Montag, 25. April 2011

Der Sandmann

Als Papa am vergangenen Montag, der gleichzeitig der erste Ferientag für drei Viertel der Familie war, im Garten gerade Nudeln gekocht hatte, rief der Sandmann an und sagte, dass man gewillt sei, den bestellten Sand etwas früher abzuliefern. "Wann denn?", fragte Papa, die Nudelkelle in der Hand. "In 15 Minuten", sagte der Sandmann.

Papa standen hektische Minuten bevor. Im Garten saßen zwei Kinder, die gerade einen vollen Nudelteller vor sich hatten. Gleichzeitig würde etwa 250 Meter weiter gleich ein LKW voll mit Sand auf Papa warten. Die Kinder allein lassen, das wäre eine Option, aber Ella wollte unbedingt den LKW sehen und Oscar kann man ja nun schlecht für die Dauer einer Sandlieferung die Herrschaft über ein 300 qm Grundstück übertragen.

Papa gab sich 5 Minuten, um Oscar zu überzeugen, sofort mit dem Essen aufzuhören. Oscar mampfte, Papa schwitzte, Ella nörgelte. Als die Worte "LKW" und "Sand" ein paar Runden in Oscars Synapsen gedreht hatten, verstand das Kind, das Außergewöhnliches passieren würde. Außergewöhnliches, das in der Lage ist, die Qualität eines vollen Nudeltellers zu übertreffen. Oscar nickte.

Als der LKW kam, staunten die Kinder nicht schlecht. Ella geleitete das Monstrum bis zum Grundstück, Oscar und Papa rannten hinterher und kamen gerade noch rechtzeitig zum Abladen an.
Oscar war unfassbar beeindruckt davon, dass der LKW-Fahrer mit seinem Papa redete. Ein Gott gibt sich mit den Sterblichen ab. Und dann auch noch mit Oscars Vater. "Hier?", fragte Gott. "Ja.", antwortete Papa. Und Oscar konnte nicht fassen, was dann geschah: Die Ladefläche hob sich. Oscars Mund ging auf. Die Klappe der Ladefläche ebenfalls. Oscars Mund war nun sperrangelweit auf, sodass man den Jungen noch ein Stückchen zur Seite schob, damit der knappe Kubikmeter Sand nicht im Schlund des staunenden Kindes verschwand. Plötzlich war da ein Sandberg. Der LKW verschwand und Ella hüpfte in die augehobene Grube, die nun Sandspielplatz werden sollte.

Als Gelsenkirchnerin sollte Ella eigentlich nicht sonderlich viele Probleme mit Grubenarbeit haben, doch schnell wurde gestreikt. "Zu anstrengend" sei die Arbeit. Man ziehe es vor, die inzwischen eingetroffene Mutter beim Sandschaufeln durch pausenloses Geplapper zu unterhalten.
Irgendwann war der Sand in der Grube und seitdem ist der Freizeitpark Garten um eine Attraktion reicher.

Das Wetter, das uns in unserer ersten Sandplatzwoche begleitete, war phänomenal. Planschbecken und Sandkiste bildeten ein traumhaftes Gespann und sorgten für eine weitere Wortschatzerweiterung bei Oscar, der recht häufig voller Beschwerden in die Arme eines Elternteils gerannt kam: "Kaaaalt", hieß es da entweder. Oder auch "Naaasss". Und da Oscar im Umgang mit Wasser noch nicht ganz so firm ist, waren seine frisch angezogenen Kleidungsstücke nach etwa 5 Minuten allesamt "kaalt" und "naaaass", sodass Oscar auch regelmäßig Grund zur Klage und zum Garderobenwechsel hatte.

Auch das Osterfest wurde im Garten gefeiert. Die Weimarer waren zu Gast und die Kinder fanden eine nicht unerhebliche Anzahl an Süßigkeiten, deren unverzüglicher Konsum jedes einzelne der mampfenden Kinder nach gewisser Zeit vollkommen durchdrehen ließ.
Die Fremdkinder verschwanden irgendwann gen Thüringen. Die eigenen Kinder testeten am Abend Grenzen und läuteten wohl eine neue - sicherlich ganz reizende - Epoche ein.

Ella und Oscar halten ab jetzt nämlich zusammen. Für uns Eltern bedeutet das: Erstmals sind wir hier nicht diejenigen, die Ella oder Oscar irgendetwas zu sagen haben. Wenn nämlich ein Kind Ärger bekommt, dann tauscht es ein paar Blicke mit dem Geschwisterkind aus und dann lachen beide. Das schimpfende Elternteil steht daneben und ist machtlos. Dies spüren alle Beteiligten und so geht es dann richtig rund. Ella und Oscar - dieser Gruß geht an alle Babysitter der nächsten Wochen - sind zusammen derzeit nicht zu bändigen. Man kann das aber auch positiv ausdrücken und einfach sagen: Ella und Oscar verstehen sich zur Zeit wirklich prächtig.

Der Höhepunkt des Osterwochenendes sollte eigentlich Janeks Kindergeburtstag werden. Janek feierte zwei Gärten weiter und wir hatten den Plan, alle anwesenden Kleinkinder dorthin zu schicken. Die Erwachsenen und Baby Johann hätten von 15.00 bis 18.00 dann mal so richtig Ruhe. Das war der Plan.

Maria aus Weimar wollte dann aber schon mal gar nicht auf den Kindergeburtstag und blieb bei uns. Oscar latschte schnell wieder zu uns zurück, schüttelte den Kopf und sagte "Oscar hier". Nur kurze Zeit später rannte auch Ella zurück. Im Schlepptau einen nicht unerheblichen Teil der eingeladenen Geburtstagskinder. Irgendwann saß sogar das Gastgeberkind bei uns im Garten und ganz kurz vor Ende des Kindergeburtstages, da schaute sogar mal der Papa vom Gastgeberkind bei uns vorbei und erkundigte sich, ob alle Kinder noch da seien.

Sonntag, 24. April 2011

Blog am Ostermontag

Da der Ostermontag wie ein Sonntag ist, meldet sich der Blog erst morgen.

Sonntag, 17. April 2011

Krise von Dienstag bis Donnerstag, je 19:00

Zwischen Papa und Oscar herrschte Mitte der letzten Woche Eiszeit. Die Krise begann ziemlich genau am Dienstagabend gegen 19:00 Uhr.

Der Sandmann war gerade aus, Papa saß nebst Kindern im Wohnzimmer und schaltete den Fernseher ab, Mama tat in der Küche Sinnvolles. Es waren die letzten Momente des Friedens.

Dann hatte Oscar eine Idee und die hieß grob zusammengefasst "Hüpfen". Oscar hüpfte also auf dem Sofa. Papa rief "Oscar, hör auf, das ist gefährlich.", woraufhin Oscar frech lachte und zu noch höheren Sprüngen ansetzte. Papa war sauer, musste aber nicht lange über die pädagogisch klügste Reaktion auf diesen Affront nachdenken, denn die Dinge begannen sich von selbst zu lösen. Oscar nämlich geriet ins Wanken und stürzte mit dem Kopf voran in die Tiefe. Nur um Milimeter vorbei an der Kante des Couchtisches.

Papa war nicht mehr nur sauer, Papa war nun - seltsam eigentlich im Moment des Sieges - richtig übel sauer. Oscar musste mit dem Gesicht im Parkett liegend also feststellen, dass der erwartete Trost ausblieb und durch wüste Beschimpfungen ersetzt wurde. In klug durchdachten Sentenzen schrie der Vater seine Interpretation der Ereignisse ins Wohnzimmer und wer genau hinhörte, der konnte auch das Wort "Vollidiot" hören. Der so Bezeichnete richtete sich auf dem Teppich auf und tat etwas sehr zu Erwartendes. Oscar weinte.

Die Wogen glätteten sich nur langsam. Dies lag zum großen Teil vor allem daran, dass Oscar dank dieser Situation eine neue niedliche Eigenschaft zu Tage bringen konnte, von der wir bislang noch gar nichts wussten: Oscar ist nachtragend.

Den Vater würdigte er jedenfalls keines Blickes mehr. Keine Umarmung zur Nacht, kein Küsschen, kein Vorlesen. Oscar lehnte jede Kontaktaufnahme des mittlerweile völlig verunsicherten Vaters ab. Wozu hat man zwei Elternteile?

Am nächsten Morgen - Papa war schon arbeiten - läutete Oscar mit einem leisen Knacks die zweite Phase der Eiszeit ein. Oscar spielte zuvor mit Papas Brille und stellte irgendwann fest, dass sich der Bügel vom Rest der Brille durchaus lösen lässt, wenn man nur ein bisschen dreht und zerrt und zuckelt. Papa erreichte die Nachricht vom Ableben seiner Brille im Lehrerzimmer. Oscar währenddessen schämte sich zu Hause.

Dieses Schämen hielt aber nicht so lange Bestand, dass Papa davon noch etwas sehen konnte. Es wich nämlich Oscars sehr selbstbewusster Haltung, durchaus stolz darauf zu sein, Dinge kaputt machen zu können.
Dies geht im Moment so weit, dass Oscar auch nicht begangene Verbrechen gesteht. Das von einem Fremdkind zerstörte Gartenthermometer zum Beispiel hat laut Oscar er selber kaputt gemacht. Ob das normal ist, mögen andere entscheiden. Wir sind zu nah dran am Geschehen um dieses nüchtern beurteilen zu können...

Das Ende der Eiszeit kann auch exakt terminiert werden: Es war am Donnerstag, wieder kurz nach 19:00 Uhr, als Papa und Oscar wieder miteinander konnten: Papa fragte Oscar nebenbei mal wieder, ob Oscar mal aufs Töpfchen gehen möchte. Zur allgemeinen Verwunderung und zum Stolz des Vaters nickte Oscar und fand sich kurz darauf im Badezimmer auf einem Töpfchen sitzend wieder.
Im Unterschied zu seiner Schwester zeigt Oscar hier dann großen Ehrgeiz. Vielleicht 20 Minuten saß er still und konzentriert da und irgendwann war es dann soweit. Wir beklatschten alle die Fäkalie, die dann aber nicht ins Familienalbum geklebt wurde, sondern als erste Losung unseres Sohnes den Gang in die Toilette und nicht den Gang in den Windeleimer ging.

Rund acht Monate vor dem Weihnachtsfest war es mal wieder Zeit, Ella dahingehend zu testen, ob sie noch über einen naiven Wunderglauben verfügt, oder ob wir uns nach dem Reinfall mit dem Weihnachtsmann im letzten Jahr komplett mit unserer Tochter in die Realität begeben müssen: Je ein Schokoladen-Ei wurde auf die Kopfkissen der Familienmitglieder gelegt. Dann sagte Papa, dass er eben den Osterhasen durch die Wohnung hat huschen sehen.

Ella war elektrisiert, fand die Ostereier und weinte danach fast, weil sie den Hasen auch so gerne gesehen hätte. Ermittlungen wurden angestellt. Wo kam er rein? Dann entdeckte sie die offene Tür zum Treppenhaus. Komisch... Wieso stand die offen? Und wieso hat Ella das nicht vorher gesehen?
Als wir nach einem Gartenwochenende inklusive Geburtstagsfeier wieder nach Kreuzberg kamen, da lagen schon wieder Ostereier im Bett. Die Türen - Ella kontrollierte - waren zu. Dann entwickelte sie selber eine krude Erklärung, in der es um irgendwelche Löcher in dieser Wohnung geht und schlief kindlich-naiv und an Wunder glaubend ein. In acht Monaten darf der Weihnachtsmann also doch noch mal kommen. Diesmal besser getarnt und gespielt von irgendeinem nichtsnutzigen Studenten...

Sonntag, 10. April 2011

Eineinhalb Lattenjahre

Es liegt im männlichen Genom, dass es eine Lebensphase gibt, in der sich der Träger des Genoms für den Allergrößten hält. Bei den meisten männlichen Menschen beginnt diese Lebensphase irgendwann im frühen Kleinkindalter, bei nicht wenigen Exemplaren endet sie auch irgendwann wieder.

Oscar ist jetzt auch in dieser für Außenstehende manchmal etwas unangenehmen Phase angelangt. Oscar hält sich für den Größten, obwohl es zuletzt zwei deutliche Beweise gab, dass Oscar noch nicht groß ist.

Der erste Beweis war die Übernachtung im Kinderladen, die ausdrücklich nur für große Kinder möglich war. Prompt fand Oscar sich zu Hause, während die wirklich schon große Ella in einer bizarren Mischung aus Heimweh-Weinen und Vorfreude-Lachen ihre Eltern und den nicht großen Bruder am Donnerstagnachmittag verabschiedete um im Kinderladen zu übernachten. Im Programm enthalten war übrigens auch eine Nachtwanderung durch den Viktoriapark, aber da Ella noch nicht im Alter des an Adjektiven reichen Wortschatzes angekommen ist, können wir nicht viel mehr ausrichten, als dass die Kinderladenübernachtung "gut" gewesen ist.

Der zweite Hinweis auf Oscars fehlende Größe ergab sich im Fachgeschäft Woolworth. Papa und Oscar waren dort in der letzten Woche zugegen, Oscar suchte unter anderem eine tolle Thermoskanne für dioe Gartenlaube aus, weshalb sein Jubelgeschrei bei jedem eingegossenen Kaffee derzeit recht groß ist. Oscar brüllt in die Gartenidylle in etwa "Okkra Mein Bau" und will damit ungefähr sagen, dass Oscar selber die Kanne ausgewählt hat und nicht etwa die grüne griff, sondern die blaue wählte.

Das war das Gute am Woolworth-Besuch. Das Schlechte war, dass dort eine Messlatte hing, die nicht nur die Körperhöhe, sondern auch das Alter des Kindes anzuzeigen wusste. Doch die Latte irrte: Oscar, so die Latte, sei ein Kind von eineinhalb Jahren, was nicht weniger bedeutet, als dass die Latte etwa 9 Monate oder ein Drittel von Oscars Leben als null und nichtig erachtete.

Papa glaubte der Latte zunächst nicht. Er blickte nach unten. Die Latte begann tatsächlich ganz unten und zwar nicht bei "Minus 30 cm", sondern bei null. Eineinhalb Lattenjahre darüber lachte Oscar seine blaue Thermoskanne schwingend und war neun Monate zu klein.

Oscar selbst sieht das aber anders. Und deshalb lernte er in diesen Tagen neben vielen anderen tollen Wörtern (Bauernhof, Hammer, Fußball und anderes) auch das entscheidende Wort "groß". Das furchtbare Gegenteil "klein" lernte er dann gleich mal mit und so kann er endlich sagen, was ihn so beschäftigt: "Ella klein. Papa klein. Mama klein. Okkra groß."
Im Garten lehnt er die Beschäftigung mit seiner Kinderschubkarre ab, latscht zur echten Schubkarre, die laut Woolworth schon zwei Jahre alt sein dürfte, stellt sich auf die Zehenspitzen, droht von der Karre erschlagen zu werden und ächzt "Okkra groß". Aus der Schraubenzieherbox zieht Oscar zwei Schraubenzieher unterschiedlicher Größe, hält mit ernster Miene den kleineren hoch und sagt "Hammer klein.", dann hellt sich sein Gesicht auf, er hält den großen Schraubenzieher hoch und sagt "da Hammer groooß". Den kleinen Schraubenzieher wirft er nun beiseite. Schäbiges kleines Ding. Kleine Dinge sind verabscheuungswürdig. Oscar reckt den großen Schraubenzieher empor: "Okkra Hammer grooß".

"Oscar, das ist kein Hammer. Das ist ein Schraubenzieher", erläutert der Vater. Oscar verstummt und zählt innerlich die vier Silben des Werkzeugs durch. "Okkra grooß", sagt er dann und latscht weg.

Von unterschiedlich großen Bällen wäre ähnliches zu berichten, von unterschiedlich großen Schaufeln auch. Oscar will nur das größte. Der Rest ist Mist.

Ella dagegen ist tatsächlich groß. Die Erzieher des Kinderladens sagten daher folgendes: "Die wird sich in der 1.Klasse langweilen." - Was war geschehen? Nun. Ella fängt jetzt ernsthaft an zu lesen.
Papa druckt per PC ein paar nicht allzu komplizierte Worte aus (Kamel, Oma, Tiger, Löwe, Keller) und so weiter und reicht Ella das Blatt. Diese kommt dann mit mehr oder weniger Hilfestellung tatsächlich dahinter und liest dann stolz vor. Den Satz "Ella und Oscar gehen in den Zoo. Im Zoo sehen Ella und Oscar Tiger und Elefanten." konnte Ella dann auch irgendwann lesen und da sie ein paar Minuten später fix und fertig war und über einem neuen Blatt Wörter zunehmend verzweifelte und - wir lesen uns den Blog seit 2006 noch einmal schnell durch - bekanntermaßen ja auch ein recht emotionaler Mensch ist, brach sie über ihrer Aufgabe heulend zusammen und kauerte winselnd neben dem Blatt. Papa druckte schnell noch die Worte "Wuhääää" und "Wääähäääää" aus. Wir hielten Ella das unter die Nase. Heulend und jammernd machte sie dann "Wuhääää" und "Wääähäääää" und reagierte irritiert, als ihre Eltern sie aufgrund des korrekten Vorlesens enorm lobten. Irritierte Kinder heulen nicht und so war dann schnell wieder alles gut.

In einem von beiden Kindern hoch geschätzten Buch ist ein Bild zu sehen, auf welchem die Feuerwehr im Großeinsatz ist. In einen Fluss ist irgendein doofes Zeug gelaufen. Benzin oder Öl oder so. Die Feuerwehr, so Mamas fachkundige Erläuterungen, gibt nun Bindemittel in den Fluss, damit das doofe Zeug verklumpt und herausgefiltert werden kann. Ella findet das sehr spannend. Mitten beim Essen erzählte sie Papa davon. Und da sie sich alles super merken konnte, auch dass das Zeug, das die Feuerwehr in den Fluss kippt, mit "B" anfängt, hat Papa auch alles ganz gut verstanden. Dass da Öl im Fluss ist und dass da die Feuerwehr kommen muss. Und dass die Feuerwehr dann da Basilikum in den Fluss kippt...

Ansonsten ist Ellas Sprechkomopetenz natürlich ausgezeichnet. "Papa", sagte sie heute beim Abendbrot, "wo du neben der Spüle sitzt - könntest du das Wasser aus der Frischkäsepackung abtropfen? Dann muss keiner von uns aufstehen." Dies war die Minute, in der sie zur höflichsten Sprecherin ihrer Familie aufstieg. Oscar bot gleichzeitig das Kontrastprogramm eines um sich schlagenden und brüllenden Dings.

Sonntag, 3. April 2011

Fische, schweigsam wie Iren

Die Neuigkeiten aus dem Kinderladen sind folgende: Jules, ein Mädchen aus Irland, das ein paar Wochen lang zu Gast im Kinderladen war, ist nun wieder zurück nach Irland geflogen. Sie freue sich auf Irland, sagte Jules der Mama von Ella und Oscar - auf Englisch.

Die leisen Hoffnungen von Jules Eltern, sie könne einen solchen Satz am Ende ihres Berlin-Aufenthaltes auch auf Deutsch sagen, zerschlugen sich relativ früh, denn Jules wählte - obwohl sie in Ellas Alter ist - als ihren Lieblingsspielpartner ausgerechnet Oscar aus.

Oscar ist natürlich auch ein super Spielpartner, aber er ist keiner, bei dem man sonderlich tiefgreifende sprachliche Kompetenzen trainieren kann. Einen denkbar schlechten native german speaker hat Jules da gewählt.

Jetzt, wo Jules weg ist, purzeln aber plötzlich dann doch sensationelle Deutsch-Brocken aus unserem Sohn, der im Übrigen auch keinerlei Englisch von seiner hier sehr stummen Spielpartnerin von der Insel erlernte. Oscar kann neuerdings aber das famous-german "Achtung" sagen, weshalb er im Supermarkt nun eigentlich nicht mehr "tut tuuuuut" schreien muss, wenn jemand vor ihm den Weg versperrt.

Dies war Oscars äußerst sympathische und an Zeichentrick-Autos erinnernde Art, den Weg freizuräumen. Tut Tuuuuut! Oscar kommt. Jetzt also ganz schlicht: "Aaaatung".
"Aaatung", schreit Oscar beispielsweise, wenn er die Rutsche erklommen hat und gewillt ist, diese nun hinunterzurutschen. Oscar ruft "Aaatung". Alle machen Platz. Oscar rutscht.

"Hallo" und "Tschüss" kann Oscar auch schon sagen, und da unsere Gartennachbarn einen Goldfischteich besitzen, in welchen Oscar bis vor kurzem noch Steine warf und die Fische damit erzürnte, kann Oscar nun - wenn er im Garten ist - als erstes zu Nachbars Teich rennen und "Hallo Fische!" rufen. Die Fische, ähnlich redselig wie Jules aus Irland, schwimmen Richtung Oscar und schweigen ihn an.
Am Abend, vor dem Schlafengehen, ruft Oscar dann "Tschüss Fische!"

Ja, zwischen diesen Zeilen ist erkennbar, dass die Kleinfamilie erstmals im Garten geschlafen hat. Zwischen Schutt und Trümmern des Wasserschadens und aufblühender Vegetation zeigten Ella und Oscar ihr großes Gärtner-Talent. Ella pflanzte Kohlrabi, Brokkoli, Erdbeeren und anderes ein und Oscar warf mit einer Grazie keimende Kartoffeln in die Erdlöcher, dass es ein Genuss war. Inwieweit Oscar dieses Handeln reflektierte, lässt sich nicht feststellen. Er nahm es gelassen zur Kenntnis, dass die Kartoffeln im Erdreich verschwanden.

An beiden Abenden wurde natürlich gegrillt. Mama kalkulierte: 16 Nürnberger und 2 Steaks müssten reichen. Dieser Rechnung lag eine Ella zugrunde, die nach ihrem ersten verfressenen Lebensjahr nicht mehr sonderlich durch großen Hunger in Erscheinung getreten ist. Dies änderte sich aber, als Ella den Duft von frischem Grillgut schnupperte.
Ella war außer Rand und Band und achtete voller Futterneid streng auf faire Verteilung des Gegrillten. "Fair" bedeutete in diesem Fall aber, dass Ella etwa zwei Drittel der Würstchen essen würde und das Fleisch hernach brüderlich geteilt werden würde.

Ella fraß und fraß und während sie so fraß, fiel ihrer Mutter ein, dass diese als Kind ebenfalls beim Grillen keine Freunde mehr kannte.

Am Sonntag - als plötzlich Sommer war - war der Garten voller Kinder. Neben Ella und Oscar turnten weitere 6 - 9 Kinder mal auf unserem, mal auf anderen Grundstücken herum.
Am Abend fragte Papa dann sein Töchterchen: "Ella, wie heißen denn die Fische im Teich des Nachbarn?". Antwort Ella: "Alle Simone."

An alle besorgten Omas unter der Leserschaft: Kinder und Teich sind stets durch einen Maschendrahtzaun getrennt. Lebensbedrohlich ist diese Situation nur für die Fische.