank er Ellas gewohnt vollmundigen Kaffee.

Im Übrigen bekam Ella Post. Die Grundschule schrieb, dass nun alles klar sei mit der Einschulung und so. Es nahm ironische Züge an, dass Ella diesen Brief nahezu fließend vorlas. Ella las von Schnupperunterricht, Einschulung und Elternabend. Muss dieses Kind überhaupt noch in die Schule? Oscar jedenfalls wollte auch noch etwas zum Thema beitragen. Er hüpfte durch die Wohnung und schrie "Und schon ist der Unterricht geendet." Ein schöner Satz.

Ella äußerte aber auch noch einen schönen Satz. Sie spielte Radio. Haute man auf ihren Kopf, ging sie an und plapperte pausenlos. Haute man noch einmal auf den Kopf, ging sie wieder aus.
Vor allem das Ausschalten fanden Mama und Papa richtig gut, aber das Radio beschwerte sich meistens schon nach 20 Sekunden des Schweigens über den Aus-Zustand.

Diesen Aus-Zustand findet Ella ja ohnehin immer total furchtbar, also bat sie auf offener Straße ihre Eltern darum, ihr doch wieder auf den Kopf zu hauen. Papa tat wie ihm geheißen. Radio-Ella ging wieder an. Es lief gerade der Verkehrsfunk: "Hier sind die Stau-Nachrichten", tönte es aus dem Munde unserer Tochter, während wir durch Kreuzberg schlenderten. "Ein Lkw auf der Autobahn 2 hat sich verfahren. Es gibt heute kein Brot." Genau diese ganz konkreten und teilweise so furchtbaren Folgen eines Verkehrschaos sollten die Staunachrichten im echten Radio mal in den Fokus der Berichterstattung setzen. Kein Brot. Der Lkw hat den Supermarkt nicht gefunden...

Montag, 7. Mai 2012

Ente. Fuchs. Zebra.

Prost. Wie auf den ersten Bildern unschwer zu erkennen ist, heben Ella und Oscar das Glas. Man war am Freitagabend schick essen. Der Grieche brachte dann irgendwann "Kinder-Ouzo aufs Haus" und den kippten sich Ella und Oscar ordentlich hinter die Binde.

Kurz zuvor wurde ihnen von den Eltern allerdings eröffnet, dass sie nie nie nie wieder in ein Restaurant gehen dürfen, ehe sie das Alter verlassen haben, in welchem sie beispielsweise an riesigen Holzfässern spielen und an den dort angebrachten Hähnen drehen müssen.

Mama entdeckte ihren Sohn nämlich genau bei jenem Unterfangen. Sie schritt gekonnt ein, ehe auch nur ein Tropfen Wein das Fass, das in etwa dreimal so groß wie Oscar war, verlassen konnte. Das Restaurant blieb daher unbeschädigt und konnte uns allen den Gratis-Ouzo servieren. Worauf aber stoßen Ella und Oscar denn da überhaupt an?

Nun. Sie besiegeln hier quasi ihre Trennung. In wenigen Wochen nämlich werden Ella und Oscar in getrennten Kinderzimmern wohnen. Eine unüberwindbare Rigips-Wand wird sie fortan voneinander trennen, denn die gesamte Familie zieht um. In eine Wohnung mit zwei Kinderzimmern. Und dies wurde gefeiert.

Unsere Kinder aber sind ja nun mal die Spezialisten der Unlogik. Und deshalb schmiegen sich Ella und Oscar seit sie wissen, dass sie demnächst gtrennt werden, immer ganz eng aneinander, wenn es ans Schlafen geht. Oscar tappst seitdem nicht mehr ins Elternbett, sondern zu Ella ins Bett. Dort liegen sie dann ein Weilchen, ehe Ella ihr Bett Richtung Elternbett verlässt. Morgens wird Oscar dann in Ellas Bett wach. Alleine.

Jubel bricht dann dennoch aus, denn die Eltern sind bescheiden geworden. Seit ein paar Tagen hängt diesbezüglich eine Anzeigetafel im Wohnzimmer. Dort wird gezählt, wer wie viele Nächte einigermaßen durchschläft. Insbesondere wildes Schreien (Oscar) und grundloses Weinen (Ella) sind verboten. Nach etwa sieben Tagen steht es nun bereits 4:1 für Oscar. Wer zuerst "5" erreicht, geht zur Belohnung ins Kino. Alles deutet daraufhin, dass Oscar bereits morgen die Kinotickets sicher hat.

Auch beim allwöchentlichen Turnen ist Oscar derzeit in Hochform. So berichtet die Mama von einem äußerst komplexen Spiel, bei welchem man im Kreis zu rennen hat und bei jedem im Kreis Sitzenden, den man dabei umrundet laut "Ente" schreien muss. "Ente Ente Ente Ente Ente", heißt es dann rennend. Bis der Ente-Schreihals irgendwann "Fuchs" sagt. Der mit "Fuchs" Bezeichnete muss dann emporschnellen und dem Spieler, der eben noch "Ente Ente Ente" sagte, hinterherrennen und diesen fangen. Ein tolles Spiel.

Oscar rannte um die im Kreis Sitzenden und benannte jeden einzelnen als "Ente". Dann näherte er sich einem Kleinkind namens Henriette. Oscar wurde langsamer. Er stand nun hinter Henriette und sprach das große Wort: "Fuchs". Nun aber zeigte sich Oscar als Gentleman, denn er rannte nicht etwa davon, sondern wartete neben Henriette, bis sich diese mühsam erhob. Als Henriette dann schließlich neben Oscar stand, rannten beide weg. In die tiefen Niederungen der Sporthalle. Nebeneinander. Wie Ente und Fuchs halt.

Zum Abschluss nun zwei furchtbare Meldungen Ella betreffend:
Erstens: Ella malt die furchtbarsten Bilder, die man sich denken kann. Sie möge doch ein schönes Bild für die alte Oma malen, denn die kann ein bisschen Aufmunterung gut gebrauchen. Ella malte ein Zebra, das an Unförmigkeit schwer zu überbieten sein dürfte. Die Beine des bejammernswürdigen Tieres waren spindeldürr und sahen mit den Querstreifen aus wie Leitern. Der Rumpf des armen Tieres war lang und dünn. Es war die Zeichnung einer Dreijährigen.

Darunter standen allerdings sehr liebe Worte. Ella kann halt wunderbar schreiben - malen kann sie dagegen überhaupt nicht. Es fehlt sowohl an Talent als auch an Motivation. "Ella, das Bild ist irgendwie so dunkel, Mal doch noch ein paar Blumen dazu", sprach Mama beim Anblick des deprimierenden Zebras.
Ella griff sich den dunkelblauen Filzstift, mit dem sie bereits das Zebra malte, und ergänzte wilde Linien, die eventuell Gras darstellen sollen und eine Holocaust-Mahnmal-ähnelnde Struktur, die möglicher Weise eine Hecke darstellt. Eine zweite Farbe gönnte Ella dem Bild nicht.Die Künstlerin beendete das Werk an dieser Stelle.
Einen Tag später erreichte sie Gottes Zorn in Form einer Verrenkung des Halses. Ella, die mit Schmerz überhaupt nicht umgehen kann, jammerte und wimmerte. Wärmekissen und Halskrausen wurden gereicht. Weinend schlief sie ein - gewillt, dennoch das 2 : 4 zu erschlafen und somit eine Restchance auf den Kinobesuch zu wahren. 

Dienstag, 1. Mai 2012

Sommer auf dem Topf

An diesem Wochenende, das dank strategisch günstig liegendem Maifeiertag bis zum heutigen Dienstag ging, griffen Mama und Papa an Oscars Windel und zogen diese hinunter.

Großartig ist ein Kleingarten, wenn ein Kind aus den Windeln wachsen soll, denn bei hochsommerlichen Temperaturen konnten wir relativ stressfrei unseren Sohn "unten ohne" herumflitzen lassen. Die Vegetation ist schließlich imstande, so einiges an Fäkalien aufzunehmen und die darin enthaltenen Nährstoffe zur Produktion von leckeren Johannisbeeren oder Süßkirschen zu verwenden. Pflanzen sind ja so dankbar...

Oscar war allerdings nicht so sehr entspannt und dankbar wie die Pflanzen. Zwar ließ er sich die Windel ohne Protest abnehmen, doch zeigte er sich im Anschluss sehr verunsichert: "Ich muss kackern", rief der Kleine und sprang aufs Töpfchen. Dort saß er dann, ließ aber erst nach 30 Minuten seinen Worten Taten folgen.

Zwei Minuten genoss er daraufhin die Bewegungsfreiheit, ehe ihn ein neuerlicher Drang, beziehungsweise die Panik wieder aufs Töpfchen führte. Und so ging das Spielchen munter weiter. Oscar saß einen ganzen lieben Sommertag entweder auf dem Töpfchen oder auf der Toilette. Es war schrecklich langweilig für ihn. Um ihn herum spielten alle Nachbarskinder. Allein Oscar war gefangen in seiner übergroßen Vorsicht und seinem absoluten Bewusstsein, jetzt zu den Toilettengängern zu gehören.

Zum Stichwort "Großwerden" gehörte für Oscar in diesen Tagen noch, dass er auf eigenen Wunsch ein richtiges Fahrrad bestieg und mit diesem zum Park radeln wollte. Die Leichtigkeit, die dem Wort "radeln" inne wohnt, konnte Oscar dabei leider noch nicht so recht umsetzen.
Hin wurde sich in Tippelschritten fortbewegt und auf dem Rückweg ließ man das Fahrrad dann von einem eigens mitgelaufenen Elternteil tragen.

Für Ella hieß "Großwerden" an diesem Wochenende, dass sie vom Vater im Garten 3 Euro in die Hand gedrückt bekam. Sie solle doch mal gucken, ob die Gaststätte in der Kleingartenkolonie schon geöffnete hätte, ob es denn da auch Eis gäbe und ob sie und ihr Bruder eventuell Eis kaufen möchten.

Ella flitzte mit Geld und Bruder los. Papa beging unter dessen einen Denkfehler, als er über das Wechselgeld nachdachte, dass Ella - die keine Taschen im Kleid hat - ja auch noch irgendwie transportieren muss.
Es gab kein Wechselgeld.

Ella rannte stolz mit einem bescheidenen Orangen-Eis zu ihrem Papa zurück. Dahinter schritt Oscar durch die Gartentür. In der Hand hielt Oscar ein voluminöses Premium-Vanille-Eis von der Firma Mövenpick. Es schmeckte ihm.

Wie genau der Eis-Kauf verlief, wissen wir nicht. Hat ein profitsüchtiger Geldhai hinterm Eistresen unsere Kinder zu einem Eiskauf überredet, der bis an deren finanzielle Schmerzgrenze ging? Deutete Oscar sogleich auf das teuerste Eis der Karte, sodass Ella das billigste nehmen musste, damit das Geld überhaupt reicht? Wir wissen es nicht.

Am nächsten Tag erhielten die Kinder jedenfalls nur noch 2 Euro. Oscar wurden die Spielregeln diktiert. So ein Eis wie Ella hatte, das geht. So ein Premium-Dingsbums von Mövenpick mit Safranfäden und Blattgold-Eiswaffel, das geht erstmal nicht. Oscar nickte und kam artig mit einem Orangen-Eis zurück.

Oft schon haben wir Oscars beeindruckendes Talent zum Slapstick erwähnt. Zwei Einlagen lieferte Oscar, als wir irgendwann am langen Gartenwochenende den benachbarten Kleingärtner Luis und die Kleinstgärtnerin Luzie mitsamt Eltern besuchten.

Dort war auch alles sehr schön. Kleingarten halt. Als Oscar aber zu beobachten meinte, dass die Gespräche der Erwachsenen an Fahrt verloren, da griff er zur Slapstick-Keule. Billigster Hallervorden wurde nun bemüht.

Zunächst lief Oscar auf uns zu, rief "Wo is der Ball?", trat beim letzten Wort versehentlich auf den gesuchten Gegenstand, rutschte aus und fiel ins Gras. Das alles übrigens immer noch "unten ohne".

Später wurde Oscar erneut auf die Suche geschickt. Papa war es, der ihn fragte: "Oscar, hast du denn schon das Klettergerüst gesehen?"
Oscar latschte nun davon, drehte sich klug lächelnd um und sprach "Ich weiß, wo das is". Beim Sprechen dieser Worte lief Oscar weiter, guckte aber - wie gesagt - nach hinten.
Seine Füße guckten aber weiterhin nach vorne und näherten sich einem von kleinen Holzpfählen umgebenen Blumenbeet.

Wir spulen noch einmal eine Sekunde zurück. Oscar latscht nun auf dieses Beet zu, guckt zurück und sagt "Ich weiß, wo das is". Mit dem letzten Wort - vielleicht wäre danach sogar noch das fehlende "t" gekommen - stürzte Oscar über die Pfähle und verschwand komplett im Blumenbeet.
Große Heiterkeit am Tisch der Erwachsenen. Einziger Wermutstropfen: Oscar tat seine Einlage zur Aufheiterung dann doch weh. Tränen taten dies kund.