Sonntag, 27. November 2011

Zuckerwatte, leicht verschwommen

Wir beginnen den heutigen Blogeintrag mit einem überaus langweiligen technischen Hinweis: Seit letzter Woche haben wir hier irgendwie ein Update der Blog-Software installiert. Neben vielen neuen Funktionen, die uns aber noch gänzlich verborgen sind, gibt es auch eine Änderung bezüglich der Bildgrößen. Man kann wählen zwischen "klein", "mittel" und "groß". "Mittel" - und hier fängt es an, doof zu werden, ist aber deutlich größer als das, was wir gewohnt waren. "Klein" ist tatsächlich "kleiner" - was "groß" bedeutet, haben wir nicht ausprobiert - wir ahnen aber, dass das auch nicht gut ist. Nach schlaflosen Nächten und vielen vergossenen Tränen haben wir uns nun für die Bildgröße "klein" entschieden. Wer mag, kann die Bilder ja per Mausklick auch in groß sehen.


Wir wissen nicht, wann und wo wir in der Erziehung unseres Sohnes Fehler gemacht haben, aber es ist unserer Meinung keineswegs als großer pädagogischer Erfolg zu werten, dass Oscar sich artikuliert wie ein Fußballfan in der Ostkurve.

Der Junge kann ja nun wirklich noch nicht allzu lange sprechen, insofern ist diese Art der sprachlichen Schwerpunktsetzung schon erstaunlich. Oscar redet nicht groß übers Wetter oder erzählt von Tieren oder von so Dingen, von denen Jungs in seinem Alter halt sprechen. Nein. Oscar brüllt - gerne auch am Tisch - laut und im Rhythmus der Fankurve "Bo! Chu! Mer!" oder auch "Le! Ver! Ku! Sem! Ber!" und guckt dabei streng in die Runde. Dass Oscar weit ab vom Ruhrgebiet aufwächst, glaubt auch keiner, der ihn letztens laut "Kollege!" hat schreien hören. "Kollege" ist in Nordrhein-Westfalen, dort also, wo die Bochumer und Leverkusember wohnen, ja durchaus eine sinnstiftende Gesprächseröffnung, hier in Berlin aber nicht. Und so stehen wir neben dem 93 cm großen Fußballfan mit dem westfälischen Idiom und fragen uns ernsthaft, wie das passieren konnte. Hat er das von uns? Rennen wir hier durch die Wohnung, schreien die Namen von irgendwelchen Fußballclubs (das ist möglich...) und reden uns mit "Kollege" an (das ist nicht möglich...)?

Vielleicht hat das Ganze ja auch andere Gründe, denn Oscar wird zur Zeit medikamentös behandelt. Als er nämlich am Donnerstagmorgen "aua" schrie, als Mama ihm den Pullover über die Ohren ziehen wollte, da war eigentlich schon klar, was kurz drauf die Ärztin bestätigte: "Mittelohrentzündung, Kollege."

Oscar sieht sich seitdem mit einer milchigen Flüssigkeit konfrontiert, dessen Geruch prinzipiell an Erdbeereis erinnert, die scheinbar aber nicht nach Erdbeereis schmeckt, da Oscars Gesicht nach dem Genuss von Erdbeereis deutlich zufriedener aussieht als sein schreiendes und sich windendes Gesicht beim Erhalt dieses Saftes. Dass der Saft gesund macht, hat Oscar begriffen und auch schon am Donnerstagabend in die Tat umgesetzt. Verbunden mit einer stets in Aussicht gestellten Belohnung, die meist aus ein oder zwei Gummibärchen besteht, schluckt er mittlerweile aber extrem tapfer das vermutlich eklige Zeug. Kein Winden mehr seit Freitag. Und bald schon ist die Flasche leer getrunken und darf in den Müll wandern.

Ella durfte sich dann am Wochenende ihre erlogene Brille (wir berichteten vor zwei Wochen) abholen. Wortgewandt und eloquent fuhr sie mit dem Vater zum Optikerladen um in selbigem nach Erhalt der roten Brille zu verstummen. Entweder tief beeindruckt oder schockiert von der neuen Sicht auf die Dinge, wanderte kein Wort mehr über ihre Lippen. Draußen wurde die Brille dem Vater gereicht. Momentan ginge es ja auch so, man müsse das mit der Brille ja noch üben. Unbebrillt spazierte man über den Weihnachtsmarkt und fuhr eine Runde Karussell, dann erklärte man dem Vater, dass das Gucken mit der Brille "irgendwie so verschwommen" sei. Der Vater ballte in der Jackentasche die Faust.

Am Wochenende machten die Eltern einen Fehler. Der Vater war für den heutigen Sonntag seit längerem verplant, denn er fährt jedes Jahr im Winter an einem Tag in eine andere deutsche Stadt um da den VfL Bochum (Bo! Chu! Mer!) verlieren zu sehen. So war der Vater heute kinderlos in Braunschweig unterwegs, während die Mutter mit beiden Kindern auf einen Weihnachtsmarkt nach Dahlem fuhr. Auch wenn sie im Anschluss behauptete, dass alles glatt gelaufen wäre, bis auf die Tatsache, dass Ella nach dem Erblicken einer verschwommenen Zuckerwatte durch ihre Brille so lange nervte, bis sie eine Zuckerwatte erhielt und bis auf die Tatsache, dass Ella rechtzeitig zur Weihnachtszeit eine wenig sympatische materialistische Seite in ihr entdeckt hat ("Mama, wir müssen noch irgendetwas kaufen"), auch wenn sonst also alles toll war, mit Märchenerzählern, Tieren und Mama, hätte man aus Papas Sicht das alles auch am Samstag, also mit Papa machen können.

Denn am Samstag war stattdessen Weihnachtsbäckerei. Und dies sprach sich in unserem Haus schnell herum. Janek war plötzlich in unserer Küche, dann kam auch Grezia kurz mal vorbei. Schließlich saßen auch noch Rafa und Simon in unserem Wohnzimmer. Bei all dem gab es auch noch viel Mehl. Überall. Kinder, Mehl, Teig, Oblaten (an denen sich Oscar verschluckte und daraufhin in den Flur brechen musste), noch mehr Kinder, Ausstechformen und immer mehr Mehl. Papa war am Ende. Seine CDs durften auch nicht laufen, denn in der Weihnachtsbäckerei hört man nicht Diskurs-Pop oder Alternative-Rock. Nein, da hört man Weihnachtslieder und ganz besonders gerne die Kinderweihnachtslieder, die an Dümmlichkeit nur schwer zu überbieten sein dürften. Wie gesagt: Man hätte das alles ja auch am Sonntag machen können, während der Vater in Braunschweig... aber egal.

Zum Abschluss noch dies: Ella ist nicht dumm. Das wissen wir alle. Seit ein paar Tagen betont Ella immer häufiger, wie furchtbar doof sie Schokolade in Weihnachtskalendern findet. Doof sei das voriges Jahr immer gewesen, wenn da Schokolade drin war. Wir hören diese furchtbare Kindheitserinnerung unserer hart geprüften Tochter nun fast täglich. Klar ist, dass Ella die Planungen für den kommenden Weihnachtskalender beeinflussen möchte. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass Oscar letztes Jahr immer dann enttäuscht war, wenn keine Schokolade im Kalender war, sondern ein ungenießbarer Flummi oder so was in der Art, und wenn man dann bedenkt, dass Eltern den Anspruch haben, ihrer Kinder immer irgendwie gleich behandeln zu wollen, dann ist klar, dass das Erstellen eines Weihnachtskalenders, das in diesen Tagen ansteht, keine vergnügliche Arbeit ist, sondern hochkompliziert und an der Schwelle zur Unlösbarkeit ist. Wir werden sehen, welches Kind zuerst weint.

Sonntag, 20. November 2011

Die Definition von Kuscheln

Oscar, über dessen Sprechfähigkeit wir uns vor Monaten noch einige Sorgen machten, ist deutschlandweit der einzige Zweijährige, zu dessen Wortschatz das Wort "Schabrackentapir" gehört. Rein medizinisch betrachtet dürfen wir unseren Sohn nun also als geheilt bezeichnen, denn Sprachprobleme hat niemand, der beim Frühstück mit Schoki-Mund "Schabrackentapir" hustet.


Verdanken tut Oscar dieses schöne Wort übrigens dem besonders ausgeklügelten Musikgeschmack des Vaters. Der Liedermacher Funny van Dannen ist es, der in regelmäßigen Abständen hier zu hören ist, und in dem großartigen Song "Okapiposter" geht es nun mal darum, dass sich jemand ein Okapiposter wünscht, dann aber - große Enttäuschung - kein Okapiposter, sondern ein Schabrackentapirposter bekommt. Oscar und Ella lieben das Lied und singen fröhlich mit. Und wenn Besuch da ist, dann kommt es vor, dass der Vater - um anzugeben - den Refrain bis zur entscheidenden Stelle intoniert, dann innehält und Oscar das große Finale überlässt. Oscar atmet dann tief durch, konzentriert sich und singt "Schabakntapii". Das ist derzeit Papas Lieblings-Zirkusnummer hier.


Ella dagegen tut das, was neben ihr noch mindestens zwei uns bekannte Kinder tun, nämlich das Lied mit dem Schinken und dem Ei hören:
Vor allem morgens bekommt Ella große Lust auf das Lied, vielleicht inspiriert vom Frühstück. Noch vor 8:00 läuft dann also der Song "Eisgekühlter Bommerlunder" in Endlosschleife. Denn wie man einen CD-Player bedient, das weiß Ella mittlerweile. Und wenn Song Nr.18 eben immer und immer wieder zu laufen hat, dann weiß Ella, welche Hebel der Anlage sie dafür in Bewegung zu setzen hat und beschallt das Haus mit dem "Bommerlunder".


Um die derzeitigen Musikvorlieben unserer Kinder nun zu einem Abschluss zu bringen, kommen wir noch einmal auf den Liedermacher Funny van Dannen und seinen jungen Fan Oscar zu sprechen. Oscar sagt beim Essen meistens irgendwann folgendes: "Wo ist der Mann, der 'Mohnkuchen singt?" - Papa reicht dann eine CD mit dem Konterfei des Barden. Manchmal gibt sich Oscar damit zufrieden und sieht die CD bewundernd an, manchmal aber braucht Oscar mehr. Dann sagt er: "Ich will das 'Mohnkuchen' hören" und dann legt Papa die CD ein und die ganze Familie lauscht dem Song "Mohnkuchen", in dem es um Trennung und Schmerz und Kuchen geht. Oscar, Ella und Papa singen meist glücklich mit, während Mama isst.


A propos Mama. Diese ließ an diesem Wochenende den Familienrest alleine. Man besuchte Ella Patenonkel, der in Weimar Geburtstag feierte und konnte sich mal wieder benehmen wie damals als man kinderlos war. Mama feierte, schlief drei Stunden und musste dann schon wieder zurück, denn das Wochenende war um.


Papa schlief in dieser Nacht zwei mal drei Stunden. Es wäre gelogen, statt von "zwei mal drei" von sechs Stunden zu sprechen, denn Oscar teilte mit dem militärisch artikulierten Befehl "Kuscheln!" die Nacht in ein "Davor" und ein "Danach".
Papa war bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht so recht klar, dass Oscar recht eigenwillige Vorstellungen vom Kuscheln hat, da der Sohn dieses Vorhaben meist mit der Mutter erledigt. Diese jedoch tanzte in Weimar wie eine Sechszehnjährige. Oscar musste den Vater in die Welt des Kuschelns einführen und das dauerte. Denn Vater begriff nicht.


Papa ließ nämlich, durchaus müde, lediglich eine Hand in Richtung Körper des Sohnes sinken, auf das diese dort irgendetwas verrichte. Den Kopf streicheln, die Schulter berühren. Das verstand der Vater bis gestern unter Kuscheln um 3:00 nachts. Nicht so Oscar. Oscar schrie seine Enttäuschung durchs Zimmer. Gleichzeitig zerrte er sich den gleichermaßen willenlosen wie verunsicherten Vater in die Position, die Oscar für gut befand. "Kuscheln", das lernte Papa in dieser Nacht, ist in Oscars Falle ein in sich Verzahnen zweier Körper - eine Umarmung wie man sie sich von einem verunglückten Bergsteiger denken mag, während dieser von einem Sanitäter, der sich von einem Hubschrauber in die tiefe Schlucht abgeseilt hat, emporgezogen wird. Neben dieser unterm Strich viel zu heftigen nächtlichen Umarmung bestand Oscars Kuscheln auch aus der massiven Verlagerung seines Körpers auf den bekuschelten Vater. Ein Windelhintern fand sich plötzlich auf dem Gesicht, heftige Fußtritte im Magen wieder. Kuscheln mit Oscar war eine echte Belastung, aber heute ist ja dann die Mama wieder da...

Ob alles sauber bleiben wird, wissen wir aber noch nicht, denn kurz bevor Mama gen Weimar verschwand, da schlich sich in das Mutter-Sohn-Verhältnis eine erotische Note. Freudianer hergehört: Als die Mutter leicht bekleidet ins Wohnzimmer trat, gingen Oscar die Augen über. Kann in einem knapp Dreijährigen die Männlichkeit erwacht sein? Er ließ seine Holzeisenbahn wie in Trance sinken, setzte sich dem - wir betonen - leicht bekleideten Mama auf den Schoß und zerrte am BH. Zur Freude des anwesenden Vaters loderte in Oscar weitere Neugierde. Er begrapschte die Mutter auf billigste Weise und versuchte, den BH zu entfernen. Zwei Interpretationen sind denkbar: Die Version 1, nennen wir sie "Vergangenheit" erklärt Oscars Verhalten mit der Erinnerung an die Stillzeit. Die Version 2 dagegen nenen wir "Zukunft" und deutet an, dass sich die Kreuzberger Mädels in einigen Jahren auf die frechen Hände unseres Sohnes freuen dürfen.  


Heute ist Totensonntag. Morgen beginnt demnach die Weihnachtszeit. Am Ku'Damm stehen deswegen schon ein paar überdimensionale Weihnachtsmänner herum. Es ist mit Sicherheit das letzte Jahr, in dem wir Ella noch schön mit dem Weihnachtsmann volllügen können. Das will ausgenutzt und perfektioniert werden. Bei Oscar dagegen ist das alles noch nicht so schwer. Als Papa relativ gleichgültig am Weihnachtsmann des Ku'Damms vorbeiging, da konnte sich Oscar, der an Papas Hand lief, ja auch drauf verlassen, dass Papa sich weiter auf den Weg konzentriert. Oscar nämlich konnte nicht mehr nach vorne gucken. Er ließ sich einfach durch Charlottenburg-Wilmersdorf ziehen und glotzte minutenlang zurück zu diesem seltsamen Mann, der die nächsten fünf Wochen durchaus tonangebend sein dürfte.  













Sonntag, 13. November 2011

Vermisste Mützen, erlogene Brillen und vernünftige Mütter

Wir müssen mit einem Nachtrag zur letzten Woche beginnen, denn von Ellas Augenarztbesuch wurde nur unvollständig berichtet.

Beim wackeren Arzt, der aus Ellas widersprüchlichen Aussagen bezüglich seiner Messungen schließlich einen Mittelwert berechnete und den wir aufgrund dessen ein wenig belächelten, müssen wir uns entschuldigen, denn - so vermutet die Mutter - Ella hat alles inszeniert. Wir haben der jungen Dame wohl so lange von Brillen vorgeschwärmt, bis ihr Entschluss fest stand, eine haben zu wollen. Da sie zudem nicht dumm ist, wusste sie genau, dass sie beim Augenarzt nicht allzu viel richtig machen darf um das Vorhaben "Brille" nicht zu gefährden. So log sie sich durch die Abbildungen und wird demnächst dann ihre aus Lug und Trug gefertigte Sehhilfe in Empfang nehmen. Wir sind gespannt, ob Ella dann zufrieden ist, mit ihren viel zu starken Gläsern.

Und nun von Ellas Brille (, die noch nicht ist) zu Oscars Mütze (, die nicht mehr war). Es war im Bus nach Grunewald, als Papa und Oscar sich vom Sitz erhoben und Oscars heiß geliebte Mütze einfach liegen ließen. Erst am nächsten Tag wurde uns der Verlust klar und als sich dann der schlimme Satz "Wir haben Oscars Mütze verloren" langsam durch Oscars Ohren in sein Hirn fraß, konnte man einen kleinen Jungen dabei beobachten, wie in ihm eine Welt zusammenbrach. Oscar war tief erschüttert. Wenig konnte ihn danach zufrieden stellen. Mama und Papa zeigten abwechselnd im Internet per Bildersuche gegoogelte Mützen, die Oscar zwar mit Interesse zur Kenntnis nahm, dann aber stets traurig und vorwurfsvoll die tollen Eigenschaften seiner verlustig gegangenen Mütze in die Elterngesichter jammerte "Die war blau mit hellblau".

Als Papa und Oscar dann vor einer nicht virtuellen, sondern vollkommen realen Mützenkiste standen und Oscar diverse Mützen aufgesetzt bekam, wiederholte sich dies. Zunächst ließ er alles über sich ergehen, fand viele Mützen auch toll, doch als Papa ernst machen und zur Kasse gehen wollte, da verfinsterte sich Oscars Miene, während er von seiner verlorenen Mütze berichtete. Blau und hellblau. So wie die war keine im Mützenladen.
Die traurige Erkenntnis war also: Der Winter steht vor der Tür und Oscar akzeptiert keine Mütze außer der verlorenen. Schlimme Szenen muss man sich dann auch im Fundbüro der BVG denken, wo Oscar erfahren musste, dass seine Mütze auch dort nicht aufgetaucht sei.

Dann aber fand Mama irgendwann spät nachts mit blutunterlaufenen Augen die Mütze im Internet. Großer Jubel brach aus, während Oscar schlief und vermutlich von blau-hellblauen Mützen träumte. Zwei Tage später klingelte der Postbote. Oscar holte diverse Textilien aus dem Päckchen und hielt schließlich seine Mütze in der Hand. Trotz Nutella-Gesicht war der überglückliche Sohn natürlich gerne bereit, diesen Moment mit einem Foto festzuhalten.

Während Oscar von nun an also tief beeindruckt von der Eigenschaft des Postboten ist, größte Wünsche zu erfüllen, ist er dem Lügen-Konstrukt "Weihnachtsmann" schon auf der Schliche. Als er nämlich alleine im Zimmer mit Mamas Laptop war, da öffnete Oscar mal eben die recht gut versteckte Datei, in der die Mama alle Weihnachtsgeschenk-Ideen notiert. Oscar las sich alles mit Interesse durch, weiß aber vermutlich dennoch nicht viel über das bevorstehende Fest, weil ihn derzeit nur O's und E's interessieren. Vielleicht waren da ja welche dabei in Mamas geheimer Liste...

Oscars technisches Verständnis hatten wir an anderer Stelle schon einmal gewürdigt. Von umprogrammierten Fernbedienungen und um 180° gekippten Monitorbildern ist hier schon berichtet worden. Und als die Mama heute so schimpfte über Oscar und die von ihm geöffnete Geheim-Datei, da fuchtelte sie mit ihrem Handy und zeigte dem dann stolzen Papa, was Oscar mit eben diesem Gerät so vor hat. Er möchte - so ist es in den "Entwürfen" von Mamas SMS abgespeichert - ein paar Nachrichten (Text: "uiiii") verschicken, darunter sogar eine eigens aufgezeichnete Audio-Aufnahme von irgendetwas. Als geplanter Empfänger ist Frau Hartmann aus Dresden vorgesehen. Audio-Aufnahmen würden wir auch gerne mal versenden. Leider weiß hier nur Oscar, wie das funktioniert.

Das Wochenende, an dem Oma Münster nebst Miet-Opa zu Besuch war und an dem Cousin Rufus seinen ersten Geburtstag feierte, endete spektakulär. Ella und Oscar wurden in die Badewanne gesetzt. Es wurde ihnen gestattet, ein wenig mit Wasserfarbe zu hantieren. Papa und Mama verließen dann das Bad. Pausenlose Jubelschreie verkündeten, dass kein Kind zu ertrinken droht, dies - so die Eltern - muss als Aufsicht reichen.

Als die Eltern ins Badezimmer eintraten, strampelten völlig überdrehte Kinder wie junge Hunde in der Wanne. Das gesamte Badezimmer war mittlerweile übersät von roter und blauer Farbe. Akustik und Optik ließen eindeutig auf ein Schlachthofszenario schließen. Hier schwappte Wasser in hohem Bogen über den Wannenrand, dort schmierte sich jemand quietschend roten Glibber ins Gesicht.
Ella, Oscar und Papa mussten aufgrund der überaus grotesken Situation lachen, während sich die Mutter auf besonders ekelerregende Weise als Vernunftsperson aufspielte und den Sauhaufen zu kritisieren wagte.

"Hast du überhaupt Shampoo benutzt?", fragte sie erst den Gatten, der daraufhin schwieg ("---") und dann den Sohn der daraufhin log ("ja"). Noch einmal warf sie die gerade väterlicherseits abgetrockneten Kinder in die Wanne und schrubbte sie sauber. Als Hauptindiz der vernachlässigten Haarpflege galten übrigens ein jeweils roter Wasserfarbenstreifen auf (a) dem Scheitel des Sohnes und (b) dem Scheitel der Tochter.

Sonntag, 6. November 2011

Sehen. Hören. Sprechen.

Ella sprach beim Abendbrot ziemlich deutlich aus, was alle dachten: "Die Katze tritt die Treppe krumm." Damit war endgültig bewiesen, dass ihre Tage beim Logopäden gezählt sein dürften und so befand selbiger heute auch, dass Ella noch exakt zehn Mal zu erscheinen habe und dann offiziell zu den Menschen gehören wird, die die Buchstaben K und T sowie G und D ohne Verwechslungsgefahr aussprechen können.

Das ist schon mal gut, denn als Ella, die ja mittlerweile gierig alle Buchstabenansammlungen in sich aufsaugt, die Leuchtbuchstaben "Wittenbergplatz" laut durch den Bus brüllte, sagte sie immerhin "Fittenbergplatz" und nicht selbiges Wort mit k statt t. Jedenfalls nicht so richtig... Es ist im Übrigen wirklich großartig, wie Ella sich derzeit das Lesen und Schreiben beibringt, auch wenn sie sich da manchmal noch überschätzt.

So antwortete sie auf des Mamas Frage, wer denn mitkommen wolle zum Einkaufen, in ebenso altkluger wie kurioser Weise: "Die mit E anfangen dürfen auch was mit E sagen: Ech!"
Das Personalpronomen Ech kritzelte Ella auch heute mit Kreide an die Spielplatzmauer. "Oma Ech Hap Dech Lip" und wir sind uns an dieser Stelle vollkommen darüber im Klaren, dass dies nur Omas und Eltern süß finden.

Interessant für den Rest der Welt dagegen ist folgendes: Ella kann zwar super sehen, aber schlecht hören. Dies befinden die Eltern einstimmig nach langer Beobachtungszeit. Ella kann beispielsweise erkennen, dass das Stück Käse, welches man ihr reicht, um etwa 5 Milimeter kürzer ist als jenes, welches kurz zuvor im weit geöffneten Schlund des Bruders verschwand. Sprechen tut sie dagegen in einer Lautstärke, die man von schwerhörigen Senioren oder Bundeswehroffizieren kennt. Hinzu kommt, dass Mama an der Haltestelle Hagenplatz den Namen der Station rund fünf Mal wiederholen musste, weil Ella nach jedem "Hagenplatz" laut "Was?" schrie. Die Mitfahrer im Bus stiegen schon genervt aus, war ja sowieso fast Endstation.

Und was bekommt ein Kind, das so gut sieht und so schlecht hört? Richtig. Eine Brille. Und zwar eine Rote. Dies stellte zumindest ein überforderter Augenarzt fest, der eine Dioptrinzahl in den Augen unserer Tochter fand, die sie nicht den Toast auf dem Teller finden lassen dürfte.

Er teilte - ganz medizinischer Profi - den gemessenen Wert durch zwei, nannte dieses Meisterwerk der Diagnose dann "Mittelwert" und schickte Ella mit dem Befehl "Brille" nach Hause.
Ella findet's gut. Mama und Papa hatten in den Wochen vor dem Augenarztbesuch schließlich schon von der wunderbaren Welt der Brillen geschwärmt.
Selber vier Kontaktlinsen in den alterstrüben Augen sprachen sie von Brillen in den tollsten Farben. "Rot." sagte Ella dann. Die Brille soll rot sein, nicht "rog", denn Ella kann jetzt nicht mehr nicht sprechen, sondern nicht gucken.

Oscar derweil geht mittlerweile fast wöchentlich zum Fußball und muss jedes Mal auf dem Hinweg oder spätestens im Stadion erfahren, dass nicht der VfL Bochum spielt. Am Sonntag stand der Knirps im Mommsenstadion, deutete auf die sich warm laufenden Spieler von TeBe und hüpfte "Da sind die Bochum-Männer". "Nein, Oscar. Das ist TeBe."
Dann Tränen, klar. Am Schluss war aber alles in Ordnung "TeBe! TeBe! TeBe!" rief ein glücklicher Junge, der aber demnächst mit seinem Vater mal nach Bochum reisen wird, wo die Bochum-Männer spielen. Übertrieben findet dies nur, wer Oscar noch nie im Treppenhaus sitzen gesehen und Minuten lang "Bochum" schreien gehört hat.