Sonntag, 25. März 2012

Selbstverschuldete Not

Ein Unterschied zwischen dem Vater von Ella und Oscar und der Mutter besteht zum Beispiel darin, dass die Mutter eher undifferenziert mit dem Leid ihrer Kinder umgeht, während der Vater durchaus abwägt, ob das Leid selbstverschuldet, fremdverschuldet oder gar schicksalhaft ist.

Bei den beiden letzten Varianten ergießt sich grenzenloser väterlicher Trost über das leidende Kind, während der Vater - so er ein Selbstverschulden des Kindes ausgemacht hat - auch mal herzlos in das weinende Kindergesicht hineinschimpfen kann. Dies tut die Mutter nicht.

Selbstverschuldet in Not geraten ist Oscar in dieser Woche mindestens dreimal, wobei die Dunkelziffer um einiges höher liegen dürfte. Da ist zum einen seine Angewohnheit, morgens ein akrobatisches Ritual während des Anziehens zu veranstalten: Dazu greift sich Oscar aus seiner recht hohen Kommode die Kleidungsstücke, die er in der Kita zu tragen gedenkt. Er steht deshalb auf der höchsten Stufe seiner Hochbetttreppe und wühlt nach Hosen, Unterhosen und anderem Kram. Höhepunkt dieser Aktion ist dann das wuchtige Auf-den-Boden-Werfen der auserkorenen Klamotten.

Papa machte alles kaputt und griff sich die Jeans, die Oscar wählte und wollte sie dem Spross direkt oben im Hochbett anziehen. Lautstarke Proteste. Hektische Sekunden. Erster Streit. Dann erläuterte Oscar, dass er nur Kleidung tragen kann, die zuvor etwa 2,50 Meter durch das Kinderzimmer gesegelt ist. Papa, dem das bis dato nicht klar war, fand das doof und verließ aus Protest den Raum.
Dann ein Knall. Oscar ist von der Kinderbett-Treppe gefallen, die Jeans noch in der Hand. Selbstverschuldete Not. Papa schimpfte, Mama tröstete.

Am Abend, es war wohl wirklich der gleiche Tag, dann folgendes: Zähneputzen. Oscar diktiert dem humorlosen Vater die Spielregeln: Auf den zweistufigen Holzhocker muss ein kleiner Plastikhocker gestellt werden. Auf diesen klettert dann in Zirkusartisten-Manier der Große Oscario. Erst dort oben, auf dem wackelnden Hochsitze, ist Oscar gewillt, sich für etwa sechs Sekunden die Zähne zu putzen.
(Und nun markiert und kopiert Papa aus Zeitgründen mal einen bereits geschrieben Absatz und verändert ihn nur ganz wenig:)
Papa, dem das bis dato nicht klar war, fand das doof und verließ aus Protest den Raum.
Dann ein Knall. Oscar ist von der Hocker-Skulptur gefallen, die Zahnbürste noch in der Hand. Selbstverschuldete Not. Papa schimpfte, Mama tröstete.

Zwei Tage zuvor, es war Nachmittag, hielt Oscar folgendes für richtig: Auf der Rücklehne des Sofas stehen und per Bauchklatscher auf die Sitzfläche springen, dabei lachen. Einige Male ging es gut, nur Papa nervte, weil er Oscar ständig auffordern musste, diese weder sinnvolle noch ansehnliche Tätigkeit abzubrechen. Auch auf etwaige Gefahren machte der Vater seinen Sohn aufmerksam. Diesen interessierten die Warnungen erst, als er während des Sturzfluges von der Rücklehne in der Luft befindlich feststellte, dass er zu weit gesprungen sein muss, denn soeben rauschte die gepolsterte Sitzfläche an Oscar vorbei.
Als nächstes bereit, Oscars Sturz abzufangen, war der Parkettboden. Rumms. Selbstverschuldete Not. Papa schimpfte, Mama tröstete.

Aber auch andere interessante Dinge sind in diesen Tagen passiert: Ella stellte fest, dass die kahlrasierten Bäume, die Mama in den letzten Tagen gestutzt hatte, optimale Bedingungen zum Klettern bieten, was unserer doch eher anspruchsvollen Tochter den Gartenaufenthalt für alle sichtbar versüßt. Im Gegensatz zu ihrem Bruder ist auch davon auszugehen, dass Ella nicht abstürzen wird, und wenn doch, dann wird der Baum Schuld dran sein. 

Und zum Abschluss noch eine Geschichte aus Absurdistan, welches in Kreuzberg liegt.
Es ist Abend, ein anstrengender Tag geht für die Kinder zu Ende, was erklärt, dass diese sehr sensibel sind. Beide Kinder wollen, dass Papa nur ihnen selbst, also nur der Tochter oder nur dem Sohne, vorliest. Ein unlösbares Problem.
Mama, zuständig für unlösbare Probleme, eilte mit einem Babybuch herbei, und las dem irritierten Oscar daraus vor, während Papa seiner Tochter vorlas. Die Regel lautet nämlich: Wenn einer fertig ist mit Vorlesen, dann darf er beim anderen noch zuhören.

Der Plan von Mama war also nicht schlecht: Sie würde Oscar das Babybuch innerhalb von einer Minute vorgelesen haben. Dann könnte Oscar juristisch sauber noch in den Vorlese-Genuss des Vaters kommen und hätte eventuell seine Ansprüche auf ein alleiniges Vorlesen angesichts des seltsamen Babybuches vergessen.

Weit gefehlt: Oscar fand Mama, wie sie das Baby-Buch vorlas, unmöglich. Noch in den kurzen Vortrag hinein, in dem es um einen Tisch und einen Stuhl zum Draufsitzen ging, randalierte der Sohn. Mama endete und wollte zum Siegeszug ansetzen, hier aber bereits ahnend, dass es schief gehen würde.

Und so sagte sie Oscar, dass er nun doch beim Papa zuhören dürfe. Oscar, mittlerweile lila gefärbt, raste vor Wut und brüllte, Mama möge das Kinderbuch nicht vorgelesen haben.

Wir halten inne und analysieren kurz: Es handelt sich um die verneinte Befehlsform in der Vergangenheit. Es war schlicht und ergreifend ein Befehl, die Vergangenheit betreffend, das Buch nicht vorgelesen zu haben, und da hatte Mama das nächste unlösbare Problem zu lösen.

Sie tat es, und nur Papa fand es komisch: Sie blätterte das Baby-Buch von hinten nach vorne durch und las es rückwärts, machte dabei also Geräusche, wie man sie von Klingonen oder sich übergebenden Menschen kennt. Oscar fand seine Mama währenddessen sehr doof.

Sonntag, 18. März 2012

Ein Junge wie ein Fiat

Bevor am Freitag der Frühling kam, nutzten wir die fehlende Wärme dahingehend aus, uns noch einmal antizyklisch zu verhalten. So fuhren wir mit der BVG-Fähre von Wannsee nach Kladow, ehe dies seit Freitag nun auch alle anderen Berliner tun. Die Schifffahrt indes war das Einlösen eines Versprechens.

Als Oscar sich nämlich in der Woche zuvor unsagbar doof benommen hatte (wir berichteten), ehe er sich winselnd in der Familiengemeinschaft zurückmeldete und somit alles auf den Kopf stellte, sah es für Ella zwischenzeitlich so aus, als würde sie mit Mama einen Schiffsausflug machen. Die Enttäuschung über die abermalige Änderung des Tagesprogramms (,die damals allein von den Stimmungen des Bruders abhing), konnte abgefedert werden, indem Ella eine exklusive Schifffahrt mit ihren Eltern versprochen wurde, während Oscar einen Tag bei der Oma verbringen sollte.


Oscars Oma-Besuch war lange im Voraus geplant und wirkte auf unseren Sohn nun auch nicht direkt wie eine Bestrafung und auch Oma konnte nicht glauben, was sie da zuvor über ihren Enkel im Blog lesen musste, fand sie doch einen sehr ausgeglichenen und umgänglichen Jungen vor.

Papa konnte dies nun widerum kaum glauben und erkundigte sich nach Details: Nun. Oscar wurde bei Oma zum Beispiel gefragt, ob er baden möchte. Er sagte "Ja". Oma ließ Wasser in die Wanne. Dann betrat Oscar das Bad und bemerkte, dass er übrigens "nicht baden" wolle. Hier nun setzte Omas sensationelles Erziehungsprogramm ein: Sie ließ das Wasser aus der Wanne, nahm ihren Enkel in den Arm und sagte: "Na dann nicht." - Man kann das "Entspannungspolitik" nennen und abwägen, ob dies der richtige Weg ist oder ob Mama und Papa richtig reagiert hätten, die Oscar in der selben Situation gepackt, ausgezogen und in die Wanne gesetzt hätten.

Währenddessen blieb auch Ella trocken, denn sie turnte lediglich in einer Weise auf der Reling des Schiffes herum, die des Mutters Herz nur mittelschwer rasend machte. Kurz erläuterte die Mutter die möglichen Konsequenzen der Turnerei: Tod durch Ertrinken. Ella war beeindruckt und hielt fortan Abstand. Da ihr aber ungefähr 150 Meter nach dem Verlassen des Hafens in Wannsee unsagbar langweilig war, fiel es der Möhre durchaus nicht leicht, sich angemessen, also zum Beispiel sitzend, auf der Fähre zu verhalten. Trotzdem: Über ihren exklusiven Schiffsausflug hat sie sich dann doch sehr gefreut.

Oscar - der den Tag bei der Oma natürlich auch genoss - ist derzeit im Hochgeschwindigkeitsrausch: Er liebt es, von schnellen Dingen zu erzählen. Dass da ein rotes Auto - irgendein schäbiger Fiat - mal vor ein paar Wochen auf der linken Spur fahrend ein paar andere Wagen überholte, als Oscar Zeuge dieses Spektakels war, hat der Knirps bis heute nicht vergessen. Hier und da muss er noch davon berichten und da ihm die nötigen Vokabeln fehlen, das Wort "schnell" angemessen zu steigern, muss er die Unglaublichkeit der Schnelligkeit des Fiat über die Stimme und Gestik verdeutlichen.

Dazu macht Oscar vor dem Wort "schnell" meist eine Kunstpause und wird danach sehr laut. "so ... SCHNELL!", brüllt Oscar dann mit Fiat-rotem Kopf und setzt noch ein Geräusch hinterher, mit dem andere Jungs Gewehrschüsse imitieren. Es lautet in etwa "PRUUUFFFF" oder auch mal "PROOOFFFFF". Dabei schlägt Oscar noch blitzschnell mit seinem Arm von der Brust zur Seite, was Ella vorhin fast ihr zweites blaues Auge dieser Woche verpasst hätte. Oscar sprach nämlich gerade vom ICE, der "sooo [Pause] SCHNELL" sei.
Als Ella plötzlich hinter ihm auftauchte, setzte Oscar seinen Arm auf die Brust. "PRRROOOOOOFFFF", brüllte Oscar, während Papa den nun nach hinten schnellenden Arm des Sohnes brutal nach oben drückte, damit Ella verfehlt werden würde. Dies glückte. Zuvor allerdings holte sie sich nachts ihr erstes blaues Auge ab.

Sie ging auf Toilette. Lobenswert. Und wollte danach wieder zurück ins eigene Bett. Sehr lobenswert. Dann ein lauter Knall. Ein Weinen. Ella stieß in der Dunkelheit gegen einen Stuhl. Papa war schuld, das war allen sofort klar. Ella verhielt sich tags drauf in der Kita deshalb sehr theatralisch. Augenarzt. Alles in Ordnung. Und zwei Tage später machte Papa ja auch alles wieder gut, als er den Arm des Sohnes so ablenkte, dass dieser Ella verfehlte.

Oscar, unser Geschwindigkeits-Fan, erlebte schließlich in dieser Woche auch noch folgendes: Er war mit seiner Familie bei LIDL, wo er sich eine Gummibärchen-Tüte aussuchte, die sein Vater mittlerweile fast komplett aufgegessen hat und nun morgen nachkaufen muss, um ein furchtbares Gebrüll zu verhindern.
Auf dem Rückweg dann eine klassische Männersituation: Oscar steht mit dem Laufrad an einer roten Ampel.
Neben ihm befindet sich ein anderer Junge. Dieser spricht wahrheitsgemäß zu Oscar: "Du hast ein Laufrad. ICH habe ein Fahrrad." Oscar verstand wohl bereits an dieser Stelle, was zu tun sein würde. Doch der Bengel neben Oscar hörte mit der Provokation nicht auf: "Ich bin schneller als Du!".
So - das war zuviel.

Beim Grand-Prix von Kreuzberg schaltete die Ampel auf Grün. Lauf- und Fahrräder heulten auf und Oscar schnellte wie damals der rote Fiat nach vorne. Gleichzeitig - wir wissen nicht, ob es Fahrtaktik oder mangelnde Kontrolle war - fuhr Oscar üble Schlangenlinien gen andere Straßenseite. Ein Überholmanöver des frechen Fahrrad-Jungen konnte so nur unter größter Gefahr für alle Beteiligten stattfinden. Die Mutter des Bengels rief von hinten aus der Boxengasse deshalb: "Überhol den nicht!!!" - Für Oscar waren dies wohl die entscheidenden Worte. Als erster erreichte er die andere Straßenseite. Laufrad schlägt Fahrrad. So schnell wie der rote Fiat.
Doch was zeigt da das letzte Bild? Der heldenhafte Sieger des Rennens spielt - so gar nicht heroisch - mit dem manisch rosafarbenen Spielzeug seiner Nichte. Ein rosa Pony. Ein rosa Schloss. Eine rosa Kutsche. Mittendrin unser Junge.  













Montag, 12. März 2012

Sinkende Popularität

Die Familie bot ihrer Kreuzberger Nachbarschaft am Sonntag eine unglaubliche Show. Die Eltern von Ella und Oscar spielten darin aber leider nur die Statistenrolle, waren zeitweise absolut macht- und planlos gegen das, was ihre Kinder darboten.
Gegen 10:30 begann das Spektakel: Man wollte man in den Garten fahren - gemeinsam mit den Fahrrädern und dem Kinderanhänger. Oscar aber war etwas ungehalten. Die Erinnerungen an die vielen Wutausbrüche, die wir in den letzten Tagen erleben durften, sind nicht leicht zu sortieren, deshalb sind im nun Folgenden Fehler möglich. Unserer trüben Erinnerung nach ging es in diesem Falle um Zahnpasta.

Es sei, so Oscar wimmernd im Badezimmer, nämlich viel zu wenig Zahnpasta auf seiner Zahnbürste, die man ihm da reichte, drauf, und deshalb konnte sich Oscar nicht die Zähne putzen. Er weinte stattdessen und schimpfte. Irgendwann erhielt er die geforderte mächtige Zahnpastaschicht und putzte sich damit die Zähne, so wie er es immer tut. Indem er nämlich die Zahnpasta frisst und danach noch eine Minute auf der Zahnbürste herumkaut.

Während Ella und Papa zu diesem Zeitpunkt aber bereits unten auf den Rest der Familie warteten und die Räder vorbereiteten, geschahen oben weitere seltsame Dinge. Papa hatte sich in der Recherche zu diesem Blog-Eintrag noch einmal bei der Mutter erkundigt, den genauen Hergang aber auch nicht ganz verstanden. Oscar argumentierte - grob zusammengefasst - recht unlogisch. Als der mittlerweile sogar sehr ungehaltene Oscar unten zu Vater und Schwester stieß, war er nur unvollständig angezogen. Oben gab es wohl zuvor auf Anweisungen Oscars einige An- und Ausziehaktionen, nun also fand sich Oscar ohne Jacke draußen wieder. Die Eltern wollten ihn nun anziehen.

Oscar aber wollte, dass er oben in der Wohnung angezogen wird. Dies jedoch war die Grenze, die er nicht hätte überschreiten sollen, denn die Eltern weigerten sich, diesen Unsinn mitzumachen. Die Situation eskalierte. Oscar schäumte vor Wut.
Er wurde dennoch im Anhänger neben der armen Ella platziert und angeschnallt. Nach etwa 5 Metern musste die Fahrt jedoch abgebrochen werden, da Oscar sich schreiend und tobend bereits so sehr aus der Sitzposition entfernt hatte, dass sein brüllender Kopf vorne aus dem Anhänger hinaushing und puterrot etwa 3 Zentimeter über dem Boden schwebte. So kann man nicht in den Garten fahren. Bei der ersten Bodenwelle, dem ersten Bordstein wäre Oscars schreiendes Gesicht stark beschädigt worden.

Die Eltern blieben einerseits, das war ihnen aus pädagogischen Gründen sehr wichtig, dabei, dass Oscars Wunsch, oben angezogen zu werden, nicht erfüllt würde, wussten nun aber andererseits auch nicht, wohin mit dem Sohn. Nach oben gehen war insofern gefährlich, da Oscar dort - würde man ihn dort irgendwann anziehen - seinen absurden Wunsch erfüllt bekommen hätte. Wenn oben, dann wird da oben auch geblieben.
Nach etwa 30 erbärmlichen Minuten, in denen die Großbeerenstraße unter Oscars furchtbarem Geschrei litt und der nette Konditorladen schon Umsatzeinbußen verbuchte, da Oscar seinen Laden in einen unangenehmen Klangteppich hüllte, trennte sich die Familie: Mama und Ella planten einen eigenen Ausflug und zogen von dannen, Oscar und Papa gingen hoch, wo Oscar weitere 30 Minuten schrie und tobte, jedoch keinen fand, der sich dafür interessierte.

Irgendwann zeigte sich Oscar reuig. Er wollte mit seiner Mutter telefonieren. (Das Gespräch findet sich im Anhang an diesen Eintrag als Video - es endete damit, dass die Familie einen erneuten Versuch startete, in den Garten zu fahren. Zwei Stunden später als geplant stand man dann endlich darin.)

Die Pointe kommt aber noch: Auf der Rückfahrt hatte dann Ella ein Problem. Es ging um Nichtigkeiten. Und so kam die Familie, die zwischen 11:00 und 11:45 Uhr die Großbeerenstr. mit einem schreienden Jungen nervte, gegen 16:45 mit einem schreienden Mädchen zurück. Der Junge ging gut gelaunt vorneweg. Unsere Popularität hier im Kiez hält sich derzeit in Grenzen.

Soviel zum Sonntag. Mama und Papa sind vollkommen platt und freuen sich, dass das Wochenende vorbei ist.
Die Dinge, die zuvor hier passiert sind, sollen nun aber auch kurze Erwähnung finden - schön sind sie größtenteils auch nicht.

Auch am Mittwoch wütete Oscar nämlich und war von seiner Mutter alleine nicht zu transportieren, weshalb der Vater zu Hilfe eilte und noch heute Muskelkater davon hat, dass er seinen schreienden und um sich schlagenden und tretenden Sohn nach Hause tragen musste.
Passiert war es beim Turnen. Dort geschahen furchtbare Dinge. Zum einen hatte Leo-Ben Geburtstag, weshalb er eine Solorunde auf dem tollen Tuch drehen dufte. Als das Jubelkind fertig war, wollte Oscar auch - durfte aber nicht. Mundwinkel unten. Mundwinkel zittern. Contenance wird bewahrt. Knapp.

Später musste Oscar dann erfahrern, dass es nicht wie sonst eine Waffel geben kann, da der Waffelteig alle war. Für Oscar brachen nun mehrere Welten zusammen. Keinen Schritt konnte er mehr tun. Er konnte nur noch weinen und treten.

Nach diesen eher doofen Anekdoten aus unserem derzeit nicht ganz so einfachen Familienleben kommen zum Abschluss wieder die schönen Seiten des Lebens.
So haben die Kinder am Samstagmorgen ganz toll "Grab" gespielt. Dieses schöne und lebensbejahende Spiel geht so, dass man im Elternbett die Bettdecke über die im Bett enthaltenen Eltern zieht und dabei lacht "Das ist jetzt ein Grab" - im Grab wurde auch gekichert. Es ist ein wirklich schönes Spiel.

Und dann war da noch der Samstagmittag. Mama kochte Huhn mit Reis. Papa deckte den Tisch, kippte dabei seinen Kaffee um. Wischen. Ella stützte sich beim anschließenden Essen auf ihren Teller auf. Wie ein Katapult schoss der Teller den darauf liegenden (und recht klebrigen Reis) auf Ella. Ella und der um sie befindliche Quadratmeter versank im Reisregen. Klebrig. Nicht putzbar.

Oscar erkannte nun seine Chance, dem ganzen den Schlusspunkt zuzuführen. Er schleuderte - wohl eher absichtlich - den Reis auf seinem Teller nun ebenfalls durch das total versiffte Esszimmer. Unputzbar. Wir gingen dann alle erstmal spazieren....

Sonst ist aber alles gut.  



Sonntag, 4. März 2012

Kein Kohlenkeller, kein Genozid am Fisch

Am Sonntagabend sahen wir einen durch und durch glücklichen Jungen beim Abendbrottisch. Ein seliger Gesichtsausdruck verriet dem Rest der Familie nämlich unmissverständlich, dass Oscar sehr zufrieden mit diesem Tag war, an welchem ab dem späten Nachmittag mediale Berieselung in Form des lang ersehnten "Fleischbällchen"-Films und danach ein Besuch beim Nachbarjungen im Vordergrund stand.

Oscar verriet - immer noch selig lächelnd - dass beim Nachbarsjungen nicht direkt gespielt wurde, denn alle anwesenden Kinder zogen es vor, sich von der Playstation-Kamera filmen und auf dem Fernseher abbilden zu lassen. Man mag die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, vor allem, wer wie wir tags zuvor einen Experten für irgendetwas im BR-Fernsehen (!) gesehen hat, der sinngemäß die steile These zum besten gab, der pädagogische Nutzen des Fernsehens für die Kinder sei damit vergleichbar, das Kind in einen Kohlenkeller einzusperren.

Nun besitzen wir keinen Kohlenkeller, vermuten aber mal, dass Oscars Gesicht beim heutigen Abendbrot weitaus grimmiger gewesen wäre, wenn wir den BR ernst genommen und Oscar zu ein paar schwarzen Briketts gesperrt hätten.
Gut ist der Nachmittag aus pädagogischer Sicht sicher trotzdem nicht gelaufen, aber dass Oscar trotz Fleischwurst im Mund schon so tolle Sachen sagen kann wie "Für Ella war der Film ein bisschen gruselig. Aber für mich nicht" hätten wir ohne den "Fleischbällchen"-Film, den Papa innerhalb von wenigen Stunden den Kindern erst versprochen, dann aufgenommen, dann unglaublicher Weise aus Versehen gelöscht und schließlich aus der Videothek ausgeliehen hatte, nicht gewusst. Und wirklich: Das gemeinsame faule Sonntagereignis genossen Oscar und Mama auf den Fernseher blickend und der Vater zum großen Teil schlafend, während Ella hier und da in Panik verfiel. Gott weiß, warum...

Bevor aber die wütende Leserschaft große Eimer der Wut über uns ausgießt, weil wir so doofe Eltern sind, müssen wir vom Wochenende berichten, wie es sich gestaltete, bevor der Fernseher bei uns und beim Nachbarn angeknipst wurde: Hochgradig vorbildlich verbrachten wir nämlich die schönen ersten Märzstunden draußen, eröffneten quasi die Gartensaison, indem wir dort alles aus dem Winterschlaf holten. 
Mama und Papa stutzten Bäume, Ella und Oscar sammelten Äste ein und überschätzten schließlich die Temperaturen, als sie den Einsatz diverser Wasser-Spritz-Attraktionen forderten.

Am Sonntagmorgen fuhr die gesamte Familie raus zum Schlachtensee. Etwa eine weitere Million Berliner verfolgte den gleichen Plan und so gestaltete sich die Fahrrad- (Ella), beziehungsweise Laufradfahrt (Oscar) um den See als recht ereignisreich. Fußgänger wurden mal mehr, mal weniger erfolgreich umkurvt und Jogger mit Hunden aufgrund überraschender Fahrmanöver teilweise zum Stehen gebracht. Rund 200 Meter dahinter hechelten strammen Schrittes die Eltern um den See, irgendwie froh, nicht unbedingt direkt mit den progressiven Zweiradfahrern vor ihnen in Verbindung gebracht zu werden.

Oscar läutete dann stinkend den Rückweg ein. Man nahm Platz in der U-Bahn, die in vier Minuten losfahren sollte. Man war allein. Und man stank. 
Die Mama sah nachdenklich aus. Sie wog ab, wie voll der Zug noch würde und wie sich Oscars Gestank auch dank der Sitzheizung weiterentwickeln würde. Es waren noch zwei Minuten bis zur Abfahrt. Dann die Entscheidung: Oscar sollte "schnell noch gewickelt werden". Gesagt, getan. 
Nun, als die Windel geöffnet wurde, entfaltete sich der Geruch natürlich ganz besonders eindrucksvoll. Das hätte bis zum Umstieg in Wilmersdorf nicht zurückgehalten werden können, da hatte Mama Recht. Das musste sofort alles raus aus dem Waggon. 
Unglücklicherweise stiegen in diesem Moment vier Mädchen ein. Alters- und entwicklungstechnisch grob der siebten Klasse zuzuordnen, begannen sie das zu tun, was Mädchen in der siebten Klasse am besten können: Kichern, glucksen und alles "voll krass" finden. So saßen sie dann am anderen Ende des Waggons, hielten sich die Nase zu und kicherten und glucksten und fanden das alles "voll krass". Oscar ließ sich derweil recht unbeeindruckt wickeln. Mama schmiss Papa die Windel schließlich zu. Dieser rannte daraufhin schnell zum Mülleimer des U-Bahnhofes und stürzte eine Zehntelsekunde vor Abfahrt wieder in den Zug. Eine Station später wechselten die Kicher-Mädels den Waggon. Der Geruch verschwand durch die von den kichernden Mädchen geöffnete Tür. In unserem Waggon war fortan alles super.

Ella, die später Tierpflegerin im Zoo werden will, erkundigte sich abends noch nach den Fischen, die die Pinguine bekommen. Mit bestürztem Interesse verstand Ella, dass die gesamte Situation für die Fische, wie sie sich ausdrückte, "nicht so schön" sei. Recht hat sie. Und dann äußerte Ella einen wilden Abschlussgedanken des heutigen Tages, der Grundzüge der kohlhas'schen Gerechtigkeit zeigt: "Wenn die Fische sterben müssen, dann müssen die anderen Fische, also alle, auch sterben, weil das ist sonst ungerecht."

Papa argumentierte mit der Notwendigekeit der Arterhaltung und musste danach zum Glück keine weiteren Fragen zur Fortpflanzung der Fische beantworten, denn das Mädchen, das eben noch den Genozid am Fische ersonnen hatte, ging zu Bette.