Sonntag, 30. Januar 2011

Zweijährig ungut frühstücken

Es gibt sie noch, die großen Männer-Themen: zum Beispiel Friseur-Besuche.

Oscars Mama scheiterte jedenfalls kläglich beim jüngsten gemischtgeschlechtlichen Friseurbesuch. Oscar wandt sich energisch und gebrauchte ungefähr ein Fünfzehntel seines Wortschatzes, indem er "Neeeiiiin" schreiend allen Beteiligten verdeutlichte, dass er den Frisiersalon mit exakt dem unförmigen Schopf verlassen würde, mit dem er ihn betreten hat.

Ein paar Tage später verkündete der Vater: "Ich hol jetzt Oscar aus der Kita und dann geht er zum Friseur." Mama grinste ihren Mann an, wie man die Leute angrinst, die sagen: "Ich gehe jetzt Lotto spielen und gewinne eine Million".

Papa griff sich den haarigen Sohn aus der bunten Kinderschar und sprach entschlossen: "Oscar, Haare schneiden, ne?". Oscar nickte beeindruckt. Papa imitierte dann noch mit zwei schnappenden Fingern das Friseurhandwerk. Oscar verstand. Schnipp Schnapp. Und: Er war einverstanden.

Forschen Schrittes gingen die Männer in den Salon. "Oscar wird morgen zwei und soll dann bitte irgendwie vernünftig aussehen". Die Friseurin machte sich ans Werk, schimpfte Papa, der Oscars Pony jüngst vorsichtig anglich, heftig aus, bildhauerte schlussendlich aber tatsächlich einen richtigen Jungen aus dem haarigen Rohmaterial.

"Es ist ein Junge!", riefen Papa und die Friseurin entzückt. Im Folgendem bekam Oscar viel Lob für seine neue Frisur. Nur Mama - wir scrollen nach oben, die beim Friseurbesuch leider scheiterte - jammert aus psychologisch nachvollziehbaren Gründen. Oscar, so die Mama, habe so eine tolle Frisur gehabt. Fakt aber ist, dass an diesem Satz nicht ein Wort stimmt. Vor allem nicht das Wort "Frisur".

Einen Tag später wurde der frisierte Knirps zwei. Sprachlos - sagen wir bei Oscar lieber: tonlos - betrat der Jubilar das Festzimmer. Kerzen auspusten. Geschenke auspacken. Alles kein Problem. Wer im Winter Geburtstag hat, der weiß aus der Weihnachtszeit noch sehr gut, wie das alles funktioniert.

Ella fand den Tag trotz eigener Neben-Bescherung doof. Dies war im letzten Jahr so, und dies wird immer so sein. Geschwister-Geburtstage sind die Hölle.
Ella war negativ gestimmt. Sie erhielt als "Geschwisterkind des Jubelkindes" ein Bandolino namens "Das kann ich mit 5". Bandolinos stellen unzählige Fragen, auf die das Bandolino spielende Kind mit Wollfaden zu antworten hat. Ella schimpfte irgendwann: "Das ist furchtbar leicht!" - Ein Satz, den sie sich für die ersten Schuljahre merken sollte. Laut und deutlich in Stillarbeitsphasen artikuliert, bringt er minder intelligente Mitschüler und überforderte Referendare zur Weißglut.

Am Wochenende feierte fast die komplette lebende Ahnentafel des Zweijährigen den Geburtstag nach. Noch unglaublichere Geschenke drückte man dem Spross in die Hand und sogar Oma und Opa aus Bergkamen wurden eingeflogen.
Am folgenden Sonntag frühstückte man nobel im Oma-und-Opa-Hotel.

Im Frühstückssaal des Hauses herrschte knuspernde Stille. Dort raschelte eine Tageszeitung, hier biss jemand in ein Knäckebrot. Hotel-Frühstück eben.

Dann öffnete sich die Tür. Ella und Oscar sprangen in den Raum und artikulierten lautstark ihre Sinneseindrücke vom Frühstücksbuffet.
Ella spielte fortan Kellnerin und Oscar schaffte es leider nicht, so richtig zu frühstücken, denn auf dem Buffet stand - man hätte den Hotel-Chef backpfeifen mögen - eine riesige Schale Süßigkeiten.
Oscars Frühstück bestand am heutigen Tag somit aus drei besonders festen Karamelbonbons, einem Keks, einer Packung Maoam und einem fotografisch dokumentierten Biss in ein Croissant.

Vielleicht darf man den Hotel-Chef auch nicht voreilig backpfeifen. Eventuell steckt Kalkül hinter seiner Süßigkeiten-Schale. Als Oscars Mund nämlich unter größter Anstrengung die besonders klebrigen Karamelbonbons bearbeitete, da war ein Unruheherd des vormals so friedlichen Hotel-Frühstücks zum Schweigen gebracht. In diesem Moment wirbelte lediglich Ella durch den Raum, um sich im Minutentakt ein Stück Honigmelone zu holen und dieses auf der Stelle zu verschlingen und auch Cousin Rufus hatte für einen dreimonatigen Menschen schon erstaunlich schlechte Laune, die er laut in den Saal trompetete. Aber Oscar war ruhig. Für die Dauer eines Bonbons.

Sonntag, 23. Januar 2011

Johnny Mathieu will "Ma Tee"

Als am vergangenen Sonntag der Blog schon längst getippt und der "Tatort" gesehen war, da hörte man es aus dem elterlichen Schlafzimmer genüsslich knuspern.
Mama schlich aus dem Wohnzimmer ins Arbeitszimmer, in welchem der Papa durchs Internet glitt und sprach, auf das Knuspern im Schlafzimmer deutend: "Sieh dir das an!"

Es war 23:30. Oscar saß Lebkuchen kauend auf dem Bett und war hoch zufrieden mit dieser Situation. Mama und Papa ließen ihn gewähren, warteten also noch ein paar Minuten, bis der Herr zu Ende gespeist hatte und legten sich dann mit Oscar ins Bett. Die Lebkuchen müssen jetzt sowieso irgendwann mal weg. Oscar hat vollkommen Recht.

So wie wir am Sonntag dann also zunächst zu dritt und später in der Nacht dann zu viert im Bett schliefen, läuft es ja meistens. Und doch ist mal wieder die leise Hoffnung auf Besserung in Sicht, denn erneute strukturelle Reformen zeigen erste gute Schlaf-Ergebnisse.

Ella und Oscar schlafen derzeit mal wieder zu zweit in der Höhle, also unter Ellas Bett, ein. Das, was vor Monaten noch kläglich scheiterte, funktioniert jetzt ganz gut. Vereinzelte Beschwerden in Form eines verzweifelt neben der Matratze sitzenden Oscars kommen nur, wenn Ella mal wieder derart kompliziert im Bette liegt, dass sie 85-90 % der Matratze für sich in Anspruch nimmt. Lösbar ist das aber auch, indem man die stets so tief wie ein Narkose-Patient schlafende Ella einfach mit beherzten Handgriffen in eine ökonomischere Haltung knetet und Oscar dann die klaffende Lücke auf der Matratze anbietet.

Auch beim Frühstück gab es ähnliche Veränderungen: Nachdem kein einziges Frühstück der letzten 14 Tage ohne von hampelnden Kindern umgeschmissene Saftbecher oder angeforderte und dann nicht verspeiste Brot-Arrangements ablief, wollten die Eltern mit der Art und Weise, in der ihre Kinder frühstücken, nichts mehr zu tun haben.
Mama und Papa saßen am Samstag daher am Wohnzimmertisch und lasen Zeitung, während Ella und Oscar am eigens eingerichteten Kindertisch ihr Frühstück in vorgefertigten Häppchen zu sich nahmen. Alle vier Familienmitglieder waren damit hochzufrieden. Ella erzählt nun bei jeder Mahlzeit vom neuen "Häppchen"-Stil, kann sich aber bislang das entscheinde Wort nicht merken. "Mama, gibt es dann wieder Mäpfchen?" Auch von Mämpfchen wurde schon gesprochen... Eigentlich ein sehr passender Begriff.

Nur unterbrochen von den in erstaunlich kurzen Abständen zu hörenden "Ma Teee" - Rufen Oscars, die Ella lautlich übernimmt und deshalb auch in Oscars seltsamer Sprache "Ma Tee" einfordert, waren die Frühstücke des Samstags und des Sonntags vielleicht die besten seit Ella Geburt.

"Ma Tee" heißt übrigens "Mehr Saft." Da Oscars Becher aber immer nur zu einem Drittel mit "Tee" (= Saft) gefüllt werden darf, weil Oscar Becher, die mehr Inhalt haben, vor Schreck umschmeißt und zwar immer, muss dem dürstenden Sohn dann aber wirklich recht häufig nachgeschenkt werden. Wir wollen nicht übertreiben, aber pro Mahlzeit gibt es etwa 12 - 15 Eingießungen. Wenn Ella erkennt, dass die Eltern das ewige Nachgießen doof finden, dann legt auch sie - die Getränke nur wiederwillig zu sich nimmt - los und simuliert Durst. Die Folge ist, dass das Elternteil, das unglücklicher Weise die "Ma Tee"-Kanne in Händen hält, diese so schnell nicht mehr los wird, weil alle 10 Sekunden eines der Kinder "Ma Tee" schreit und gierig mit dem staubtrockenen Becher wedelt.

Am Samstag ging die Familie in den Zoo. Und weil Papa, ein großer Freund von Rundum-Sorglos-Paketen, gleich ein Jahresticket für die Familie kaufte, nachdem er feststellte, dass die dazugehörige Zornesfalte der Mutter nicht lange schwoll, weil die Familie nun also nach Lust und Laune in den Zoo gehen kann, gingen Papa und Ella am Sonntag gleich nochmal um ein paar zoologische Bonmots (Nilpferde, Zebras, Wölfe) nachzuholen, die man tags zuvor ausließ.

Tags zuvor war auch Oscar dabei und Oscar ist leidenschaftlicher Elefanten-Fan ("Kreua"). Tierführer Oscar berichtete also schließlich der Familie kenntnisreich aus der Welt der Elefanten. "Kreua! Kreua" Kreua!", sagte er, fuchtelte mit den Armen und deutete aufgeregt auf die hinter ihm stehenden Dickhäuter.

Zuvor allerdings musste Oscar zwecks Erstellen seiner persönlichen Zoo-Jahreskarte fotografiert werden. Man zog ihm die Mütze vom Kopf, und stellte erst beim Anblick des Fotos fest, dass Oscars Frisur einen neuerlichen Tiefpunkt erreicht hat. Papa will Oscar daher morgen zum Friseur schleppen - schließlich wird der Junge am Dienstag 2 und soll zum Jubelfeste nicht aussehen wie Mireille Mathieu.

"Johnny Depp", sagte dagegen Mama. "Oscar sieht aus wie Johnny Depp in diesem 'Schokoladenfabrik-Film'". Johnny Depp, so der Vater, sehe in nämlichen Film aber nun mal leider aus wie Mireille Mathieu, der Spatz von Avignon. Der Friseur, so der elterliche Kompromiss, solle aus unserem Johnny Mathieu einen Brad Pitt machen. Wir sind gespannt, ob Johnny Mathieu dies zulassen wird.

Sonntag, 16. Januar 2011

Rot. Gelb. Blau. Bunt.

In der Kita von Ella und Oscar war die Hölle los: Man feierte die "Farben-Woche". Am Montag wurde sich besprochen, am Dienstag sollten alle Kinder rot gekleidet erscheinen, am Mittwoch gelb und am Donnerstag blau. Der Freitag wurde als Lieblingsfarben-Tag auserkoren, sodass fast alle Kinder wieder in rot zur Kita gingen. Nur Ella nicht - die wählte als Lieblingsfarbe "Bunt" und ließ es optisch so richtig krachen.

Beide, Ella und Oscar, nahmen auf ihre Weise die Farbenwoche sehr ernst. Ella beispielsweise sagte, dass wir am Donnerstag unbedingt die Marmelade und das Pflaumenmus auf den Frühstückstisch stellen müssten, denn schließlich sei am Donnerstag ja "Blauer Tag". Unnötig war diese Anweisung. Denn obwohl beim Familienfrühstück nur etwa halbjährig jemand mal nach der Marmelade oder dem Pflaumenmus greift, stehen beide Artikel täglich auf dem Tisch. Natürlich auch am sagenumwobenen "Blauen Tag".

Bei Oscar dagegen kamen die pädagogischen Ziele der Farben-Woche so richtig zur Geltung. Oscar, der momentan in seiner Freizeit das literarische Werk "Mondbär und die Farben" durcharbeitet, zeigte sich besonders gut darin, loszuflitzen und mit blauen Dingen (Autos oder Legosteinen) zurückzukommen, wenn man zu ihm sprach: "Oscar, hol mal etwas Blaues."

Der elterliche Hintergedanke dieser Aufforderung, dies weiß, wer selber mindestens zwei Kinder hat, war, einmal ein paar Momente der Ruhe in der Küche zu finden. Papa forderte den Sohn also auf, etwas Blaues zu holen, dieser flitzte mitsamt seiner Schwester durch die glücklicher Weise sehr lange Wohnung und erschien exakt dann wieder, wenn Mama und Papa einen Satz wechseln konnten. Die Kinder liefen sich fortan aber in einen Rausch und holten noch viel buntere und größere Dinge aus dem Kinderzimmer. Die Eltern nutzten die kurze Phase der Freiheit und konnten sich vielleicht sogar drei bis vier Minuten unterhalten. Dann erst stellten sie fest, dass sie das Spiel der Kinder unterbinden müssen. Parkhäuser, Stofftiere, Autos und Bücher schnitten den Weg aus der Küche in der Rest der Wohnung bereits ab. Oscar fand die Farbenwoche also richtig gut.

Nachmittags des "Blauen Tages" zeigten sich die blau gekleideten Kinder technisch interessiert und die Eltern diese Interessen fördernd:
"Oscar sitzt an deinem Laptop und hämmert auf die Tasten", sagte der Vater zur Mutter, worauf dieser die etwas überraschende Antwort erhielt: "Ich hab ihm nur Word angemacht." Kurze Zeit später fragte Ella den Vater: "Darf ich deinen PC ausmachen?" - Antwort: "Ja."
Danach war alles durcheinander. Das Bild von Mamas Laptop stand auf dem Kopf. Die Festplatte von Papas PC war kaputt.
Recherchen, geführt mit dem auf dem Kopf stehenden Laptop der Mutter, ergaben, dass Oscar die Tastenkombination "Strg" + "Alt" +"Pfeil" gedrückt haben musste, was das Bild des Monitors lustig rotieren lässt. Schön, dies auch mal zu erfahren.
Als das Bild wieder in die rechte Postition gerückt wurde, betrachteten wir Oscars übriges Werk: Die "Eigenen Dateien" nannte Oscar um. Sie heißen jetzt "iiiiiiiiih". Auch der Name "Arbeitsplatz" war Oscar nicht quietschend genug. Dieser hört nun auf den Namen "iiiiiiiiih(1)". Vielleicht sollte man das Kind doch noch nicht unbeaufsichtigt mit dem Programm Word arbeiten lassen.

Ella dagegen schaltete den PC des Vaters wohl ganz besonders zärtlich ab: nämlich mit einem Klick auf die Hauptsteckdose. Das Kabel der Festplatte hat den Schock leider nicht überlebt. Morgen kommt per Post ein neues und da der Mindestbestellwert noch nicht erreicht war, packte Mama noch ein Buch für Ella und ein Buch für Oscar mit in die Bestellung.
Morgen gibt es also Geschenke. Eine Belohnung. Weil unsere Kinder wieder mal alles falsch gemacht haben.

Damit wir später, wenn wir einen hoffentlich sprechenden Sohn haben, die minimalen Fortschritte des Sprachzentrums von Oscar auch detailliert rekapitulieren können, sei hiermit erneut darauf hingewiesen, dass rund 25% von Oscars Äußerungen darauf verwendet werden, anderen Menschen Elefanten zu zeigen. Oscar sagt natürlich nicht Elefant, sondern eigentlich "Töröö". Da er aber "Töröö" nicht sagen kann, weil wir nur Kinder können, die "K" statt "T" sagen, ruft Oscar immer "Kreua", wenn er Elefant sagen will. Wir wissen das und können entsprechend antworten.
Oscar: "Kreua"
Ella, Mama, Papa: "Wo ist ein Kreua?"
Oscar (auf einen Elefanten zeigend): "Da!"
Mithörende Passanten: "???"

Zum Abschluss sei von einer psychologischen Methode erzählt, die vor etwa 2 Wochen eingeführt und gestern Nacht für immer abgeschafft wurde.
Ella - so sah es die psychologische Methode vor - solle immer dann eine Perle erhalten, wenn sie eine Nacht in ihrem Bettchen durchgeschlafen hat. Wenn sie 5 Perlen beisammen hat, dann darf sie diese eintauschen gegen eine Nacht mit Papa im Arbeitszimmer, was für Ella das größtmögliche irdische Glück darstellt.

Als Ella bereits 4 Perlen beisammen hatte, peitschte sie des Nachts ein Weinkrampf. Erst nach 30 Minuten kamen die investigativ ermittelnden Eltern auf den Kern des Kummers: Man will jetzt unbedingt im Arbeitszimmerm mit Papa sein und hat sich durch diese große Sehnsucht gerade um die fünfte Perle gebracht.
Und auch gestern - die Belohnungsnacht war vorbei - Ellas aktueller Perlen-Bestand auf "Null" geschrumpft, da weinte sie des Nachts wieder ganz furchtbar. Erst spät konnte sie uns erzählen, dass sie ins Arbeitszimmer will, diesmal mit Mama.

Oscar fand die Idee übrigens richtig doof. Eine Nacht neben Papa ist für ihn die Hölle. Eingeschnappt schlief er ein und wachte zum Glück erst am Sonntagmorgen um 8:00 wieder auf. Dann latschte er zu Mama.

Ella und Papa lassen das jetzt mit den blöden Perlen. Ab jetzt heißt es wieder jeden Donnerstag "Ella und Papa - Nacht" im Arbeitszimmer.

Sonntag, 9. Januar 2011

Knut feiern

Die Weihnachtszeit endete mit einem Paukenschlag, einem absolut bestaunenswerten Ereignis, das ein schwedisches Möbelhaus als "Knut" in die für jeden Spaß zu habende deutsche Bevölkerung brachte.

Eingeladen wurde eine Familie, die das Privileg, in einer Höhe von rund 10 Metern zu wohnen, nicht genießt. Die Familie reiste an, stellte die Kinder neben Ella und Oscar ans Fenster und sah zu, wie am Nachbarfenster der Vater von Ella und Oscar den Weihnachtsbaum in die Tiefe warf. Unten passte Mama auf, dass kein Passant vom herabstürzenden Ex-Weihnachtsbaum erschlagen wird.

Die Kinderschar war beeindruckt. Als Mama dann wieder nach oben kam, versuchte Oscar mit seinem erbärmlichen Wortschatz von der Ungeheuerlichkeit zu berichten. "Da... da...Baum." Ein Fingerdeut noch auf das Fenster, das musste reichen. Mama war informiert.

Man lud die besagte Gastfamilie an diesem Sonntag natürlich nicht nur ein, um gemeinsam "Knut" zu feiern, sondern um einem mitunter auch sehr anstrengenden Tag zu viert zu entgehen. Zunächst stand die Idee "Zoobesuch" im Raum, doch Ella, Königin der Faulheit, wollte keinen Ausflug machen. Selbst ein verzweifelt vorgeschlagener Spaziergang durch die Bergmannstraße war Ella zu viel und so bestellte man einfach eine weitere Familie in die Wohnung, um gemeinsam Kuchen zu essen und sich daran zu erfreuen, wie 4 Kinder miteinander spielen und die Erwachsenen einfach mal in Ruhe lassen.

Problem 1) Der Kuchen.
Auf dem Weg zum Bäcker hatte Papa noch alles im Griff. Ella und Oscar stapften mit, hüpften durch die Pfützen und waren guter Dinge. Die freundliche Bäckerin reichte Papa zwei Tüten voll mit Gebäck und ein Geschenk für die Kinder. Damit begann das Übel.
Da Oscar zu klein war, um von der Bäckerin wahrgenommen zu werden, schenkte sie den anwesenden Familienmitgleidern insgesamt ein Minigebäck. Ella stand schon in der Tür, Papa nahm das Minigebäck an sich.
Oscar erblickte das Gebäck instinktiv so, wie ein Löwe eine Zebraherde erblickt. Oscars Hand schnellte nach oben. Papa, der mit den zwei Tüten voll Kuchen und dem Minigebäck ohnehin überfordert war, war froh über den Abnehmer. Ella schrie nicht zu Unrecht, dass es sich aber um ihr Gebäck handele, schließlich blickte die freundliche Bäckerin ja ihr in die Augen, weil sie Oscar überhaupt nicht sehen konnte, der voller Hunger vor dem Tresen stand.
Papa löste das Problem, indem er das Gebäck teilte. Seltsamer Weise brach daraufhin kein Kind in Tränen aus, vielmehr stellte Ella ohne Gebrüll nur kurz fest: "Oh, Apfelfüllung - mag ich nicht", weshalb Oscar nun mit einer halben Mini-Apfeltasche starmmen Schrittes auf die rote Ampel zulief, während Papa Ella eine Kuchentüte zum Tragen gab und mit einer weiteren Kuchentüte und einer halben tropfenden Apfeltasche dem Sohn hinterherrannte.
Als es grün wurde, gelang es dem Vater zwar, Oscars Hand zu ergreifen, doch sah sich Oscar dadurch leider seiner Freiheit als Fußgänger beraubt, weshalb er sich losriss und provozierend langsam über die Straße spazierte.

Papa griff mit der Apfeltaschenhand nach seinem Sohn, zog ihn über die Straße. Oscar wurde sauer. Endlich erreichte Oscar die andere Straßenseite, wo er zu seiner Rache ausholte: Er blockierte den gehandicapten Vater, sodass dieser weiterhin auf der Fahrbahn stand. Erst nach quälend langen Sekunden gelang es dem Vater, den Windelhintern seines Sohnes so weit nach vorne zu schubsen, dass auch er wieder auf den Bürgersteig gehen konnte. Es ist wohl überflüssig zu erwähnen, dass Oscar den Rest des Weges über schrie und mit strampelnden Beinen seinen Vater sekündlich mehrfach in die Schenkel trat, während er vom fluchenden Erzeuger in die Wohnung getragen wurde.

Dort feierte man dann Knut.

Problem 2) Anhängliche Kinder
Im Kinderzimmer war die Hölle los. Die Holzeisenbahn war aufgebaut, das Trampolin stand bereit, Stifte und Papier waren zuhauf vorhanden. Nur die Kinder fehlten. Alle zogen und zerrten an den Erwachsenen, die sich dreist weiter unterhielten. Es ist die Routine junger Eltern, die sie auch bei unwürdigsten Bedingungen noch Gespräche führen lässt. Man hätte den Nachmittag inmitten eines Schimpansenkäfigs wohl auch durchgestanden.

Im Übrigen ist es vor allem Ella, die in letzter Zeit zu verstärkter Anhänglichkeit neigt. Dies geht so weit, dass Ellas Papa keinen Schritt tun kann, ohne das Ella ihm wie ein Schatten folgt. Hier und da baumelt sie auch gerne mal an Armen oder Beinen der Eltern.

Am Samstag wurde Ellas Bastelstation "Moppe" bemalt.
Moppe ist - wie das Fest Knut - die Geburt eines schwedischen Möbelhauses, mittlerweile aber nicht mehr im Verkauf. So wurde Ella die Herrschaft über eine seit langem in Familienbesitz befindliche Moppe überlassen. Moppe - so das elterliche Angebot - dürfe auch lackiert werden.

Ella und Papa holten die Lacke und griffen dabei beherzt nach einer Sorte, die die Mama zornig machte. Und richtig - vorübergehend wussten Ella und Papa nicht, ob sie ihre Hände je wieder sauber kriegen würden. Ella lernte viel an diesem Nachmittag, zum Beispiel, was Spiritus ist.
Oscar lernte, dass eine ausgebreitete Schutzfolie keine Turnmatte ist.
Als Oscar nämlich die etwa 0,05 mm dicke Folie erblickte, da stürzte er sich voller Freude drauf und war im wahrsten Sinne des Wortes erschüttert darüber, dass die Folie seinen Sturz nicht nennenswert bremste.

Ella - dies zum Abschluss - hat mal wieder Großartiges geleistet: Sie ließ sich von Mama verraten, wie man "Jahr" schreibt, nahm sich ein Blatt und schrieb unfassbarer Weise folgendes darauf: "Nojnjahr 2011" - die anwesende Grundschullehrerin bestätigte, dass ihre Viertklässler das Wort "Neujahr" auch in etwa so schreiben würden...

Sonntag, 2. Januar 2011

Vom Bildhauen und Zapfen

Bevor die werte Leserschaft erzürnt fragt, wer denn der Junge mit der hohen Stirn sei, müssen wir erwähnen, dass der überaus haarige Oscar, der mit uns Weihnachten feierte, nun doch bereit war, sich die Haare schneiden zu lassen.

Mama und Ella waren außer Haus, als es geschah. Papa versuchte, seinem Sohn in die Augen zu blicken, schaffte dies aber aufgrund des blonden Vorhangs nicht, der schlaff vor etwa 80% von Oscars Gesicht hing.

Im Wissen um a) die mangelnden Frisier-Fertigkeiten des Vaters und um b) die Panik des Sohnes vor schnappenden Frisier-Scheren stellte Papa dem blonden Büschel die Frage "Soll ich dir die Haare schneiden?", woraufhin irgendjemand hinter den Haaren "ja" sagte.

Papa zückte die Schere, griff in den Pony und schnibbelte. "Oha", dachte er nach dem ersten Schnitt, "das war aber hoch angesetzt." Der asymmetrisch frisierte Sohn strahlte. Offenbar reichte die Laune für ein paar Korrektur-Schnitte.
Oscar ließ alles über sich ergehen und nachdem der Vater hier und da anzugleichen versuchte, was er zuvor so deutlich zu viel abschnitt, konnte Oscar wieder gut gucken. Seine verkaterte Mutter sprach tags drauf etwas von "Rock'n'Roll-Frisur", was Vater und Sohn als Kompliment aufnahmen. Oscar hat hinten noch seine Matte und vorne freie Sicht. Vielleicht sahen Rock'n'Roller irgendwann einmal so aus, als Oscars Mama, die morgen schon 34 Jahre alt wird, jung war.

Ob nun langhaarig oder frisiert, Oscar liebt weiterhin Elefanten. Diese Zuneigung nimmt nun allerdings etwas seltsame und für einen knapp 2jährigen recht kreative Züge an: Oscar bildhauert Elefanten aus Brot.
Er greift sich dazu sein Abendbrot oder Frühstück (, das aber auch "aaaambrooo" heißt) und beißt so lange um einen Elefanten, den nur er sehen kann, herum, bis er der Meinung ist, nun müssten auch die weniger kunstbegabten Familienmitglieder am Tische diesen erkennen. Oscar hält dann die Brotscheibe empor und schreit laut "Töröö!". Mutter, Vater und große Schwester kneifen die Augen zusammen und erkennen dann tatsächlich statt eines profanen Bisses im Brot einen Elefantenkopf mit Rüssel. Der Künstler hält noch kurz inne, ehe der Elefantenkopf im Kindermund endgültig verschwindet.

Wo wir beim Thema "Aaaambroooo" sind, müssen wir der Weltöffentlichkeit noch dringend ein Rezept verraten, welches hier seit Wochen täglich die Mahlzeiten bereichert: Toast Tricolor.
Man bestreiche Brot hierzu einfach nur den strengen Anweisungen unseres Sohnes entsprechend, nämlich mit einem dicken Streifen Tartex, gefolgt von einem Streifen Teewurst und einem Streifen Leberwurst. Dieses braun-rosa-lila-farbene Festessen begleitet uns nun schon den gesamten Winter und die Bezeichnung "Toast Tricolor" hat sich in unseren Wortschatz gemeißelt, sodass auch Ella morgens mit einer Selbstverständlichkeit den "Toast Tricolor" bestellt, die ihr in fremder Umgebung demnächst vielleicht Schwierigkeiten bereiten könnte.

Diese fremde Umgebung wurde zwecks Jahreswechelfeierlichkeiten in dieser Woche aufgesucht. Die Familie bereiste Dresden, Heimat der kleinen Carla und des noch kleineren Curt. Zum Frühstück ("Aaaambrooo") fehlte, wie man das vom Osten so kennt, einiges, was der Hauptstädter für seinen "Toast Tricolor" so braucht, nämlich Teewurst und Tartex. Doch kein Problem: Wer Elefanten aus Brot baut, der kann improvisieren. Und so griff sich Oscar die Leberwurst, an deren Öffnung er im Übrigen nuckelte wie an einem Wassereis, als er mit dieser alleine gelassen wurde, und erfand per Fingerdeut ein neues Rezept, das sich bislang noch nicht so recht in unsere Herzen gespielt hat: Er verlangte sein Brot halb mit Leberwurst und halb mit Nutella bestrichen. Würgend befolgte Papa den Befehl.
Es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis Oscar zu Hause die Möglichkeit entdeckt, den "Toast 4 Jahreszeiten" zu komponieren. Das wäre dann "Toast Tricolor" ergänzt um Nutella.

Der Jahreswechsel wurde in Dresden dennoch zu einem vollen Erfolg. Neben den gastgebenden Kindern Carla und Curt reisten aus Magdeburg noch Ela Maya an, mit der Ella nun schon das dritte Mal Silvester feierte, und die Herren Til und Severin.
Severin, deutlich jünger als Oscar, hat den Wortschatz eines 5jährigen, kann dafür aber nicht klettern, wie die Eltern berichteten um uns zu trösten. Oscar dagegen klettert wie ein 5jähriger, kann aber - oben angekommen - nur "Aaambrooo" sagen...

Sprechfähigkeit hin oder her, Oscar und Severin hatten oft ordentlich Ärger miteinander. Der Grund war Carlas Spielzeug, von dem beide Herren stets dachten, es wäre ihres.
Während die Kerle so stritten, fand Ella dann spät nachts ihre Bestimmung.

Ella zapfte Kölsch.

Da dieses Gebräu aus kleinen Reagenzgläsern getrunken wird, gab es eigentlich immer jemanden in der Runde, dessen Reagenzglas gerade leer war. Dieser Jemand konnte getrost sitzen bleiben, denn Ella wusste irgendwann, wie so ein Zapfhahn funktioniert und so zapfte sie des Nachts artig Bier, während Oscar und Severin ausdiskutierten, wem das Bobbycar zusteht und auch bei den anderen Mädels hier und da die Fetzen flogen.