Montag, 25. Februar 2013

Mutter liegt

Kurze Zeit - so endete ja der vergangene Blog-Eintrag - waren wir hier alle ein bisschen gesund. Dann aber entschied sich Mama für nichts Geringeres als eine handfeste Mittelohrentzündung und legte sich ins Bett oder aufs Sofa. Viele Tage sind seither ins Land gezogen, aber Mama liegt immer noch

Es wird also weiterhin improvisiert hier. Papa, Ella und Oscar spielen das Spiel "Kinder mit alleinerziehendem Vater", beziehungsweise "Wir betreuen einen Pflegefall".

Wenn der Pflegefall zum Beispiel aus dem Schlafzimmer krächzt, dass er irgendwie am Frühstück teilnehmen möchte, aber zu schwach ist, die Küche zu betreten, dann nimmt Oberkellner Oscar gerne die Bestellung auf. Oscar lief zu Mama, hörte sich ihren Frühstückswunsch an und gab dann der Küche Bescheid: Mama wolle einen Toast mit Kirsch-Marmelade und Mama-Schinken. Nun ist dies in Oscars Welt keineswegs ein seltsamer Wunsch. Oscars Standard-Essen ist schließlich Nutella-Toast mit Scheiblettenkäse drauf.

Oscar machte sich ans Werk und schmierte seiner Mama einen Kirschmarmeladentoast und wollte gerade den Schinken darauflegen, da wurde Ella noch mal zur Mama geschickt um die Bestellung ein zweites Mal zu erfragen. Zu Oscars kompletten Unverständnis wurde Mama danach schließlich ein zweiter Toast bereitet und die Zutaten Kirsch-Marmelade und Schinken voneinander getrennt.

Wie sehr uns Mama in ihrer ganzen Vitalität hier fehlt, zeigt vielleicht auch die folgende Episode: Am Sonntag erhob sich Mama und sprach "Ich bade jetzt!"
Heilloses Durcheinander in der Familie: Mama bewegt sich. Sie erhebt sich. Sie wird... Dinge... tun... unfassbar.

Ella fand zuerst Worte: "Darf ich zugucken?" und auch Oscar hüpfte und schrie, was er reflexartig immer schreit, wenn irgendjemand hier irgendjemand anderen um irgendetwas bittet: "Ich auch? Ich auch?"

Und so badete Mama schließlich: Sie lag in der Wanne. Daneben stand Ella und guckte glücklich über den Beckenrand. Wiederum daneben stand Oscar auf Zehenspitzen und guckte ebenfalls seiner Mama beim Baden zu. In einer derartig actionreichen Szene war sie schließlich zuletzt nicht gesehen.
Papa kam hinzu. Es war ja Sonntag und Zeit für etwas Muße. Er stand nun auch im Bad und guckte seinerseits lüstern in die Wanne.
Popcorn wurde nicht verzehrt. Man erfreute sich dennoch an der badenden Mutter. Diese ließ sich geduldig betrachten. Leider existieren keine Fotos von der umjubelten Badung.

Wie sehr die liegende und darbende Mutter sich in die Hirne unserer Familie gefräst hat, zeigt auch das folgende Gespräch zwischen Papa und Ella (, die gerade auf dem Heimweg von irgendwoher sind).
Papa: "Was Mama wohl macht? Vielleicht schläft sie?"
Ella: "Oder sie sieht fern."
Papa: "Oder sie liest."
Ella: "Oder sie starrt."
Am Ende - wir wissen es aber nicht mehr genau - hatte Ella mit dem "Starren" wohl Recht.

Ohnehin hat Ella die Chance erkannt, in der Familienordnung wieder einen großen Schritt nach oben zu gehen. Gegenüber Oscar sieht sie sich jedenfalls klar in der Position eines Erziehungsberechtigten und Weisungsbefugten. So sprach sie beim Frühstück folgendes und hatte damit nicht ganz Unrecht: "Oscar, du sprichst wie ein Baby und du benimmst dich wie ein Baby." Papa fand die Worte seiner Tochter wirklich zutreffend und freute sich. Er sagte triumphierend in Oscars von Gleichgültigkeit geprägtes Gesicht: "Hörst du das?", woraufhin Oscar entweder furchtbar dämlich oder aber unheimlich klug antwortete: "Nein. Ella hat so laut gesprecht."

Neben Erziehungsfragen ist Ella ja auch sehr geschickt in der Bedienung technischer Geräte, was sie definitiv nicht von dem Teil ihrer Familie geerbt haben kann, der heute verzweifelt auf unseren Anrufbeantworter sprach, dass man ihm einen Film aufnehmen möge, da man im Prinzip vergessen habe, wie der Videorekorder zu bedienen sei.

Manchmal weiß man bei Ella aber auch nicht, ob es Intuition ist, die sie die Geräte jedesmal hochgradig souverän bedienen lässt, oder aber pures Glück.
Ella wollte unlängst zum Beispiel ihre Freundin J. anrufen. Sie guckte auf die Telefonliste und hackte Nummern ins Display des Telefons. Es waren unvorstellbar viele Ziffern, die Ella da wählte. Ein Ferngespräch mit Montevideo war - blickte man auf Ella, die minutenlang scheinbar beliebige Knöpfe auf dem Telefon drückte, absolut im Rahmen des Möglichen. Freizeichen. Dann nahm jemand ab. Es war J. Ella wunderte sich keineswegs darüber. Mama (liegend und darbend) und Papa schon.

Ein anderes Mal, und dies zeigt unser letztes Foto, tippte Ella ein paar Minuten auf dem Free-Internet-Terminal an der Bushaltestelle herum. Papa wusste bis dahin nicht einmal, dass es so etwas gab. Plötzlich Jubel. Ella hatte es geschafft, die Benjamin-Blümchen-Homepage anzusteuern. Dann kam der Bus.

Zum Abschluss große Politik: Der Papst hat ja seinen Rücktritt erklärt, was selbst Kinder seltsam finden. Und es ist natürlich Ehrensache, dass dieser Blog des Papstes Entscheidung nicht unkommentiert lässt. Es ist der vielleicht gelungenste Kommentar überhaupt zu dieser an Kommentaren nicht armen Top-Meldung:

Nachrichtenmann: "Der Papst soll noch vor Ostern gewählt werden."
Papa: "Mal sehen, ob die das schaffen"
Ella: "Du meinst, ob der Papst es schafft, vorher zu sterben."














Montag, 18. Februar 2013

21st-Century-Altklug-Girl

Als Ellas Papa im Jahr 1983 Schüler der ersten Klasse war, sollte er ein Tier mit "N" nennen. Aus Liebe zur im Abseits stehenden Kreatur sagte er weder "Nashorn" noch "Nilpferd", sondern "Nasenaffe". Großes Hallo unter den Schülern!
Die greise Lehrerin beging nun einen Fehler. Sie sprach mit fester Stimme in die Klasse, einen Nasenaffen gäbe es nicht.

Die Lehrerin irrte selbstverständlich. Am nächsten Tag stolzierte Ellas Papa mit einem schweren Tier-Lexikon in die Schule. Er knallte seiner Lehrerin das Lexikon auf den Tisch und zeigte ihr den seltsamen Affen. 20st Century-Altklug-Boy hatte gesiegt.

Rund 30 Jahre später bat Ella zu Hause um Unterstützung. Sie sei da in eine Diskussion mit ihrer Lehrerin geraten. Die Lehrerin nämlich wolle Ella partout nicht glauben, dass die Erdbeere rein biologisch eine Nuss ist. So viel Unwissenheit...

Ella bat deshalb ihre Eltern um beweisliefernde Ausdrucke aus dem Internet. Papa versprach es zunächst, vergaß es dann und ging zur Arbeit. Mama musste also Abhilfe schaffen und am frühen Morgen tief verschüttete Lexika suchen. Schließlich ging Ella mit der Kopie eines Lexikonartikels über die Erdbeere zur Schule und belehrte ihre Lehrerin. 21st-Century-Altklug-Girl hatte gesiegt.


Interessant an beiden Geschichten ist außerdem, dass es weder 1983 noch 2013 Klassenkeile für die Streber dieser Familie gegeben hat. Es ist doch eine tolerante Welt, in der wir leben...

Gesundheitsmäßig war die vergangene Woche leider nicht viel besser als die vorherige. Ella musste am Donnerstag mit Fieber im Blick das Bett hüten - ihr Neid auf die Dauerpatienten Mama und Oscar (, die bis auf eine Kita-Unterbrechung am Karnevalsdienstag die gesamte Woche über darnieder lagen und so viel fernsahen wie man es sich von so genannten bildungsfernen Haushalten erzählt, von Haushalten, in denen niemals über die Nuss-Kategorisierung der Erdbeere oder die Existenz des Nasenaffens diskutiert wird) war ins Unermesslich angeschwollen.
Alle sahen dämliche Reportagen, nur sie musste zur Schule, zu ihrer unwissenden Lehrerin. Ellas Unterbewusstsein gab deshalb den Befehl an ihr erstaunlich robustes Immunsystem, nun doch einige wenige Viren und Bakterien passieren zu lassen.

Gut dosiert kränkelnd durfte Ella also am Donnerstag auch mal Reportagen gucken. Mama links, Oscar rechts. Reportage vorne.

Ansonsten war Ella in dieser Woche aber relativ fit und bezirzte ihre zum Teil sehr kranken Familienmitgliedern mit ganz besonders elligen Fragen. Mama, vollkommen neben sich, sollte sie beantworten, sah sich dazu aber aus nachvollziehbaren Gründen nicht in der Lage.

"Was ist Denken?", fragte Ella nicht etwa Richard David Precht, sondern ihre siechende Mutter, um (nachdem sie bemerkte, dass ihre Frage ihre Mutter überfordert) dann nachzulegen: "Wohne ich in einem Land?"
Auch darauf - Mama war halt krank - konnte ihre Mutter nicht antworten...

Bei einer anderen Mahlzeit sah Ella ihren Vater lange an. "Was ist?", fragte dieser sein Töchterchen. Ella starrte noch einige Augenblicke ins Vatergesicht und fragte dann Liebreizendes: "Was glaubst du, wie viele Stirnfalten du hast?", sagte sie. Papa wusste es nicht. "Fünf", sagte Ella.


Zum Karneval, das zeigen die Fotos, zogen wir unsere Philosophin als Flamenco-Tänzerin und unseren Virenherd als Krokodil an. Die Flamenco-Tänzerin sah sich in der Schule noch drei weiteren Flamenco-Tänzerinnen gegenüber, und das Krokodil wurde in der Kita wieder fiebrig und musste für den Rest der Woche  aus dem Verkehr gezogen werden.

So langsam aber  sicher sind wir alle wieder hergestellt. Morgen wollen wir das Unglaubliche in Angriff nehmen: Alle vier Hoffmänner wollen morgens die Wohnung verlassen. Das Sofa wird sich wundern.

Sonntag, 10. Februar 2013

Die Eier-Lüge

Am Dienstagabend war Oscar im Prinzip schon im Delirium.
Beim Abendbrot versuchte er, einen Witz nach dem anderen zu erzählen, doch leider sind in seinem Langzeitgedächtnis derzeit keine Witze hinterlegt. So improvisierte der Herr Brot kauend drauf los und erzählte Kleinst-Geschichten, die allesamt mit der Pointe endeten "Du bist eine Ketchup-Flasche". Jedesmal, den Effekt kennt man auch von Helge-Schneider-Auftritten, wurde diese Nicht-Pointe lustiger. Papa jedenfalls lachte sehr und begriff dabei nicht, dass Oscars Ketchup-Performance ein verzweifelter Hilfeschrei war - vielleicht ist das bei Helge Schneider ja auch so...

Oscar musste am Dienstagabend jedenfalls klar gewesen sein, dass der fieseste Virus seines Lebens bereits in ihm nistete. Während Oscar verzweifelt von Ketchup-Flaschen sprach, weil weite Teile seines zentralen Nervensystems schon brachlagen, fraß sich der Virus von Zelle zu Zelle unseres Sohnes.

Am nächsten Morgen dann noch nichts Weltbewegendes: Das Kind ist halt krank. So wie neuerdings alle zehn Tage. Was haben wir diesmal? Fieber. Gut, recht hoch.

Oscar schlief dann den ganzen Tag. Das ist auch noch nicht weiter verwunderlich. Ist unser Sohn nämlich krank, so schläft er 24 Stunden lang. Das kann neben ihm lediglich der Miet-Opa ebenso gut. Nach Ablauf dieser 24 Stunden, hier trennen sich die Beschreibungen von Oscars und des Miet-Opas Umgang mit Krankheiten, steht Oscar auf und rennt quietschend und lachend durch die Wohnung. Er gilt dann als geheilt.

Am Donnerstag begannen wir uns zu wundern. Der Sohn schlief immer noch. Über Arztbesuche wurde nachgedacht, doch war Oscar nicht transportfähig. Er lag und schlief. Hier und da weinte er kurz auf. Essen und Trinken ging auch nicht. Mama und Papa hatten an diesem Donnerstag so mittelgroße Sorgen. Für Freitag jedenfalls wurde ein Arzttermin vereinbart.

Transportfähig war Oscar am nächsten Tag zwar immer noch nicht, aber Papas Sorgen waren nun doch schon derart angeschwollen, dass ihm dies egal war, wenn nicht ein Grund mehr, endlich zum Arzt zu gehen.
Oscar war immer noch nicht ansprechbar, hatte unfassbar trockene und verklebte Lippen und hing nun auf Papas Arm.

Beim Kinderarzt folgten einige Szenen, die man sich bei Kinderarztbesuchen nicht wünscht. Die Szene zum Beispiel, als der Arzt vielleicht 20 Sekunden lang schweigend auf Oscar guckt und dann dem Vater messerscharf diagnostiziert: "Sonderlich gut sieht der wirklich nicht aus...". Der Arzt grübelte und grübelte. "Sag mal A", sprach er voller Verzweiflung zu Oscar. Oscar konnte nicht "A" sagen - er probierte es, aber es ging nicht. Papas Sorgen waren nun beträchtlich.

Dann aber zeigte sich Oscar erstaunlich kooperativ. Der Arzt nämlich glaubte mittlerweile an eine Salmonellen-Vergiftung. Papa sollte ihm alles über Eierspeisen der jüngeren Familienhistorie erzählen. Ein paniertes Schnitzel... Nee, das könne es nicht sein, sagte der Arzt. Bei Salmonellen müsse das Ei schon irgendwie weich gegessen werden... Dann aber Auftritt Oscar, der die Diskussion zwischen Vater und Arzt genauestens belauscht hatte.
Papa (zum apathischen Sohn): "Sag mal Oscar. Gab es in der Kita am Dienstag Ei?"
Oscar (der eben noch nicht A sagen konnte): "Ja."
Arzt und Papa zucken zusammen.
Oscar (immer glaubwürdiger werdend und niedlich lispelnd): "Eier mit Senfsoße."
Arzt (frohlockend, fast schon jubelnd): "Waren die Eier hart oder weich?"
Oscar: "Weich."
Arzt: "Yesssss" (nur in Gedanken)

Papa trug seinen salmonellenvergifteten Sohn nun wieder nach Hause. In der Kita wurde schnell nachgefragt. Eier? Nee. Eier gab's diese Woche nicht. Oscar war mittlerweile erneut nicht ansprechbar. Die Sorgen von Mama und Papa waren nun wieder immens.

Und nun gelangt dieser Blog-Eintrag endlich zum Happy-End: Am Nachmittag erfuhr die hektisch telefonierende Mutter von Kita-Eltern, dass deren Sohn die gleichen Symptome wie unser Sohn zeigte, ehe er dann am dritten Tage wieder auferstand von den Toten. Bei Oscar dauerte es an diesem dritten Tage dann noch bis 20:30. Wir guckten den Muppets-Film und irgendwann waren die Kermits und Piggys und Fozzies zu viel für unseren Sohn. Er kicherte.

Aufregung bei Mama und Papa. Oscar kichert. Ella nutzte die Gelegenheit und bespaßte Oscar auf eine Weise, die nur Kinder komisch finden. Ella hampelte vor Oscar hin und her und schrie dabei seltsame Silben aus. Oscar kicherte erneut. Am nächsten Tag, und auch heute, war er nur noch krank. Nicht mehr komatös.

Man muss bei dieser Geschichte im Übrigen auch noch erwähnen, dass Papa von Donnerstag und Mama von Freitag an ebenfalls krank waren. In Punkten gemessen (0 = gesund; 10 = tot) sah das ungefähr so aus:

Name
Dienstag
Mittwoch
Donnerstag
Freitag
Samstag
Sonntag
Mama
0
0
2
3
4
6
Papa
0
1
3
4
4
3
Ella
0
0
0
0
0
0
Oscar
2
9
9
9
7
6


Aus Ellas Sicht war das - wenn man die Tabelle ganz genau ansieht - ebenfalls eine abscheuliche Woche. Und wie das in Notsituationen so ist, lief sie zu Bestform auf: Am Freitag beispielsweise spielte sie gegen sich selbst Mensch-ärger-dich-nicht.
Siechend lagen Mama, Papa und Oscar im Wohnzimmer. Nebenan fiel etwa 300 Mal der Würfel. Dann trat Ella vor die Sterbenden: "Ich habe gewonnen.", sagte sie. "Gegen wen?", röchelte Mama. "Ich hab beide gespielt. Mich und einen anderen. Aber ich habe gewonnen." - "Wer war der andere?", hustete Papa. "Weiß ich nicht.", sagte Ella.

Am Sonntag dann las Ella mal eben 32 Seiten in einem Buch. Zwei Stunden lag sie still auf dem Sofa und las. Wie überaus furchtbar wäre eine Ella in dieser Woche gewesen, die weder gegen sich Brettspiele spielen noch ganze Romane lesen kann.

Ellas Wochenhöhenpunkt war der Samstag. Die kränkelnden Eltern waren auswärts geladen. Oscar war mittlerweile fürs Babysitting freigegeben. Oma kam. Ella freute sich. Und dann? Oma auch krank. Viren allerorten. Und Ella steckt sich nirgends an.

Hoffen wir das Beste: Am Dienstag feiert Ella in ihrer Schule Karneval. Seit Dezember zieht sie in jeder freien Minute ihr Flamenco-Kostüm an. Beten wir zum Himmel, dass sie diesen Tag nicht krank im Bett verbringen muss.

Ach ja: Die Fotos des heutigen Eintrags stammen zum Teil aus dem Zoo und der Zeit als diese Woche noch gut war. Ella und Papa lachten sehr über die Frisuren der Yaks... Am Abend dann erzählte Oscar von den Ketchup-Flaschen...

Montag, 4. Februar 2013

"Oscar Oscar" redigiert zu "Oscar"

Ellas erstes Schulzeugnis trägt noch den harmlosen Titel "Maulwurf-Zeugnis". Es handelt sich um eine Art Interview mit dem besagten Tierchen, in welchem es zu den Schülern befragt wird. Ella, so der Maulwurf, sei eine ganz ausgezeichnete Schülerin, die sich - und das ist die einzige Bemerkung, bei der der Maulwurf ein bisschen weniger jubelt - mitunter bei ihren Bemerkungen zurückhalten müsse.

Es war also Zeit, Ella in die seltsame Welt der Zeugnis-Sprache einzuführen. Gemeinsam machte sich die Familie an die Arbeit, diesen seltsamen Satz zu dechiffrieren. Man gelangte zu eindeutigen Ergebnissen und Erkenntnissen. Gemein war, dass wir den heiklen Maulwurf-Satz so häufig dechiffrierten, bis sogar Oscar nun Bescheid wusste und unter größten Anstrengungen seiner Mundmuskulatur jedem Mitmenschen erläuterte, in Ellas Zeugnis stehe, sie sei rotzfrech.
"Rotzfrech!", sagt Oscar dann lispelnd und mit großen Augen. "Ella is rotzfrech, ne?"

Die vergangene Woche stand - zum Teil auch aufgrund des Zeugnisses - ganz im Sinne der Feierlichkeiten. Am Sonntag stieß man auf Ellas Maulwurf-Urteil an, am Samstag wurde schlappe sieben Monate nach dem Umzug offiziell die Einweihung der Wohnung gefeiert. Viel Brot und Salz wurde überreicht, während rund 20 Kinder und noch mehr Erwachsene durch die Wohnung wuselten. Zwei Tage zuvor aber wurde Oscars Kindergeburtstag gefeiert.

Nachdem Ella ja zuletzt den Rolls-Royce der Kindergeburtstage besuchte, war bei uns - vielleicht zum letzten Mal - Sparhans Küchenmeister. Möglichst wenig Aufwand wollte man haben. Der Kleine wird früh genug Ansprüche an seinen Kindergeburtstag entwickeln.
Diesmal war er vor seinem Geburtstag nur damit beschäftigt, vier Namen von Kindern zu nennen, die eingeladen werden mögen.
Oscars Gästeliste lautete jeden Tag anders. Irgendwann, als uns die Namen gefielen, meißelten wir sie in Stein. Oscar und Mama tippten die Einladungen. "Schreib: 'Dein Oscar Oscar'", diktierte der Sohn. Mama tippte. Dann löschte sie einmal "Oscar" und druckte die Einladungen aus.

Im Kinderladen verteilte Oscar stolz die Einladungen. "Guck mal, da steht 'Oscar Oscar'", sprach er zu einem Kind. Oscar und das Kind, beide des Lesens unkundig, guckten auf die Karte. Oscar stutzte. Da stand nur einmal "Oscar". Das kann sogar jemand sehen, der nicht lesen kann. Mama wurde rot. Oscar bringt das ersten Mal in seinem Leben einen Witz zu Papier und dann wird er redigiert. Oscars Wut hielt etwa eine halbe Sekunde an.

Der Kindergeburtstag war - wie gesagt - wenig spektakulär geplant. Man marschierte gemeinsam aus der Kita ins Kindercafe. Dort angelangt war die Stimmung allerdings noch weit unspektulärer als gedacht. Sämtliche Gäste des Kindercafés waren nämlich Säuglinge mit ihren unterforderten Müttern. Diese legten ihre Säuglinge mal in diese mal in jene Anordnung. Die Säuglinge griffen mal hier, saugten mal dort.
Abseits davon befand sich Oscars Geburtstagstisch, an welchem wir uns einfanden und gegenseitig anstarrten.

Die Geburtstagsgesellschaft war recht schweigsam. Ein Kuchen wurde gebracht. Er schmeckte nur Oscar. Die anderen Kinder schwiegen. Nur hier und da krächzte eines "Ich will ne Waffel" - es war ein Jammer. Oscar packte ein Geschenk aus. Streit um zum Geschenk gehörende Gummibärchen brach zwischen Oscar und Gastkind L. aus. Dann wieder Schweigen und Säuglinge.

Erst spät tauten Oscar und seine Gäste auf und eroberten immer mehr Raum. Die Säuglinge wurden schon bald von ihren besorgten Müttern weggezogen. Oscar und Geburtstagsgast L. gerieten er erneut in einen Streit. Spielzeug flog durch das Café wie die Barhocker in einem Western-Saloon. Schnell konnten sich die Raufbolde aber wieder beruhigen.


Zum Abschluss zwei schöne Zitate aus der Familienkonversation:

Oscar (mampfend): Wie heißt der Pudding?
Mama (niederländisch): Double Fla.
Oscar: Der schmeckt auch nach Dübel.

Mama und Papa (beim Brettspiel mit den Kindern): Nach dem Spiel machen wir erstmal eine Pause.
Ella: Ja, und dabei trinken wir eine Flasche Bier.