Sonntag, 26. Juli 2009

Altona -> Kreuzberg

Wie soll man diesen Blog-Eintrag beginnen, der die überaus abwechslungsreichen 14 Tage im Leben der dynamischen Familie beschreiben soll, die nun hinter uns liegen.

Fangen wir damit an, dass Ella so richtig "Tschüss" zu Hamburg sagen musste, dies jedoch stets wirbelnd und quiekend, also so gar nicht sentimental . An ihrem letzten Tag in der Kita saß sie lange auf dem Schoß der Erzieherin, dann bekamen Mama und Papa noch ein Album mit vielen Fotos und gemalten Meisterwerken unserer Tochter überreicht, dann kam Dominik, gab Ella ein Küsschen und sagte "Tschüss Ella". Ella genoss die Sonderbehandlung und freute sich auf Berlin. Mama und Papa hatten in diesem Moment schon mehr Probleme, den netten Flecken Altona einfach so links liegen zu lassen.

Die Wohnung - dies zeigt das Horrorvideo ganz unten - wurde naturgemäß immer unwohnlicher. Ein karger Ort, fast allen Bequemlichkeiten und Funktionalitäten beraubt, ließ die Stimmung der Altonaer Kleinfamilie stetig sinken. Auch Oscar quittierte die immer trister werdende Umgebung mit viel Geschrei.

Der einzige Höhepunkt, der sich ihm in dieser letzten Woche bot, bestand in einem Besuch des Babyschwimmens.
Was bei Ella damals nicht immer ganz störungsfrei verlief, war bei Oscar ein großer Erfolg. Ein großer Dank geht hierbei allerdings an den in diesem Moment tollsten Gegenstand der Welt - einen roten Igelball. Oscar fixierte diesen Ball über die gesamte Zeit und verteidigte ihn bis aufs Blut. Einmal, so die Erzählung der Mutter, durfte Oscar sogar tauchen. Oscars Blick sagte nach dem Auftauchen allerdings in etwa "Mutter, dies wisse: Beim ersten Babyschwimm-Termin meines Lebens ist ein Tauchgang ganz schön happig. Und wo ist mein Igelball?" Begeistert war er jedenfalls nicht, aber tauchen war allemal besser als zugucken, wie Mama und Papa Umzugskisten mit grimmigen Mienen füllten und verschlossen.

Dann also war der Umzugs-Lkw gepackt, Ella und Oscar mit der Mama im ICE und ein neues Leben konnte beginnen.

Berlin.

Wer hätte das gedacht? Die Berliner sind unfassbar freundlich. Ella bekommt in fast jedem Laden etwas geschenkt. Der Postbote bringt Maoam. Es ist wie im Paradies. Mama sprach schon von sektenähnlicher Freundlichkeit.

Anfangs irritiert reagierten einige Berliner jedoch auf die neueste Masche von Ella, sämtliche Leute - ob sie nun aus der U-Bahn steigen oder im Supermarkt Wurst verkaufen - nach dem Namen zu fragen. Doch nach der hier typischen Gespächseröffnung ("Hääää?") tauten die Hauptstädter stets auf und so wissen wir, dass die Wurstverkäuferin Sabrina und der Telefonmann Peter heißt. Wie lange muss man ohne Kleinkind auf derlei vertrauliche Informationen warten...

Was noch neu ist in unserem Leben:
Wir haben Platz.
Unsere Wohnung gleicht einem Messegelände mit riesigen Hallen. Weite Wege müssen zurückgelegt werden, Papa muss bald mit Teleobjektiv fotografieren und wenn in der Wohnung unter uns gehustet wird, dann hören wir das nicht.
Der Altbaubestand in Berlin möge hoch leben.

Das Kinderzimmer wurde bei allem Umzugsstress als erstes gepimpt. Ella verfügt nun über ein Hochbett mit Höhle, was zur Folge hat, dass sie die ganze Nacht über in ihrem Bett schläft und nicht - wie allnächtlich in Altona - zu Mama und Papa geschlichen kommt.
Oscar ist auch glücklich. Er schläft in Ellas früherem Kinderbett und hat schnell begriffen, dass es Dinge gibt, die man nur noch verachten kann: Beistellbetten nämlich.

Liegt er dort wieder drin, was ihm immer so ab 4:00 nachts passiert, fühlt er sich sprichwörtlich zurückversetzt, nicht ernst genommen, ausgestoßen und schreit seinen Hass in die akustisch durchaus beeindruckenden Hallen, die wir hier voller Understatement schlicht "Wohnung" nennen.

Nicht zu bremsen ist Oscar auch, wenn der Rest der Familie isst.
In seinen Augen ist Ratlosigkeit ablesbar, denn Oscar hat begriffen, dass alle Leute essen, nur er nicht. Auch dies findet Oscar überhaupt nicht gut, doch seit gestern ist er 6 Monate alt, was bedeutet, dass die Wunderwelt des Essens sich so langsam für ihn geöffnet hat.

Zugegeben: Die Tür ins Reich der kulinarischen Köstlichkeiten ist nur einen milimetergroßen Spalt geöffnet. Dieser Spalt heißt "Pastinakenmus."
Oscar hatte sich das alles besser vorgestellt. So richtig gut schmeckt ihm der graue Schleim nicht. Papa kann das voll und ganz nachvollziehen, Ella und Mama nicht, denn die stürzen sich, nachdem Oscar eine gewisse Sättigung signalisiert hat, auf das Gläschen und löffeln es aus.

Papa und Oscar können es einfach nicht fassen.

Es gäbe noch viel zu berichten. Von Berliner Spielplätzen und Feinkostgeschäften, von seltsamen Regengüssen und Beachvolleyballfeldern in Fußnähe.
Aber wir wollen es nicht übertreiben und sagen einfach, dass wir uns hier pudelwohl fühlen.

Sonntag, 12. Juli 2009

Tschüss Hamburg.

Aus Oscars Sicht muss es so gewesen sein:
Als relativ neuer Erdenbürger weiß er bereits, dass es Dinge gibt, die er nicht von Anfang an konnte, die er so im Wochenrhythmus irgendwie plötzlich neu kann. Als Ella Baby war, hatten wir uns für diese neuen Errungenschaften im Kennenlernen und Begreifen dieser Welt den überaus passenden Begriff "Freischalten" aus der Welt der PC-Spiele ausgeliehen.

Oscar hat schon zahlreiche Dinge freigeschaltet: Das farbig Sehen, das Greifen und das Zahnen zum Beispiel (ja, in Oscars Mund befindet sich seit dieser Woche ein winzig durchschimmerndes Zähnchen).
Und heute, da war Oscar dann mal auf dem Holzweg:

Oscar dachte nämlich, er hätte als nächsten Schritt den Röntgenblick freigeschaltet. Das war aber leider nur ein Missverständnis. Wie kam es dazu?

Nun. In einer Woche wird die dynamische Familie Hamburg verlassen. Der Umzug kommt mit großen Schritten näher, weshalb hier immer mehr aus dem Blickfeld verschwindet und in Umzugskartons landet.
Heute war ein Bücherregal dran, das - ähnlich der früheren Berliner Mauer - eines unserer Zimmer in zwei Bereiche trennte, nämlich in das immer quicklebendige, leicht chaotische und hoch elektrifizierte Arbeitszimmer (vgl. Berlin West) und das dunkle, funktionale und biedere Schlafzimmer (vgl. Berlin Ost).

Oscar, um in diesem Bild zu bleiben, lag in Westberlin und starrte auf das Bücherregal.
Plötzlich geschah das Unfassbare. Drei Mauerspechte, Ella und ihre Eltern, trugen den Schutzwall ab. Oscar konnte plötzlich durch Regale sehen und freute sich über seinen heute scheinbar erworbenen Röntgenblick.

Irgendwann war das gesamte Regal abgetragen und Oscar verstand. Er hatte keine visuellen Superkräfte, sondern lediglich seinen ganz persönlichen 9.November erlebt.

Vielleicht ist die ungeheure Berlin-Präsens, die derzeit durch unsere Köpfe schwirrt, in den heutigen Zeilen schon spürbar. Die dynamische Familie wird schließlich schon in einer Woche in Kreuzberg wohnen. Und Papa war mit seiner Schulklasse in der vergangenen Woche schon da.

Mama kam nach eigenen Angaben recht gut zurecht mit den beiden Rotznasen. Höhepunkt waren die Untersuchungen Nummer 5 (Oscar) und 7a (Ella).
Beide Kinder, so die dezente ärztliche Kritik, seien nicht eben Wunder der Motorik. Beide gelten als bewegungsfaul und Laien der Geschicklichkeit.

Ob Ella denn schon Gesichter male, wurde ihre Mama gefragt. Kurzes Schweigen, dann die ehrliche Antwort: Ella malt eher so Landschaften. Vielleicht ist Ella stilistisch einfach dem Impressionismus zugehörig, von dem es auf Wikipedia heißt: "Im Impressionimus wird die Malerei leicht und luftig, bestimmt von den Spielen des Lichts auf der Natur. Die Farben fließen ineinander."
So ist es durchaus als bodenlose Frechheit zu werten, dass der Arzt hier Motorikmängel feststellen will. Hätte er diese Diagnose bei Claude Monet auch gewagt?
Zum Geburtstag von Ellas Uroma malte Ella gestern wieder ein Bild. Gesichter? Niemals. Ella malte mit bestechender Motorik ein Sommergewitter für ihre Uroma. Schwarzer Donner, gelbe Blitze fegten über saftige Wiesen und vertrieben den eben noch blauen Himmel... Mama und Papa waren begeistert, der Arzt sah nicht zu.

Im letzten Blog-Eintrag schrieben wir etwas überheblich vom Warnhinweis, der für Kinder unter 3 Jahren gilt und damit nicht mehr für Ella.
Wir brauchen mehr Warnhinweise für die Kinder, die 3 und älter sind, denn innerhalb von 60 Minuten zeigte Ella heute kulinarische Verwirrung: Sie trank einen Schluck Seifenblasenlauge und speiste einen Schwall Rasierschaum. Es ist ihr aber alles recht gut bekommen.

Wie gesagt: Wir verlassen nun diese Stadt. Papa wird weiterhin hier arbeiten, aber nach Feierabend schnell nach Berlin fahren. "Die schönste Stadt der Welt" ist eben nicht so unser Ding. Wir freuen uns auf Berlin-Kreuzberg und gehen damit in eine 14tägige Blogpause.
Wenn die Telefonleitung mitspielt, dann wird es am 26. Juli den ersten Blog aus Berlin geben.

In diesem Sinne: In Hamburg sagt man 'Tschüss'.

Sonntag, 5. Juli 2009

Die Dreijährige und ihr Brüderchen

Seit Samstag kann Ella über den nervenden Warnhinweis "Nicht für Kinder unter 3 Jahren geeignet, da Kleinteile verschluckt/eingeatmet werden können" nur noch müde lachen. Die Möhre hatte Geburtstag und ist jetzt tatsächlich drei.

Ellas Wunschzettel war kurz und teuer: Ein Tiger-Bikel wurde bestellt. Das Tiger-Bikel ist ein Fahrrad im Janosch-Look, das im Kinderbuch "Der kleine Tiger braucht ein Fahrrad" eine tragende Rolle spielt.
Und da Ella einer Kindergeneration entstammt, die frühzeitig, nämlich auf dem Laufrad, den Gleichgewichtssinn trainiert (und nicht wie unsereiner damals auf dem dafür ungeeigneten Holzroller), sind Ella die ersten paar Meter auch ganz gut gelungen. Noch ein paar Zentimeter wachsen und Ellas Radfahrkarriere steht nicht mehr viel im Weg.

So ganz schmerzlos lief es natürlich nicht, als wir nach dem geburtstäglichen Waffelfrühstück in den Park gingen und Ella auf ihr Tiger-Bikel setzten. Vor allem das Auf- und Absteigen war mit Unfällen verbunden - die ein oder andere Spritztour endete dann auch in Altonas Buschwerk. Doch Ella, die bereits frustriert aufgeben wollte, konnte motiviert werden, indem ihr der Hauptbahnhof Münster (Parkbank) und der Bahnhof Altona (andere Parkbank) gezeigt wurden. Ella brauste dann von Altona nach Münster und zurück. Und übrigens: Auch der Tiger im Buch fiel sechsmal hin, bevor er Fahrrad fahren konnte.

Mama und Papa sind nach drei Weihnachtsfesten und bis Samstag zwei Ella-Geburtstagen mittlerweile absolute Vollprofis und konnten die traditionelle Überforderung der kleinen Geburtstagskinder verhindern, indem sie neben dem Fahrrad lediglich zwei weitere Geschenke auf den Gabentisch legten. Das genügte. Ella hatte noch den Überblick und am Nachmittag gab es ja auch noch den Kindergeburtstag, auf welchem Ella weiteren Kram in Empfang nahm.

So konnten wir am eigenen Kinde unsere populäre Theorie des weinenden Gastgeberkindes auf Kindergeburtstagen widerlegen. Ella weinte nicht, als wir sieben Kinder nebst Eltern zur Elbe luden, wo ein Geburtstagspicknick und -grillen veranstaltet wurde. Ella war den ganzen Tag super drauf, dank reduzierter Geschenkezahl am Morgen.

Doch wurde das Unheil lediglich vertagt. Es schlummerten in vier Postpakten aus Berlin, Münster (2x) und Weimar nämlich noch insgesamt geschätzte 65 Geschenke.
So konnten wir der überraschten Dreijährigen heute Morgen erklären, dass nun noch einmal Geburtstag gefeiert wird, nur doller.
Ella wickelte rund 40 Minuten lang Geschenke aus und war danach nicht mehr dieselbe.

Bei Rossmann wollte sie alles haben, vom ABC-Pflaster bis zur Zahncreme. So kennen wir sie sonst nicht. "Dieses Kleinkind hat jeden Bezug zu Besitz und Sachwert verloren" tuschelten die Kunden bei Rossmann, als Ella mit Papa schließlich auch noch darüber verhandelte, Rasierschaum haben zu dürfen.

Ella war auf dem Weg zu Rossmann, welchen sie als "ICE" (Dreirad) begann und als "kaputter ICE" (von Papa geschobenes Dreirad) beendete, und bei Rossmann selbst so dermaßen nervig, dass Papa erst an der Kasse auffiel, dass er ja den Laden mit zwei Kindern betreten hatte, nun aber nur noch eins bei ihm stand und anstrengend war.
Oscar lag rund 5 Minuten im Kinderwagen zwischen Glückwunschkarten und Fotoalben. Papa hatte ihn dort vergessen, weil Ella so anstrengend war wie sonst nur beide Kinder zusammen. Schnell schnappte sich Papa den Kinderwagen und stellte beruhigt fest, dass keiner bemerkte, dass er Oscar für 5 Minuten vergessen hatte.

Auf dem Heimweg hielt die angespannte Situation an, denn der ICE war immer noch kaputt, so Ella. Papa schob Kinderwagen und Dreirad gleichzeitig. Hier und da verhakten sich die Räder, weshalb beide Fahrzeuge ruckartig stehen blieben und Papa fast darüber fiel. Manchmal kamen Leute entgegen. Sie hatten ein Eis in der Hand und sprachen über das wunderschöne Wochenende...

Doch schwenken wir nun noch einmal auf den Samstag. Auch da drohte Oscar ein wenig unterzugehen, meldete er sich doch beim Geburtstagspicknick gar nicht so recht zu Wort.

Oscar genoss. Man kann es nicht anders sagen - er genoss. Er saß in seiner Wippe, später lag er uf einer Decke. Er strahlte durch die Runde, blinzelte in den bedeckten Himmel und freute sich. Kein Spielzeug, keine Mama-Papa-Bespaßung war nötig. Oscar war der eigentliche Gewinner des Tages.

Als wir dann nach Hause kamen, sah Ella aus, als käme sie aus dem Schacht. Hinter ihr lag ein Tag, an dem sie mit Dominik in einem Grillaschehaufen spielte, an dem sie Kuchen, Götterspeise, Melone, Würstchen mit Ketchup verspeiste und schließlich auch noch Fußball spielte. Von jeder einzelnen Tätigkeit und jedem einzelnen Essen hatte sie Souvenirs im Gesicht hängen.

Lösung: Baden.
Ella badete, sagte nach 5 Minuten, dass sie einen Stinker machen müsse. Papa in Panik sagte "Okay, aber nicht in der Badewanne". Ella guckt konzentriert. Verdächtig konzentriert.
Und dann tat die Dreijährige, was ihr als Nulljährige, als Einjährige und als Zweijährige nie passierte...

Sprechen wir zum Abschluss noch über Oscar: Oscar, dies zeigt das letzte Bild, ist mittlerweile äußerst interessiert an Essen jeder Art. Hier freut sich schon jemand auf Ende Juli, wenn das erste Pastinakenglas geöffnet wird, und sich mit diesem "Plopp!" eine neue Welt für unseren Kleinen eröffnen wird.

Morgen fährt Papa für 5 Tage mit der Schulklasse nach Berlin.
Papa freut sich, denn er geht momentan ganz stark davon aus, dass die 22 Damen und Herren der Spätpubertät, die es zu beaufsichtigen gilt, nicht ganz so anstrengend sein werden wie seine kleine Prinzessin, die nun drei ist.

Für Mama dagegen brechen fünf Tage voller Herausforderungen an. Wir wünschen viel Glück!