Montag, 30. Mai 2011

Dieses Winden und Gleiten... Und dieses Sprechen...

Oscar wurde erläutert, was das Wochenende bringen würde. Am Schluss hatte er alles begriffen und konnte selber berichten: "Aua tut tut tuff", sprach Oscar und alle verstanden ihn, weil Oscar seinem Umfeld seit Monaten oscisch beibringt.

"Aua tut tut tuff" heißt selbstverständlich "Roter Zug" und in diesem fuhr Oscar mit Familie am Samstag durch drei Bundesländer.

Zuvor war Ben da, der - nachdem ihn schon Ella vergöttert - nun auch Oscars Herz erobert. "Bemmm gooß", weiß Oscar dann stolz zu berichten, wenn es um seinen großen Ben geht. Als am Abend dann die Kinder schliefen, Bemm aber immer noch auf dem Sofa saß, da wurde es bierselig.

Hier und da wurde gescherzt und am Schluss freute man sich über einen konstruierten Spaß. Man müsse Oscar ein Foto zeigen, so der Spaß, auf welchem eine rote Feuerwehrbahn, eine Art Löschzug auf Schienen, zu sehen ist. Zusätzlich müsste auf diesem Gefährt ein Hund sitzen. Dieses komplizierte Arrangement hieße auf oscisch dann: "Da! Aua titataaaa tut tut tuff wau wau wauf" und alle würden ihn verstehen.

Es ist aber nicht richtig, über Oscars leicht hinterherhinkendes Sprachfeeling zu lachen, denn Oscar macht große Fortschritte. So kann er zum Beispiel "Eiswürfel" sagen. Hochkonzentriert presst er es hinaus: "Eis [Pause] Föföl". Und wie lautet die goldene Regel des Spracherwerbs? Wer "Eiswürfel" sagen kann, der kann sprechen.

Ella spricht ja nun auch. Und da sie sich momentan nicht in der niedlichsten Phase ihres Lebens befindet, wird sie beim Sprechen auch mal ungehalten. Zum Beispiel, wenn man ihren minutenlangen Monologen nicht mehr recht folgen mag und sich infolgedessen mit anderen Dingen befasst, zum Beispiel dem Frühstück. So erzählte in dieser Woche Ella am Früstückstisch von Zuckerrüben. Das allein ist ja schon kurios.

Nun verhielt es sich aber so, dass das, was Ella uns über Zuckerrüben zu sagen hatte, die kleine Sprecherin in furchtbarste Syntaxumwege und -sackgassen brachte. Mama und Papa hörten dem immer kruder werdenden Zuckerrübensatz bei der dritten Partizipialkonstruktion und dem wahrscheinlich achtzehnten Komma nicht mehr so recht zu und begannen selbst ein Gespräch, im Übrigen verhältnismäßig klar und stringent geführt, während Ella noch immer im Zuckerrübensatz gefangen war und Worte aneinanderreihte.

Irgendwann brach Ella in Tränen aus, sank vom Stuhl und kauerte weinend auf dem Boden. Dies ist Ellas Art, Missfallen über verschiedene Situationen zu äußern. Mama und Papa mussten versprechen, genau zuzuhören. Das taten sie dann auch und dann sagte Ella einen Satz von ungeahnter Klarheit: "In Zuckerrübensirup sind Zuckerrüben drin". Mama und Papa verstanden.

Doch zurück zum roten Zug (oscisch: "aua tut tut tuff"). Dieser fuhr an die Müritz, wo sich derzeit Oma befindet, um sich vom Alltag zu erholen.
Der Alltag aber brach dann in Form von Ella und Oscar über Oma herein. Die Kulisse bildete ein Hafenfest mitsamt Fahrgeschäften und anderen Attraktionen, die Ella und Oscar immer wilder werden ließen. Zum Schluss war das Gesicht der Oma, das uns am Mittag zur Begrüßung so erholt erschien, schon wieder vom Leben gezeichnet. Oscar rutschte derweil an Omas Hand die Fahrradschiene neben der Treppe herunter, während sich Ella an der anderen großmütterlichen Hand windete und wand.

Es ist tatsächlich so: Ellas Grundzustand ist derzeit das Winden. Und wenn Oscar in manchen Momenten sich dieses Verhalten abguckt, dann fühlt es sich mit unseren Kindern an, als sei man in ein Schlangengehege gestiegen. Geschmeidig gleiten die Kinder an Beinen und Armen entlang, man muss nur die Arme weit ausbreiten und kann sich sicher sein, dass an beiden Armen sofort ein Kind baumeln wird. Es hat sich dann heraufgewunden. Wir können es nicht besser beschreiben, dieses Gleiten und Winden.

Das Wochenende endete mit Tristans Geburtstagsfeier. Beide, Ella und Oscar, waren eingeladen, was für Oscar einerseits große Gnade bedeutete, denn er ist weit entfernt von Tristans biblischem Alter. Andererseits aber wurde tags zuvor Ella aus disziplinarischen Gründen der Besuch von Tristans Feier zunächst verboten.

Oscar verstand. Er, der Kita-Wicht, das Maskottchen des Kinderladens, wird also zu Tristans Geburtstag gehen, während Ella zu Hause bleibt. Oscar, der zuvor erst zwei Minuten Kindergeburtstag erlebt hat, fand das nicht schlecht. "Ella nich da!", erzählte er.

Als das Verbot dann aufgehoben wurde, weil Ella eher inkonsequente Eltern ihr Eigen nennt, war Oscar sauer.
"Oscar. Ist es nicht toll, dass Ella auch mitgeht?", fragten wir ihn. "Neee. Ella nich da!", antwortete der unsympathische Sohn und Bruder.

"Ella nich da" ist ein gutes Motto zum Schluss, denn Ella ist heute mit dem Kinderladen auf große dreitägige Reise gegangen. Wir sind gespannt, was es danach zu erzählen gibt. Ellas Urteil wird vermutlich "gutt" lauten.

Sonntag, 22. Mai 2011

Allein neben Romy

Eine kleine Premiere gab es in der Nacht zum Dienstag dahingehend, dass eine Kita-Freundin unserer Tochter bei uns übernachtete.
Romy, an anderer Stelle schon einmal als "Vulkan" bezeichnet, sollte die Nacht hier verbringen, was gut funktionierte, sieht man mal davon ab, dass die Damen lange nicht zur Ruhe fanden und im Kinderzimmer wild herumsprangen.

Oscar spielt bei den Einschlafzeremonien, die immer nach dem "Sandmann", also gegen 19:00 im Kinderzimmer beginnen, ohnehin nicht mehr mit. Oscar lässt sich zwar noch - meist mit Ella auf dem Teppich liegend - ein Märchen vorlesen, welches er jeden zweiten Tag selber aussuchen darf, was wiederum zur Folge hat, dass wir hier jeden zweiten Tag das Märchen vom Wolf und den sieben Geißlein hören dürfen, doch wenn das Buch zugeklappt wurde, der Wolf abermals im Brunnen auf grausame Weise ums Leben kam, während die Geißlein dazu einen makaberen Tanz veranstalten, wenn das Vorlesen also beendet ist, dann ist für Oscar die Sache mit dem Kinderzimmer auch durch. Dann steht er auf, latscht ins Elternschlafzimmer, legt sich dort in die Mitte des riesigen Bettes und schläft innerhalb von 15 Sekunden ein.

Hier muss der aufmerksame Leser stutzen, denn schon oft berichteten wir von deutlich mehr als 15 Sekunden, die Oscar dann so benötigt, um sein Bewusstsein zu verlieren. Noch lebhaft ist uns der im Kinderzimmer laut "Tatü Tataaaa" schreiende Kerl in Erinnerung. Doch seit dieser Woche schläft Oscar in der Kita nun wirklich so gar nicht mehr. Zum Beweis wurde den Eltern sein Schlafzeug mit nach Hause gegeben. Oscar macht jetzt also durch in der Kita und dankt uns dies mit einem rapiden Leistungsabfall, der täglich so gegen 17:30 beginnt. Da wird Oscar dann ein wenig quengelig, bis er dann, eine halbe Stunde später, sein Abendbrot nur noch heulend zu sich nehmen kann, weil er so furchtbar müde ist und ihm das Aufrechthalten seines schlaftrunkenen Kopfes wahnsinnige Probleme bereitet.
Oscars Eltern empfinden hier manchmal Mitleid, trösten sich aber damit, dass es wirklich nur die Zeit zwischen 17:30 und 19:00 ist, in der Oscar an furchtbarster Müdigkeit leidet. Und wenn dann, 15 Sekunden nachdem Oscar sich ins Elternbett gelegt hat, der Herr schon schläft, dann ist sowieso vorbei mit Mitleid. Dann freuen sich hier alle.

Alle? Nun ja, Ella findet es natürlich doof, dass Oscar im Elternbett liegt. Beschwerden werden dann laut. Aber da Oscars Schlaf momentan vermutlich auch kleinere operative Eingriffe gestatten würde, kann man den Bruder auch recht bald wieder zurück ins Kinderzimmer legen. Dann sind wirklich alle zufrieden.

Nachts, und das ist ja auch in Ordnung, kommen die Kinder dann allerdings trotzdem noch immer ins Elternbett, sodass wir hier morgens immer zu viert aufwachen.
Aber in der Nacht zum Dienstag, da war da ja auch noch Romy.

Romy schlief durch. Wie ein Weltmeister und zur Überraschung ihrer Eltern. Kein Mucks mehr von Romy, nachdem die Kinderzimmer-Randale irgendwann gegen 22.00 Uhr beendet war. Ella aber latschte in gewohnter Manier mitten in der Nacht zu den Eltern rüber.
Dramatische Szenen spielten sich ab.

Ella musste erklärt werden, dass sie diesmal nicht ins Elternbett darf. Schließlich hat sie Besuch und der - so der Plan des Vaters - möge bitte nicht auch noch ins Elternbett krabbeln. Ella war zerrissen. Sie verstand das durchaus, war aber wahnsinnig traurig. Glücklicherweise entschied sie sich in diesen Sekunden nicht für lautstarkes Brüllen, sondern eher für einen besonders üblen Gesichtsausdruck, der dem Vater ein ordentlich schlechtes Gewissen machen sollte. Ella guckte, als stünde ein Abschied für Monate an. Als müsse sie nun für ein halbes Jahr in ein finsteres Internat und der Zug rollt schon los. Papa wurde von seiner still weinenden Tochter - es war wohl so 2:30 - innig umarmt. Heiße Abschiedsküsse wurden ausgetauscht. Papa spürte Ellas Wangen Tränen überströmt. Dann ging Papa und ließ seine Tochter alleine im dunklen Kinderzimmer zurück. Neben Romy.

Am nächsten Tag waren alle sehr stolz auf Ella und ihr heroisches Handeln um halb drei.

Oscar ist auf seine Weise auch heldenhaft. Mama und Papa sind nämlich der Ansicht, dass Oscars Charakter ihm durchaus die Möglichkeit auf einen Job im Geheimdienst oder bei einer Terrororganisation in Aussicht stellen könnte, denn Oscar ist nicht folterbar.

Momentan befindet sich Oscar nämlich in Folter. Sein Verbrechen: Liebesverweigerung gegenüber des Vaters.
Diese Liebesverweigerung gibt Oscar mit einer Lässigkeit zu, die seinen Vater zurecht auf die Palme bringt. Seit Mitte der Woche führen Oscar und sein Vater deshalb ernste Gespräche. Diese gehen ungefähr so:
"Oscar, hast du Papa lieb?"
"Nein. Mama und Ella lieb. Papa nisch."

Es ist zum Verzweifeln. Oscar liebt diese beiden Menschen. Mama und Ella. Papa nisch. Und Kinder in Oscars Alter sind ehrlich.
Papa wollte nun ein bisschen nachhelfen mit der Liebe und schnappte sich den Sohn. Die einzige Frage, die Oscar immer wieder zu beantworten hatte, lautete "Hast du Papa lieb?". Nach jeder Antwort, die den Vater nicht zufrieden stellte, wurde Oscar aufs Übelste gekitzelt. Oscar schrie. Er wandt sich. Litt. Kreischte. Dann die Wiederholung der Frage mit Belehrung, dass das Kitzeln im Falle einer spontanen Liebesempfindung gegenüber dem Vater enden würde. Nichts. Oscar wurde den ganzen Nachmittag gekitzelt und der Vater musste den ganzen Nachmittag mitanhören, dass Oscar ihn nisch liebt.

Mama, der geliebten Mama, fiel dann nur noch der Vergleich mit dem Geheimdienst ein, den der Vater hier lediglich um den Vergleich zu Terrororganisationen ergänzt hat.

Montag, 16. Mai 2011

Die Intelligenz, Zusammenhänge herzustellen

"Oscar ist klug", hat seine Mama schon des Öfteren behauptet. Vielleicht ein bisschen zu häufig, denn Sätze dieser Art werden für gewöhnlich nur dann geäußert, wenn der beschriebene Sachverhalt nicht hundertprozentig offensichtlich ist. Niemand würde sagen: "Goethe ist berühmt" oder - um noch deutlicher zu werden - "Goethe ist ein Mann", weil beides absolut unbestritten ist.

Sagt eine Mutter häufig, ihr Sohn sei klug, so sagt sie indirekt also auch, dass man genau das nicht so richtig gleich auf den ersten Blick sieht. Der Grund, dass Oscar tatsächlich häufig unterschätzt wird, liegt in seiner immer noch recht rudimentären Sprachentwicklung. Hier und da lässt Oscar ein Bonmot fallen, wie zum Beispiel heute, als er papageiengleich Ella nachplapperte "Kann ich auch?" - eine wahre Meisterleistung der Kommunikation, gemessen an Oscars sonstigem Gebrabbel. Nein, die Sprache ist immer noch nicht so richtig Oscars Lieblingsthema und so wird der schweigende oder seltsam kryptisch sprechende Oscar eben unterschätzt.

"Oscar", so die Mutter, die - wir erinnern uns - gerade eben erwähnte, dass ihr Sohn klug sei, "erkennt Zusammenhänge."

Diese Form der - wir schreiben hier völlig frei von Ironie - Intelligenz zeigt sich in nutzlosen Situationen wie dem Lösen von Rätseln in der Kinderzeitschrift "Janosch". Da waren ein paar Gegenstände abgebildet und die Frage lautete: "Welcher Gegenstand ist weich?" - Oscars Finger schnellt dann zum einzig weichen Gegestand, nämlich einer Mütze, und auch, wenn es auf der selben Rätselseite darum geht, unter zwei Vögeln und einem Fisch denjenigen zu zeigen, der nicht so ist wie die anderen, zeigt Oscars Finger große Souveränität und viel Verständnis.

Diese Form der Intelligenz zeigt sich darüber hinaus aber auch in nützlichen Situationen, zum Beispiel, wenn die große Schwester nervt. Ella tut dies ja recht gerne und recht häufig. Mal wird Papa genervt, mal wird Mama genervt. Am häufigsten wird jedoch Oscar genervt und der hatte bislang einfach relativ wenig Möglichkeiten, sich Ruhe zu verschaffen. Doch dann wandte er endlich die Fähigkeit an, Zusammenhänge herzustellen.

Oscar weiß nämlich a), dass Ella furchtbar ängstlich ist, und dass sich b) im elterlichen DVD-Regal ein Film namens "Der Weiße Hai" befindet. Auf nämlichen Cover ist der titelgebende Fisch mit allerlei Zähnen abgebildet. Für Ella ein unerträglicher Anblick.

Oscar greift nun gerne nach der DVD und rennt "Haaaiiii" schreiend zu Ella, die dann vor ihm wegspringt wie ein scheues Reh. Das Schauspiel ist insgesamt ein fantastischer Anblick, vor allem bei zunehmender Dauer, denn Oscar hat durchaus nicht nur die Gabe, Zusammenhänge herzustellen, sondern auch Kondition. Ella musste irgendwann von den Eltern gerettet werden. Der böse Film bleibt dennoch ganz bewusst in Oscars Dreikäsehöhe einsortiert, denn wir gönnen ihm diesen kleinen Triumph.

Das zurückligende Wochenende gehört sicherlich zu den ereignisreichsten des Jahres. Die Familie reiste nach NRW. In Bergkamen wurden Oma, Rainer und - als Überraschungsgast - die alte Oma besucht. Eine große Attraktion war das Loch, das Rainer in den vergangenen Tagen gebuddelt hat. Ein Swimmingpool soll da mal hinein. Zunächst einmal wurden aber die Kinder dort hineingesetzt und durften mal zeigen, was jahrelanges Spielplatztraining für Buddel-Stars hervorbringen kann.
Das Foto von Oscar alleine in der Grube ist natürlich ein billiger Witz. Ein kleiner Wicht, eine kleine Schaufel, ein groooßes Loch.

In NRW war ohnehin die Hölle los. Eine Mannschaft, dessen Sympathiesanten vor allem aus dem ländlichen Raum stammen, wurde deutscher Fußballmeister. Die gelb-schwarzen Landbewohner fingen recht bald an, furchtbar zu nerven. Ella hatte ohnehin ein bisschen Respekt, da sie als gebürtige Gelsenkirchnerin durchaus weiß, dass die Landbewohner gegenüber Gelsenkirchnerinnen auch mal böse werden können.
Der Eindruck des Wochenendes war jedenfalls der, dass - egal, welche Tür sich irgendwo öffnete - mindestens zehn schwarz-gelbe Landbewohner hindurchwuselten. Vergleiche mit Kellerasseln unter Steinen, die man anhebt, wurden laut.

Ella und Oscar waren aber Teil des ganzen, denn man selber besuchte ein Fußballstadion, allerdings urbaner gelegen.
Im Bochumer Ruhrstadion war Oscar erstmal schwer beeindruckt: Alles war voller Menschen, in der Ecke hingen riesige Fernseher und unten war eine Wiese mit Bällen. "Da! Da! Da! Gnüüün" Da! Da!", kommentierte Oscar das Geschehen. Zum Glück war dann alles etwas weniger aufregend, als das Spiel begann.

Zehn Sekunden vor dem ersten Tor der Bochumer erhielt Oscar eine Wurst. Es war die neunte Minute: Mama kam. Wurst. Tor. Um Oscar herum Chaos, Riesenjubel, tosender Lärm.
Papa, nachdem er fertig gejubelt hat, schaut mit schlechtem Gewissen zum Sohn. Wird er den Riesenkrach überstanden haben? Ja. Fasziniert starrt Oscar auf die Bratwurst und bekommt sonst wohl nichts mit.

Tags zuvor waren die Eltern beim Eurovision Song Contest. Während sich Aserbaidschan zum verdienten Sieg schmachtete, lagen Ella und Oscar friedlich in Bergkamen im Bett und schliefen. Wie genau Oma und Rainer das gemacht haben, ist nicht klar. Die Erklärung der Oma ("Die haben einmal Terror gemacht, dann hab ich die kurz gefaltet und dann war gut") klang jedenfalls so simpel, dass sie eigentlich nicht stimmen kann...

Dienstag, 10. Mai 2011

Das Säcklein Flieder

"Morgen ist Muttertag", sprach der Vater zu seiner Frau. "Da erholste dich mal richtig. Ich hol Brötchen."

In der Nacht kam es dann aber anders, denn der Vater erkrankte und sah sich aufgrund von permanenten Schmerzen im Hals und dem spanischen ESC-Song von 2010 ("Baila Chiqi Chiqi") im fiebernden Kopf mit einer zwar rhythmischen, unterm Strich aber sehr unschönen Nacht im Gartenhäuschen konfrontiert. Alles löbliche Vorhaben für den Muttertag musste abgesagt werden. Der Vater leistete mit einem geisterhaften Auftritt seiner Familie beim Frühstück noch Gesellschaft, verbrachte den Rest des Tages dann aber schlafend.

Es war vielleicht die Retourkutsche für den Geburtstag des Vaters, den im Vorjahr Oscar mit einem Griff in Mamas Auge zu einer Katastrophe werden ließ. Der Muttertag 2011 war jedenfalls nur insofern ein Muttertag, da Mutter diesmal alles alleine machen musste: Also die Dinge, die sie ohnehin schon immer tut, plus die Dinge, die der Vater sonst tut, plus die Dinge, die der Vater am Muttertag ausnahmsweise auch mal tut.

Eigentlich verhinderte nur Ella die totale Muttertagsdepression, denn Ella ließ sich in der Gartenkolonie am Samstag in ein Verkaufsgespräch verwickeln. Sie stürzte zu Papa und verkündete mit ernster Miene, dass sie jetzt echt Geld brauche, denn sie müsse nun echt was für den Muttertag kaufen.

Papa latschte dem aufgeregten Töchterlein hinterher. Das Mädchen aus dem Garten gegenüber ist ein bissschen älter als Ella und hat das wirtschaftliche Potential des Muttertages, insbesondere in einer konkurrenzlosen Gartenkolonie, bereits erkannt. Das Mädchen verkaufte kleine Serviettenbündel. Innen drin war getrockneter Flieder. "Das riecht gut", sprach das Mädchen und Ella hüpfte vor Aufregung.

"Wieviel soll das kosten?", fragte Ellas Papa. "Einsfünfzig", sagte das Mädchen. Papa dachte in den folgenden fünf Sekunden unter anderem die folgenden Dinge: In unserem Garten steht auch sehr viel Flieder. Einsfünfzig ist Wucher. Und: Nein. Mit einem achtjährigen Mädchen wird nicht gefeilscht. Noch dazu zum Muttertag.

Ella durfte die Transaktion dann starten und wie gesagt: Das Säcklein Flieder war für Mama der einzige Lichtblick an einem sonst so trüben Muttertag.
Und Papa lernte gleich mal die Mutter des Verkaufsgenies kennen. Und was wusste die zu berichten? "Unsere Tochter heiß Elia und unser Hund Oscar." - "Das ist ja toll", sprach Papa.

Am Freitag zuvor fand im Viktoriapark der traditionelle Bambini-Lauf statt. Die Erwartungen in Ella waren recht hoch, nachdem sie im Vorjahr ihrer Altersklasse davonrannte und nun ja seit ein paar Tagen nichts mehr liebt auf dieser Welt als das ausgiebige Laufen.

Der mütterliche Bericht über den Bambini-Lauf lieferte dann aber ein anderes Bild unserer Möhre. Sie habe nämlich, so die Mutter, den Umgang mit sportlichen Enttäuschung von eben der Mutter geerbt. Bezogen auf den Bambini-Lauf hieß das: Die ersten 30 Meter waren toll, dann wurde Ella überholt und musste feststellen, dass sie heuer nicht wird siegen können. Von da an war der Lauf doof und Ella brach ab.

Als der Papa später eintraf fand er seine Kinder dennoch von Goldmedaillen umhangen. "Alle haben gewonnen", sagte die Erzieherin und Ella übernahm diese Sprachregelung. Fragt man sie nämlich danach, wer den Bambini-Lauf gewonnen hätte, so antwortet sie ohne rot zu werden "Ich."

Große Probleme bereitet uns wieder mal das Einschlafen. Es ist eine Farce. Oscar möchte auf gar keinen Fall im Kinderzimmer einschlafen und gibt als Grund an, dass das Busauto draußen zu laut sei. Eine glatte Lüge im Übrigen. Oscar packt dann seine Sachen und haut ab.
Ella - Problem Nummer 2 - kann alleine nicht schlafen. Grund ist - Tusch - der böse Zauberer, also ein Standbild, das sie im Planetarium vor Wochen gesehen hat. Papa sagt: Lüge. Ella sagt dann, dass Papa dies gar nicht wissen könne und hat die Sache auf den Punkt gebracht.

Im Arbeitszimmer hat Ella übrigens keine Angst. Und so schläft Oscar im Schlafzimmer und Ella zunächst im Arbeitszimmer, wird dann gegen 23.00 ins Kinderzimmer getragen und zieht dann gegen 1:00 ins Schlafzimmer um.

Vielleicht fließen irgendwelche negativen Energien durchs Kinderzimmer. Wir kennen jemanden, der konnte in einem bestimmten Zimmer auch nicht schlafen. Er sollte sich dann Kleiderbügel auf die Energieachsen legen. Dann ging's. Wir müssen ohnehin alle mal zum Psychiater.

Sonntag, 8. Mai 2011

Blog verspätet sich

Das Familienoberhaupt liegt krank im Bett. Der Blog erscheint erst am Montag.

Sonntag, 1. Mai 2011

Am Ende der Ermittlungen endlich leer

Das erste Bild des heutigen Blog-Eintrages spricht eine relativ klare Sprache: Zunächst einmal ist da der Gesichtsausdruck des Subjekts, der Fröhlichkeit aufgrund des ihm zugerufenen "Oscar, lach mal!" nur mühsam heucheln kann. Hinter dem brüchigen Lächeln steckt, wenn man ganz genau hinsieht, ein erschöpftes Gesicht - vom Leben gezeichnet.

Und dann ist da noch das Kleidungsstück. Oscar trägt hier ein T-Shirt der Mutter, welches am Körper eben jener Mutter knackig eng sitzt. Für Oscar ist es ein recht geräumiges Nachthemd. Er verschwindet nicht vollständig darin, wie er es in anderen T-Shirts der Eltern tun würde, aber so richtig knackig eng sitzt es bei ihm dann auch wieder nicht.

Da auf des Mutters T-Shirt entweder Tick oder Trick oder Track aufgedruckt ist, einer der Dreien, sieht es auch auf dem zweiten und auf allen folgenden Blicken dann tatsächlich so aus, als hätte Oscar ein Kinder-Nachthemd an und kein figurbetonendes T-Shirt der Mutter.
Was war geschehen?

Papa hatte am letzten Montag gegen 21.00 den Blog gerade getippt und in die weite Welt des Netzes geschickt, da plätscherte es im Kinderbett.
Papa rannte hin und sah Oscar sitzend und brechend im Bette. Als der Herr diese Aktivität beendete, den Mund also wieder für andere Dinge einsetzen konnte, blickte er auf das nach Ostereiern und Buletten riechende Ergebnis und weinte.
Oscar, das muss man wissen, kennt aus seiner jüngeren Vergangenheit eigentlich nur einen Weg, den die Speisen aus seinen Körper heraus antreten. Er war ernsthaft verwundert und - wie man am Weinen sieht - nicht sonderlich begeistert.

Mama und Papa schalteten also blitzschnell den Modus "Mein Kind hat das Kotzen" an und trugen alle möglichen Dinge in die Waschmaschine, während Oscar getröstet wurde und im Wohnzimmer "Tatort" guckte.

Mama diagnostizierte medizinisch scharf: "Oscar hat zu viel gegessen", musste aber im Folgenden feststellen, dass Oscar auch noch Fieber bekam. Ob Oscar beim Osterfest in Lichtenrade tatsächlich so viel aß, dass sein Körper schon das letzte Mittel "Heizen" einsetzen musste, ist bis heute nicht klar.

Klar war jedoch schon recht schnell, dass Oscar noch lange nicht fertig war. Mitten in die Ermittlungen der Stuttgarter TV-Kommissare lernte Oscar den seltsamen Fluchtweg seines Mageninhaltes immer besser kennen und war am Schluss ein von der Mama ausgiebig gelobter "Kotz-Profi": Ohne großes Theater kündigte Oscar einen Bruch an, indem er den Schnulli sachte aus dem Mund entfernte. Dann hielt Mama die Schüssel unters Kinn und schon ging's los. Dann wurde weiter ferngesehen. Bis zum Ende der Stuttgarter Ermittlungen ging das so. Dann war Oscar leer. Die Waschmaschine mit unzähligen Kleidungsstücken war voll und so wurde Oscar irgendwann in Mamas T-Shirt gepackt.

Alle seine Schlafanzüge drehten sich fröhlich in der Waschmaschine und was Papa am nächsten Morgen beim Wäscheaufhängen alles aus der Wäsche fallen sah, das verschweigen wir hier, denn dieser Blog-Eintrag ist ohnehin schon viel zu eklig und entwürdigend. Oscar wird das ja irgendwann mal alles lesen, wenn er groß ist, und dann wird er an dieser Stelle völlig zurecht den Vater zum Rapport bitten und ihm erläutern, dass jegliche Form des Ausscheidens zum intimsten Bereich der Privatsphäre und nicht ins Internet gehört.

Am nächsten Tag wäre eigentlich der Kita-Start nach den Osterferien gewesen. Oscar war aber wirklich krank und blieb zu Hause. Um etwa 13.00 Uhr, bei Kindern gibt es da ja irgendwie so einen "Ich bin jetzt wieder gesund"-Schalter, richtete sich Oscar auf, begann vorsichtig wieder zu sprechen, nahm ein bisschen Laugengebäck zu sich und war schon 5 Minuten später wieder ganz der Alte.

Wechseln wir gegen Ende dieses Eintrages schnell zu Ella. Ella, so die Mutter, ist nicht ausgelastet. Ella bestätigt dies auf Nachfrage, während sie einem Schimpansen gleich an irgendwelchen Möbelstücken baumelt. Ella braucht irgendwie mehr. Wir wissen nicht so ganz, was sie braucht. Ella redet von Ballett. Papa könnte sich vorstellen, dass auch ein Laufrad, wie man es aus Hamsterkäfigen kennt, erste Probleme lösen könnte.

Ella hat schließlich das Laufen für sich entdeckt. Als sie mit Papa unter der Woche mal zu zweit im Garten übernachtete, da waren die beiden Abtrünnigen abends noch schick essen. Nach dem Restaurant-Besuch wollte Ella nicht in den Fahrradanhänger, sondern die etwa 3 km zum Gartenhäuschen rennend und hopsend zurücklegen. Das tat sie dann auch. Papa radelte nebenher und erkannte sein eigenes Töchterchen nicht wieder.
Am nächsten Morgen fuhr man wieder vorbei am Restaurant. Es hatte geschlossen.
Ella sagte dann im Fahrradanhänger einen Satz größter Klugheit: "Ich will später mal im Restaurant arbeiten. Denn dann kann ich immer lange schlafen." Papa radelte vorne weiter und überdachte sein Leben.

Zum Abschluss dieses Eintrages ein Satz, den Ella heute angesichts des Nachbarjungens äußerte. Der Nachbarjunge ist ein bisschen älter und hat zur Zeit auch einen kleinen Schaden. Er spielt mit kleinen Stöckchen im Mund Zigarette rauchen. Ein tolles Spiel! Er tut dies seit Wochen! Immer am Stöcke Rauchen... Ella aber findet das gar nicht so gut. Und deshalb sprach sie vorhin einen Satz, den man durchaus auf T-Shirts drucken und auf Wände sprühen sollte. Der Satz lautet: "Puddingessen ist besser als Rauchen."