Sonntag, 27. Februar 2011

Zum Beispiel das Verprügeltwerden

Papa weiß nicht genau, wie viele Frauen auf dieser Welt alles dafür geben würden, eine Nacht mit ihm in seinem neuerdings relativ gut aufgeräumten Arbeitszimmer zu verbringen. Sonderlich viele dürften es nicht sein, aber von einer jungen Dame ist genau dieses bekannt.

Ella, so war der Brauch bis vor ein paar Wochen, durfte stets von Donnerstag zu Freitag im Arbeitszimmer schlafen. Das beste daran war aus Ellas Sicht natürlich, dass Papa irgendwann immer dazu kroch um sich gemeinsam mit ihr durch die Nacht zu schnarchen und zu grunzen. Donnerstage waren für Ella deshalb die Könige der Woche.
"Was ist, wenn das Planetarium keine Karten mehr für uns hat", fragte Papa sein Töchterchen an einem Donnerstag. Und was antwortete dieses Töchterchen? "Papa", sprach es, "Du weißt doch: An einem Donnerstag stört mich gar nichts. Denn das ist mein Lieblingstag".

Irgendwann, als Ella dann zwischen Freitag und Mittwoch allnächtlich (manchmal schon am Abend) ins Elternbett kroch, wurde reformiert. Ella, so der neueste Stand, muss sich die Nächte mit dem Papa nun verdienen - heißt: im eigenen Bett schlafen. Für jede durchgeschlafene Nacht erhält Ella am Morgen eine Bügelperle von unfassbar hohem symbolischen Wert. Bei neuerdings schon drei Bügelperlen gewinnt sie eine Nacht mit Papa.

Seitdem stehen zwei Eierbecher bei uns in der Küche. Oscar, der zu wenig nächtlicher Theatralik neigt, wählte einen blauen ("bau") Eierbecher und durfte fortan fast jeden Morgen eine Bügelperle ("bau") hinein tun. Daneben stand frustriert seine große Schwester.
Im Übrigen fiel uns für den anspruchslosen Oscar so schnell auch gar keine Belohnung ein, die er bei drei Bügelperlen erhalten könne. Als Oscar dies durchblickte, hörte er auf, Bügelperlen zu sammeln und jammerte sich nachts wieder ins Elternbett.

Und heute Nacht ist dann soweit: Während in Los Angelos die große Oscar-Nacht gefeiert wird, steigt in Berlin die große Ella-Nacht, denn in dem Moment, wo dieser Text getippt ist, wird Ella ins Arbeitszimmer getragen. Was ist passiert?

Nun, Ella hat in den letzten Tagen eine Einschlafmethode für sich entdeckt, die nicht bar jeder Unlogik und bar jedes Selbstvernichtungstriebes ist, insofern also die ideale Einschlafmethode unserer Tochter sein könnte.

Diese Methode geht wie folgt: Ella und Oscar legen sich gegen 19:10 nebeneinander auf eine Matratze, die entweder neben Oscars oder unter Ellas Bett liegt. Um 19:20 beginnt Oscar dann, auf Ella einzudreschen. Grundlos, wie wir meinen, prügelt Oscar auf seine wehrlose Schwester ein.
Weshalb sich Ella so betont wehrlos gibt, ist noch nicht weiter analysiert. Fest steht, dass wir aus dem Kinderzimmer zwischen 19:20 und 19:30 monotone "Aua. Aua. Aua."-Schreie vernehmen, manchmal auch das monoton vorgetragene "Oscarhörauf. Oscarhörauf. Oscarhörauf."

Wenn wir dann nach etwa 10 Minuten nachsehen, finden wir Ella regungslos auf der Matratze liegen und Oscar grinsend auf Ella einprügeln. ZACK - Oscarhörauf - ZACK - Oscarhörauf - ZACK - Oscarhörauf. Talentierte DJs könnten einen schönen Trance-Song aus diesem Klangteppich, der Minuten lang gleichbleibend durchs Kinderzimmer wummert, kreieren.

Fragt man Ella dann, ob sie Lust hat, die Prügelebene zu verlassen und in ihr Hochbett zu steigen, so sagt sie "Ja", steigt nach oben und schläft dort dann die ganze Nacht. Dreimal hintereinander hat der Vierkampf "unten hinlegen, verprügelt werden, oben hinlegen, durchschlafen" nun schon funktioniert und Ella berichtet sogar beim Frühstück davon.

"Wenn ich mich nachher hinlege", spricht Ella mit vollem Frühstücksmund, "und wenn Oscar mich dann immer haut, dann lege ich mich hoch und schlafe." Irgendjemand der Eltern fragte dann noch, ob das denn wirklich sein müsse, ob man nicht einen Teil der Abfolge, zum Beispiel das Verprügeltwerden, weglassen könne, aber Ella blieb dabei. So und nicht anders kann sie einschlafen. Fast scheint es, als sei sie ihrem gewalttätigen Bruder dankbar.

Noch immer ist Ella fasziniert von der Titanic. Vieles wird vom gesunkenen Ozeanriesen berichtet und da Ella auch gerne mal Kinder zu Besuch hat, die von der Schiffskatastrophe noch gar nichts wissen, gibt Ella ihr Wissen gerne weiter. Und wenn Ellas Logopädin nicht bald zum absoluten Durchbruch kommt, wird es vielen Kindern Kreuzbergs so ergehen, wie es derzeit Seyni ergeht, die nach einem Spielenachmittag bei Ella ihrer Mutter von der unglaublichen Geschichte der "Kikanik" erzählte. Hoffen wir von daher, dass Ellas nächste Leidenschaft keine Ts enthält.

Zum Abschluss mal wieder Oscar. Oscar ist ja eigentlich sehr lieb und umgänglich. Dass er zur Zeit furchtbar gerne auch mal zuhaut und im Anschluss jede Form der Entschuldigung ablehnt, ändert nichts an unserer bedingungslosen Liebe. Manchmal aber, dies mag die meisten nun auch nicht unbedingt überraschen, stinkt Oscar aber auch.
Mama sagt dann meistens: "Oscar, du stinkst wie ein Wiedehopf.", was wir mal zum Anlass nahmen, nach dem Ursprung dieser Formulierung zu suchen. Papa hatte keinen blassen Schimmer und vermutete, dass der Wiedehopf aufgrund seiner klanglichen Nähe zum Gugelhupf höchstwahrscheinlich ein Backwerk sei. Doch weit gefehlt: Der Wiedehopf ist ein Vogel. Und wie Oscar ist er von ganz besonders attraktiver Gestalt. Wenn sich der Wiedehopf bedroht fühlt, sondert er - und auch das ähnelt dem Verhalten Oscars - aus seiner Bürzeldrüse ein übelriechendes Sekret aus.

Mama und Papa freuten sich über das neu erworbene biologische Fachwissen. Oscars Bürzeldrüse wurde nach dieser Erkenntnis mit sehr großem Verständnis vom übelriechenden Sekret befreit.

Sonntag, 20. Februar 2011

Steine, Fische, versunkene Schiffe.

Als der Familienvater aus gutem Grund am vergangenen Sonntag nach Bielefeld fuhr, da ließ Mama ihrer Entscheidungshoheit freien Lauf und schleppte sich und den wissbegierigen Nachwuchs ins Museum.

Nachdem Ella und Oscar das Verkehrsmuseum nun schon in- und auswendig kennen und sich selbst Oscar das Gähnen vor dem abermaligen Anblick einer Dampflok aus dem 19. Jahrhundert nicht verkneifen kann, führte Mamas Plan die vaterlose Familie ins Naturkundemuseum. "Dort gibt es ausgestopfte Tiere", frohlockte die Mutter, musste im Museum aber feststellen, dass zumindest Ellas Interesse an den - wie sagt man - Präparaten recht übersichtlich war. Eine Ausnahme stellten, dies wurde dem aus Bielefeld Heimgekehrten tags drauf berichtet, die Fische dar.

"Hmm... Was bitte ist objektiv langweiliger als ein präparierter Fisch?", mag man da spontan fragen. Doch gibt es bei längerem Nachdenken noch außerordentlich viele Dinge, die langweiliger sind. Und da Ellas Interessensgebiete scheinbar invers zu "normalen" Interessensgebieten sind, zeigte sie sich begeistert von den Steinen, die im Naturkundemuseum ausgestellt sind. Steine...

Gegen Ende, Mama suchte bereits den Ausgang aus der fabelhaften Welt der Steine und Fische, da studierte Ella den Museums-Flyer noch einmal ganz genau, deutete auf ein krudes Piktogramm und sprach: "Hier waren wir noch nicht."
Und richtig: Es handelte sich um eine weitere Abteilung spannendster Steine, die Mama einfach unterschlagen wollte.

Während Ella das abstrakte Piktogramm also recht erfolgreich interpretierte, findet auch Oscar immer mehr Gefallen an der abstrakten Welt. Begriffe wie "oben", "unten", "drei" und schon lange "ich" gehören zu seinem Sprachschatz. Konkrete Dinge wie Äpfel, Bälle oder Teller kann er nicht aussprechen. Wird es aber abstrakt, so richtig schön schwer, dann schlägt Oscar zu und führt feinste Gespräche.

Dass der Blechtrommel-Oskar auf dem Bild von Günter Gras "drei" ist, das kann Oscar jedem sagen, der ihn fragt. Aufgeregt wippend steht Oscar dann unter dem Bild. "Oben" hängt das Objekt, auch das kann Oscar sagen. Und ein Oskar ist da drauf, das weiß Oscar nun auch und hält den Oskar der Literatur wahrscheinlich für den Oscar seiner Welt. Sich.

Doch auch ein konkreter Gegenstand schiebt sich derzeit in Oscars abstrakte Welt. Seit etwa einer Stunde nämlich befasst sich Oscar mit der Kompetenz des Nase-Schnäuzens und fuchtelt seit ebenso langer Zeit mit Taschentüchern an seiner Nase herum. Hier und da latscht der Wicht, der eigentlich schon schlafen soll, aus dem Zimmer und wedelt mit dem Taschentuch wie ein Bahnreisender beim Abschied. Mama oder Papa helfen dann ein bisschen und schieben das Tuch unter Oscars Triefnase von links nach rechts. Danach, man höre und staune, läuft Oscar alleine durch die gesamte Wohnung, hindurch durch die dunkle Küche, öffnet der Mülleimer und entsorgt das Tuch sehr erwachsen.

Ella hat ebenfalls eine neue Leidenschaft entdeckt. Seit gestern, als sie auf ihrer Weltkarte ein sinkendes Schiff südlich von Neufundland entdeckte, ist sie im Titanic-Fieber. Jeder zweite Satz handelt vom Unglücksschiff. Papa musste Reportagen auf Youtube und zwei Sachbücher heraussuchen. Ellas Wissensdurst war nicht zu löschen.

Am Vormittag waren die Eltern im Kino. Oma und Opa wurden eingeflogen und normalerweise dreht Ella in dieser Zeit immer vollkommen durch, hängt an irgendwelchen Möbelstücken und hat die Wohnung schnell verwüstet. Nicht so heute.
Versunken in ein Titanic-Buch erzählte sie der neben ihr sitzenden Oma immer wieder von Eisbergen und Schiffen. Oscar und Opa sortierten daneben Memory-Kärtchen. Konzentrierte Stille lag in der Luft, als Mama und Papa nach Hause kamen...

Samstag, 12. Februar 2011

Kreuzberg-Kinderhaus

Es gibt im Norden Münsters einen Stadtteil namens Kinderhaus. Zwei Dinge weiß ein Jeder über Münster-Kinderhaus: In Münster-Kinderhaus ist das soziale Klima recht rauh, und in Münster-Kinderhaus befindet sich das deutschlandweit einzige Lepra-Museum.

Wie der Stadtteil zu seinem seltsamen Namen kam, das weiß wiederum niemand so genau und so können wir nur vermuten, dass sich vor Urzeiten im nördlichen Münster ähnliches zutrug wie derzeit in Berlin-Kreuzberg.

In Kreuzberg hat nämlich Ella die Liebe zum Spiel mit anderen Kindern und von daher das unglaubliche Potenzial ihres Wohnhauses entdeckt. Es war am Montag, als aus dem elternfixierten Kind Ella ein kinderfixiertes Spielmonster wurde, das die Eltern nur noch zum Frühstück und zum Ins-Bett-Bringen zu Gesicht bekamen.

Beim Abholen von der Kita werden die ahnungslosen Eltern dann mit den unter den Kindern bereits besiegelten Verabredungen konfrontiert. Den Eltern wird dann berichtet, ob die nur noch paarweise zu vergebenen Kinder abgeholt werden dürfen, oder ob andere Eltern als Gastgeber auserkoren sind.

Besonders schön ist es natürlich, wenn Ella die Gastgeberin ist, denn die Türen fast aller Wohnungen hier stehen nachmittags grundsätzlich offen. Die Kinder des Kinderhauses huschen mal in diese, mal in jene Wohnung und benötigen plötzlich keine Bespaßung durch die Eltern mehr.

Für die Eltern fühlt es sich so an, als hätte der Tag jetzt drei Stunden mehr, denn zwischen 15:30 und 18:30 können plötzlich sinnvollere Dinge getan werden als 100-Teile-Puzzle zu legen oder Conni-Bücher vorzulesen... Wann die Kinderparty endet, bestimmen die Kinder in der Regel auch selber: Kurz vor 18:00 tauscht man sich hier aus, welches Abendbrot in welcher Wohnung zu erwarten ist. Schreit Janek "Bei uns gibt's Bratwurst!", is(s)t Ella abends halt auswärts. Gibt's bei Janek auch nur Brot, sitzt er halt mit bei uns. Am Donnerstag gab es bei Janek eine ganz besonders feine Kreation: Pommes mit Kroketten - auch genannt "zweierlei frittiertes Kartoffelmehl". Ella war natürlich dabei.

Die WG neben uns hat wohl nun auch endgültig begriffen, dass sie in einem Kinderhaus gelandet ist. Dass manchmal die Kinder nämlich auch in eben jene Studenten-WG stürmen, wenn die Tür unachtsam geöffnet wurde, hat man dort ebenso geschluckt wie die Tatsache, dass die Kinder einfach mal die Fußmatten der Wohnungen vertauscht haben. Wir haben jetzt die WG-Fußmatten vor der Tür und die WG unsere. Keinen stört das. Die Kinder werden schließlich ihre Gründe haben, und die Bosse sind sie unterm Strich ja sowieso hier in Kreuzberg-Kinderhaus.

Für Oscar stellt sich das insektenähnliche Gewusel in unserem Haus übrigens ähnlich wechselhaft dar wie für seine Eltern, denn Oscar ist traurigerweise noch relativ stationär gebunden.
Diese "Station" ist sein eigenes Kinderzimmer. Dort sitzt er nachmittags und spielt. Manchmal stürmen drei bis vier Kinder des Hauses zu ihm und spielen mit ihm oder um ihn herum. So plötzlich wie der Schwarm gekommen ist, verlässt der Schwarm - eventuell auf ein geheimes Signal - das Zimmer und surrt in eine andere Etage des Hauses.

Oscar hat begriffen, dass er nicht alleine ins Treppenhaus darf und so hat er mit diesem seltsamen Kinderschwarm, der mal kommt und dann wieder geht, einfach das gemacht, was er mit allen Dingen getan hat, die er sich nicht weiter erklären kann: Er hat ihn akzeptiert. Irgendwann werden die Eltern grünes Licht geben und dann darf Oscar mit allen anderen Kindern durchs Haus surren und den Schwarm um einen weiteren Moskito ergänzen.

Bevor Oscar Moskito sein darf, gewährt er uns zunächst einmal Einblick in sein Genom. Und was steht dort geschrieben? Oscar ist nachtragend.
Oscars schlimmstes Erlebnis dieser Woche bestand wohl darin, dass Leo-Ben, Oscars Kitas-Kumpel, Oscar in die Hand biss.

Niemand weiß, warum Leo-Ben dies tat. Vielleicht hat Oscar etwas Blödes zu ihm gesagt, wobei Oscars Wortschatz nicht viele Beleidigungen zulässt ("Eier", "Kreua" -> Elefant, "Bau" -> blau - das sind nicht die Worte, bei denen man sich zu einer Beißattacke genötigt sieht), in jedem Fall aber nahm Leo-Ben Oscars Hand und biss hinein.

Oscar aber, das wusste Leo-Ben vielleicht nicht, hat das Gedächtnis eines Kreuas (Elefanten). Hört Oscar auch nur den Namen Leo-Ben, verfinstert sich sein Gesicht. Er kommt dann ganz nah zu dem, der den Namen nannte, zeigt demjenigen entsetzt seine Hand und sagt "Aua".

Heute dann besuchten Oscar und Leo-Ben gemeinsam einen Flohmarkt. Oscar würdigte den Beißer keines Blickes. Oscar ist eingeschnappt. Wir warten einfach mal ab, wie Leo-Ben aus dieser Nummer wieder rauskommt.

Die Abschlussanekdote gehört aber der großen Schwester des Nachtragenden: Ella wurde heute vom Papa in die Welt der Kicker-Stecktabelle eingeführt. Jedes Wochenende, so der Plan, soll die Tabelle aktualisiert werden. Ella war zunächst durchaus angetan vom Gewühle in Papas Sammlung von kleinsten Papp-Wappen und sichtlich stolz, als sie Cottbus, den FSV Frankfurt und den SC Paderborn im Chaos fand.

Als alle Wappen einsortiert wurden, freute sich Ella noch über den zweiten Platz ihrer Leverkusener, da wurde ihr klar, wie schlimm es um Mamas Schalker steht.
"Guck mal", sagte Ella noch ganz gefasst. "Schalke ist Elfter."

Pause. Ella starrt auf die Tabelle. Denkt nach... Elfter...
Dann wird Ella ganz Gelsenkirchnerin und bricht zusammen. Heulend kauert sie über der Stecktabelle, rennt dann zu Mama. "Schalke ist Elfter...", heult Ella und Mama, selber nicht erfreut darüber, versucht zu trösten.

Papa klemmt inzwischen die Stecktabelle an den Kühlschrank und denkt über seine Familie nach...

Sonntag, 6. Februar 2011

Beim Frühstück

Die Selbstständigkeit unserer Kinder nimmt so langsam Formen an. So geschehen beispielsweise am Mittwoch, als Ella und Oscar den Frühstückstisch deckten.

Mama und Papa hatten den klaren Auftrag, nicht - auf gar keinen Fall - die Küche zu betreten. Man werde das dort schon machen. Die Eltern sollen ruhig mal nicht in die Küche gehen.

Und so tigerten Mama und Papa durch den Rest der Wohnung. Bange Blicke richteten sie auf die Uhren im Wohnzimmer und im Schlafzimmer. Unter der Küchenuhr, die wir nicht sehen durften, die aber auch anzeigte, dass sich Ella und Oscar eigentlich schon längst in der Schlussphase des morgendlichen Hin-und-Hers befinden müssten, dem Anziehen oder dem Waschen, aber sicherlich nicht dem Frühstückstisch-Decken, unter dieser Küchenuhr beratschlagten die Kinder nun seelenruhig die Vorgehensweise.

Im Prinzip kann Ella sehr gut Tische decken. Wir wissen nicht so genau, wie sie das macht, weil auf den von Ella gedeckten Tischen auch immer Artikel zu finden sind, die entweder zu hoch oder zu schwer für Ella sein müssten, aber am Ende lacht uns meistens ein perfekter Tisch an. Das Problem, das mittwochs den ganzen Ablauf des Morgens ins Wanken brachte, hieß Oscar.

Oscar, an sich ein unkomplizierter Zeitgenosse, hat sich nämlich einen neuen Spleen ausgedacht. Verwirrt von einem Geburtstagsgeschenk, dem Besteck-Set von "Bob, dem Baumeister", gibt es derzeit kein sensibleres Thema für unseren Sohn als die Frage nach dem richtigen Tisch-Gedeck.

So trägt er schon mal den gelben Teller und den gelben Becher zurück in den Schrank und fordert laut seine Lieblingsfarbe ("Baaaauuuuu"). Benutztes blaues Geschirr wird hier seit kurzem sofort gereinigt, denn Oscar braucht es zu jeder Mahlzeit.
Ist dies an sich leicht zu durchschauen und auch "in sich" noch irgendwie logisch, so ist zum großen Ärgernis der restlichen Familie, keine Logik zu erkennen, nach der Oscar sein Besteck wünscht.

In jedem Fall aber sind die Wünsche intensiv. Der Herr muss oft schreien und weinen, kann auf keinen Fall mit der Mahlzeit beginnen, wenn er das falsche Messer vorfindet. Dass das richtige Messer nicht unbedingt das "Blaue" ist, macht die Sache kompliziert, denn "Baauuu" kann Oscar sagen. Es gäbe da Messer mit Teddys drauf, Messer mit "Bob, dem Baumeister" drauf, Messer mit anderen tollen Dingen drauf und irgendeines davon will Oscar immer unbedingt haben. Aber wie gesagt - es ist nicht immer dasselbe und benennen kann er unser reichhaltiges Messerangebot auch nicht.

Mama und Papa lobten in diesem Zusammenhang die DDR und können endlich mitreden mit den Leuten, die behaupten: "Es war nicht alles schlecht!".
Vollkommen Recht haben diese Leute nämlich, denn Vielfalt führt zu Konflikten. Dies gilt zumindest für Messer und Gabeln und Teller. Alles muss gleich aussehen. Gäbe es im Land überall das gleiche Messer und den gleichen Teller, wie seinerzeit in der DDR, dann hätte Ella am Mittwoch schnell den Tisch decken können.

So beging sie einen Fehler. Sie nahm Oscar und seine Beschwerde bezüglich des Besteckes ernst. Mama und Papa, die die Küche ja nicht betreten durften, hörten einem verzweifelten Gespräch zu, während die Uhr unaufhörlich tickte. "Oscar, das Messer?" - "Wäääääääääääää". "Okay, okay, Oscar. Das Messer?" - "Neeeeeeeeeeeiiiiiiiin". Es war ein Jammer. Ella hatte nach 30 Minuten den Tisch noch immer nicht gedeckt. Lediglich bis zu den Messern war sie gekommen, aber Oscars Messer war halt falsch.

Irgendwann unterbanden die Eltern das Schauspiel und erläuterten den gestressten Kindern, dass die neue Form der Selbstständigkeit künftig nur an Wochenenden ausgelebt werden darf. Dann nämlich, wenn wir es uns zeitlich leisten können, dass bis 11 Uhr über Messer diskutiert wird.

Bleiben wir in diesem Blog-Eintrag nun einfach mal beim Thema "Frühstück". Schließlich hatte Papa Ferien und man konnte jeden Tag herrlich zu viert frühstücken. So geschehen halt hier und da relevante Dinge beim Frühstück: Oscar zum Beispiel erhielt seinen ersten Verweis. Von Kind 1 kennen wir das ja, dass es den Bogen manchmal so furchtbar doll überspannt, dass wir es "entfernen" müssen.

Diesmal überspannte Oscar. Vermutlich ging es um Teller oder Messer.
Es reichte jedenfalls und so wurde Oscar zum ersten Mal in seinem Leben rausgeschmissen. Mama nahm den entsetzten Fratz und trug ihn meilenweit weg, ins Kinderzimmer nämlich.

Mama kam zurück zum Frühstückstisch.
Hier wunderten wir uns, denn anders als Ella, die in solchen Momenten immer brüllend hinterhergerannt kommt und sich dann in der Küche vor Ärger übergibt, blieb Oscar im Kinderzimmer und wimmerte.

Papa kam dann zu ihm, Oscar schmiegte sich an den Retter und konnte das Frühstück anschließend ohne Geschrei zu Ende bringen.

Im Übrigen hat Oscar seine kleine Diät hinter sich gebracht. Die letzten Tage hat er nämlich überhaupt keinen Frühstückshunger mehr gehabt. Vorbei und vergessen ist das, denn seit Donnerstag fordert Oscar Nutella aufs Brot. Wie doll ihm das schmeckt, zeigen die nackten Zahlen: Oscar frühstückte bis Donnerstag zuletzt einen halben Toast. Seit Donnerstag isst er deren drei.

Die letzte Anekdote soll dann auch am Frühstückstisch spielen. Besser gesagt, schräg unter dem Frühstückstisch. Dort liegt nämlich Ella und heult fürchterlich. Keiner weiß, was los ist. Minuten vergehen. Ella würgt bereits. Sie keucht und krümmt sich.
"Ella, was ist denn?"

Die Antwort wird mehr gewürgt als gesprochen, ist leider unverständlich. Ellas Zustand verschlimmert sich. Schließlich kann sie sich mit letzter Kraft verständigen und äußert einen Satz, der zu einem aufrecht sitzenden und lieb mit den Augen klappernden Kindlein passt, nicht aber zu einer vom Brüllen entstellten Furie, die unterm Tisch kauert. Ella würgt: "Du sollst mich STREICHELN!!!" und brüllt das letzte Wort in einer Form in die Küche, der drei Ausrufezeichen nicht gerecht werden.