Sonntag, 25. Oktober 2009

Auf Kos

"Wer nicht weiß, wie man 'Kos' ausspricht oder wer nicht weiß, wo es liegt, der kann auch einfach 'Griechenland' sagen", dozierte Ella nach der Reise in der Kita, woraufhin nach Auskunft der Erzieherin "alle lang hinschlugen".

Ja, Ella hat auf der griechischen Insel eine Menge gelernt und ist als deutlich reiferes Kind wieder in Tegel gelandet. Das Prä-Kos-Kind weinte in der Kita und beendete nahezu jeden Satz mit dem eher vorsichtigen Rückmelder "ne?".
Das Post-Kos-Kind geht aufrecht zur Kita und schmeißt die Eltern dort schnell raus und der neue selbstbewusste Rückmelder lautet "alles klar?".

"Ich hol mir noch Nachtisch, alles klar?" heißt es dann, während Mama und Papa rätseln, woher unsere Tochter eine solch forsche Redeweise hat. Ist es die Kita oder einfach nur der Kreuzberger Way of Life? "Alles klar?" jedenfalls passt sehr gut ins schnoddrige Berlin und auch auf Kos konnte man damit umgehen.

Oscar machte in Kos allerdings auch einen großen Schritt. Und zwar kurz vorm Rückflug in der Wartehalle des Flughafens. Während nämlich in ohrenbetäubender Lautstärke alle drei Minuten eine Familie ausgerufen wurde, die mal "Keule", mal "Kohler", mal "Keuler und mal "Kohle" hieß, und sich nun doch bittesehr zum Flugzeug nach Paderborn begeben möchte, da der Pilot seit Längerem ernsthaft mit dem Gedanken spielt, zu starten, während all dies also geschah und sich die Wartenden in der Wartehalle bei den verzweifelten "Familie Keule, bitte!"-Rufen die Ohren zuhielten, da setzte ein kleiner Mann einfach mal einen Fuß vor den nächsten.
Eintrag in Oscars Buch des Lebens: Erster Schritt auf Kos. Zwanzig Minuten vor Abflug nach Deutschland.

Zuvor verlebte die dynamische Normfamilie einen wunderschönen Pauschalurlaub. "Die kinderlosen Individualtouristen sind tot", zischelte man am Pool, "die vierköpfige Familie will keine Inselrundfahrt, sondern Freigetränke und Kinderbetreuung."
Und so nahm eine nette junge Dame aus dem brandenburgischen Zeuthen einen gewissen Teil der Erziehungsarbeit ab, indem sie tagsüber einfach zur Verfügung stand. Josy, so hieß die Dame, war wie eine geöffnete Gummibärchentüte, in die man immer hineingreifen konnte, wenn man gerade Lust hatte und so watschelte Ella gemütlich zwischen Josy und den Eltern hin und her und hatte - ähnlich dem Vater - überhaupt kein Bedürfnis, die Hotelanlage zu verlassen.

Oscar reiste leicht kränkelnd nach Griechenland. Seinen ersten Flug überstand er wunderbar, aber wenn die griechische Sonne unterging, erhitzte sich Oscars Körper um ungesunde zwei zusätzliche Grad, sodass der nachts um 1 tagende Elternrat auf "Fieberzäpfchen" entschied.
Beruhigen ließ sich Oscar nicht, sodass die ersten Nächte in Griechenland so liefen wie die letzten in Deutschland: alle zwei Stunden unterbrochen von Kindergeschrei. In Deutschland weinte Ella, in Greichenland übernahm ihr Bruder, denn Ella schlief siebenmal wie ein Stein.

"Wir sollen morgen wieder nach Kos fahren, alles klar?", schlug Ella heute früh vor. Auch wenn das so rein arbeitstechnisch nicht geht und die Kos-Flüge aus Deutschland nicht am Montag gehen, ist der Vorschlag ganz bezaubernd. Im nächsten Herbst kommen wir vielleicht drauf zurück.

Morgen jedenfalls heißt es "Bonjour Tristesse". Papas Ferien sind vorbei. Er wird seine Familie wieder vor deren Aufwachen verlassen und erst zur Gute-Nacht-Geschichte wieder da sein. Das ist aber alles halb so wild, denn Oscar, der heute dann schon vom Wohnzimmer in die Küche gelaufen ist (natürlich von elterlicher Hand gehalten), wird schon bald einige Aufgabenbereiche des Vaters übernehmen können.

Sonntag, 11. Oktober 2009

Knalltüte, Seehund, Cover-Boy.

Die Kindsmutter staunte nicht schlecht, als der Kreuzberger Couchtisch-Verkäufer beim Blick in das Gesicht unseres Säuglings bemerkte: "Der guckt ja so wie Oskar!"

Nun beachte man die Schreibweise des Namens, die Oscars Mama in dieser rein mündlichen Bemerkung natürlich nicht hören konnte und daher staunte sie also einfach über die Bemerkung des wackeren Tisch-Verkäufers.

Dieser erklärte sich. Er finde, so der Tisch-Verkäufer, dass unser Sohn genau so einen Gesichtsausdruck an den Tag legt wie seinerzeit Oskar Matzerath aus der Literaturverfilmung der "Blechtrommel". Der Schauspieler des Oskar hat in der Tat eine Mimik, die unserem Oscar nicht unähnlich ist.
Der Tisch-Verkäufer wurde schnell über den Namen unseres Sohnes in Kenntnis gesetzt und dann war die allseitige Freude über diesen Zufall natürlich groß.

Im Übrigen ist bis heute der Einfluss der "Blechtrommel" auf Oscars Namen umstritten. Papa sieht in dem "Monster" (vorherrschende Meinung der Kritik) Oskar Matzerath einen im Grunde positiven Charakter, der durchaus als Namenspatron in Frage kommt. Mama sieht dies nicht ganz so und so wählten wir den Namen mit "C" um eine Beziehung zum umstrittenen Monster der Literatur, aber vor allem eine Beziehung zum unumstrittenen Monster der saarländischen Politik auszuschließen.
Der Schauspieler des Oskar Matzerath heißt übrigens David Bennent und ist kleinwüchsig. Oscar Hoffmann, gespielt von Oscar Hoffmann, ist dagegen normalwüchsig und ständig am Lachen, was dazu führte, dass er von seinen Eltern seit einiger Zeit nur noch "Knalltüte" genannt wird.

Erstmals kann man also von einem befriedigenden Kuschel-Mobbing in Form eines tollen Spitznamens sprechen. Ella war ja immer schon die Möhre, doch für Oscar wollte sich kein toller Spitzname finden. "Erbse" und "Möhrerich" waren jedenfalls nur von kurzer Dauer. Nun also "Knalltüte". Eventuell bis in Oscars Hochzeitszeitung hinein...

In dieser wird zumindest das Stadionprogramm von Tennis Borussia landen, denn wer war da beim Spiel gegen die Hertha Amateure der Cover-Boy?
Richtig. Die Knalltüte.
Und wer war Cover-Girl?
Richtig. Die Möhre.
Fotografiert im Mommsenstadion und in super Qualität herunterzuladen hier.

Am Wochenende geschah aus väterlicher Sicht Angenehmes:
Ella, Oscar und Mama fuhren ins Wendland, wo Jurij aus Hamburg aus irgendwelchen Gründen ein Haus besitzt. Jurijs Mutter feierte dort Geburtstag und lud neben Ella auch Dominik ein.

So traf man sich im Nichts und ließ die recht hohe Anzahl der Kleinkinder und Säuglinge über sich ergehen, während Papa zu Hause seine Ruhe hatte.
Die Fotos zeigen: Ella hatte mit ihren alten Kumpels ihren Spaß, sah bei der Autofahrt allerdings nicht so richtig ultra-begeistert aus und Oscar tat das, was er im Prinzip den ganzen Tag tut: Glucksen, lachen und mit den Armen rudern, was ihm neben der "Knalltüte" auch noch einen zweiten Spitznamen einbrachte: "Seehund". Oscar sieht nämlich aus wie jemand, dem man sagt: "Mach mal bitte wie ein Seehund."

Im Übrigen - dies zeigt ein weiteres Foto - kann Oscar mittlerweile schon ein bisschen stehen, wenn man ihn in die Nähe von beispielsweise Gitterstäben stellt.
Ella dagegen kann auch schon richtig viel. Zum Beispiel "Ella" schreiben. Das E hat meistens mehr als drei Querbalken und das A steht meistens auf dem Kopf, aber der Name ist tatsächlich schon zu erkennen.

Und Ella weiß schon so furchtbar viel:
Mama: "Das ist Hirse."
Ella: "Hirse ist ein Getreide."

Uns ist nicht klar, woher Ella dieses Getreide-Wissen hat, und wir haben auch keine Lust, weiter darüber nachzudenken, denn wir haben Urlaub. Die Familie wird für ein paar Tage außer Lande sein. Der Blog meldet sich braungebrannt in 14 Tagen wieder.
Zum Abschluss ein Foto des rudernden Seehundes und ein Video aus dem kinderreichen Wendland:

Sonntag, 4. Oktober 2009

Hertha ist das Rotkäppchen

Dass das Familienoberhaupt am späten Nachmittag heute Edvard Munchs Bild "Der Schrei" mit kühnen Hammerschlägen an einer kahlen Wohnzimmerwand befestigte, hatte symbolischen Wert.
Mittlerweile ist nämlich klar, dass sich um jenen hämmernden Vater eine Familie herumgebildet hat, dessen Mitglieder allesamt als Schreihälse bezeichnet werden können.
Die genetische Basis liefert die Mama: Sie neigt dazu, angestauten Druck durch spitze Schreie abzulassen, versucht aber aus Gründen des gesellschaftlichen Ansehens diese Schreie stets zu unterdrücken.
Soweit sind unsere Kinder noch nicht. Sie nahmen das Schrei-Gen gerne mit, als im Mutterleib fröhlich geguckt wurde, ob Papas oder Mamas Gene in den unterschiedlichsten Disziplinen Vorrang haben sollten, und daher schreien sie manchmal. Einfach so. Es ist kein Schrei der Freude, kein Schrei der Panik, kein Schrei des Entsetzens. Nein, es sind emotionslose Schreie. Schreie um des Schreien Willens.

Von Ella wussten wir das. Oscar nutzte speziell die letzte Woche um zu verkünden: "Ich gehöre dazu! Auch ich bin ein Schreihals. Einer, der einfach mal so schreit."
Am Tisch sitzt dann die Familie. Ella und Oscar stoßen hier und da spitze Schreie aus, Mama sitzt daneben und unterdrückt den eigenen Schrei-Trieb und Papa fragt sich, ob diese Eigenschaft seiner Familie nun sonderlich putzig oder eher sonderlich belastend ist.

Oscar also schrie sich durch die Woche. Das klappt natürlich nur in den Momenten, in denen er nicht lachen muss, und die sind eher spärlich gesät. Einen besonders unterhaltsamen Konflikt präsentierte uns Oscar am heutigen Abendbrot-Tisch: Oscar hatte Schluckauf, was ihn zum Lachen brachte.
Das LAchen wurde alle 4-6 Sekunden von einem kleinen Hicks und manchmal auch einem nicht mehr so kleinem Rülps schlagartig unterbrochen, was sein Lachen nun wiederum anschwellen ließ. Es ist nicht schwer nachzuvollziehen, dass Oscar sich binnen kürzester Zeit in einem Teufelskreis befand, den sein Publikum - die ihn durchaus auslachende Familie am Tische - durchaus noch vergrößerte, da er beim Anblick der lachenden Familie immer mehr lachen musste. Natürlich stets unterbrochen von Hicks und Rülps.

Ella dagegen war mal wieder auf Reisen. Wie wenig sie die Dimensionen einschätzen kann, zeigte sich, als sie die Weltkarte studierend fragte, wo denn die Fahne von Lichtenrade sei.
In Lichtenrade nämlich, also bei Oma und Opa, verbrachte Ella ihr Wochenende.

Weltbewegendes erlebte Ella dort. Sie besuchte erstmals in ihrem Leben ein Theaterstück. Eine Schauspiel-Kombo aus Gießen erfreute die Hauptstadtkinder mit einer Interpretation von "Rotkäppchen" in einer Art Zirkuszelt.
Ella, die jüngste Zuschauerin, war begeistert und verängstigt zugleich und bewies mal wieder ihre Abneigung zum Mainstream.
Alle Kinder im Publikum waren begeistert von Rotkäppchen und riefen diese Begeisterung in lauten "Rotkäppchen! Rotkäppchen!"-Chören gen Bühne.
Nicht so Ella. Die hörte sich die Anfeuerungsrufe nur an, rief nicht mit.

Ella war nämlich weitaus mehr beeindruckt von der Nebenrolle "Waldarbeiter Jakob". Wenn der nämlich die Bühne betrat, dann schraubte Ella sich empor und rief in das sonst stille Theater hinein "Jaaaaa! Jakob!" und ließ ein klein wenig Sonne in der grauen Nebendarstellerwelt des Schauspielers vom Waldarbeiter Jakob aufleuchten.
Ellas Vater denkt ähnlich. Alle rennen zu Hertha, er zu Tennis Borussia. Hertha ist das Rotkäppchen, langweilig und von der primitiven Masse bejubelt. Der Waldarbeiter Jakob ist Tennis Borussia, ein liebenswürdiges Schattengewächs neben der Spur.

Eine wunderbare Zukunft versprechen Oscars Tendenzen, demnächst mal irgendwie stehen zu wollen. Papa half mal wieder nach, griff Oscar unter die Achseln, sodass der kleine Mann so ein bisschen stehen konnte. Und dann wurde im Flur Fußball gespielt. Ella schoss den Ball zu Oscar. Oscar hing im Flur, wurde hinter den Ball bewegt und dann sanft hin und her geschleudert, sodass seine Beinchen den Ball zurück zur Schwester schossen.
Alle hatten Spaß. Hier deuten sich große Potenziale der häuslichen Freizeit an. Irgendwann muss Papa dann auch gar nicht mehr mitspielen... Vielleicht aber auch doch.

Abschlussrätsel: Warum kann Oscar immer noch nicht richtig zubeißen, obwohl er nun schon drei Zähne hat?
Antwort: Weil sie alle unten sind. Ungute Verteilung für einen zupackenden Biss.