Dienstag, 25. Juni 2013

Angst. Wut. Abwesenheit.

Die Situation, hier live aus unserer Wohnung, ist heikel.
Es ist nach acht und der Plan, dass beide Kinder lieb im Bett liegen und zu schlummern beginnen, muss der blanken Realität weichen. In dieser Realität humpelt Ella durch die Wohnung und hat Angst. Oscar dagegen weint laut die Worte "Ich will Playstation-Fußball spielen" durch die Wohnung. An vielen dieser Umstände trägt der Vater mindestens eine Teilschuld.

Fangen wir aber mit Ellas Humpeln an. Hieran dürfte der Vater schuldlos sein. Oscar stieg seiner Schwester auf den Fuß - die Gründe für dieses Unterfangen sind allen Beteiligten schleierhaft. Ella jedenfalls humpelt. Sie hat aber auch Angst und das könnte angesichts der beginnenden Nacht noch weitaus komplizierter ein als ein beschädigter Mittelfuß.

Warum hat Ella Angst?
Nun, der Vater verbrachte sein Wochenende auf einem Festival im Matsch. In diesem Matsch stand eine Bühne und auf der musizierten unter anderem auch die gruseligen Jungs von Rammstein. Papa zeigte seinen Kindern das Video. Ella, auf Papas linken Schenkel sitzend, zuckte ein paar Mal zusammen als der Gruselmann ins Mikrofon grunzte oder der Keyboarder sein Musikinstrument in Flammen setzte. Oscar auf dem rechten Schenkel dagegen war schlechthin begeistert von den pyromanen Ostdeutschen. Kinder sind verschieden.

Ein Video gab nun das andere und irgendwann fanden sich Ella, Oscar und der Vater bei "E.T.", dem Außerirdischen wieder. Lustige Szenen wurden geguckt. E.T. verkleidet als Frau, E.T. beim Biertrinken. E.T. fliegt auf dem Fahrrad. Ella und Oscar waren sofort verliebt in den kleinen Strolch. Es war ja schließlich auch Tag.

Nun dämmert es und Ella versucht mit aller Gewalt mit Hilfe von Kinderbüchern und Donald-Comics gegen ihr Kopfkino anzukämpfen. Dort hüpft E.T. herum und glaubt man Ella, so ist er jetzt gar nicht mehr so süß strolchig, sondern nur noch "dieses Ding aus dem Internet". Papas schlechtes Gewissen schwillt an, momentan ist aber Ruhe, denn Ella liegt im Bett der Eltern und Oscar wurde schreiend entfernt.

Papa hat es übrigens gestoppt: Oscars regelmäßiger Ausruf "Ich will Playstation-Fußball spielen" dauert exakt 20 Sekunden, was daran liegt, dass Oscar nach jeder Silbe eine klagende Pause macht und jeden Vokal elegisch dehnt. Man darf hoffen, dass er sich auf diese Weise in Trance singt und irgendwann einfach einschläft.

Papa ist auch an diesem Umstand ein wenig Schuld.
Im Regen holte er Oscar von der Kita ab. Noch im Flur der Wohnung tropfend formulierte Oscar messerscharf seinen Wunsch nach einem Playstation-Match.
Papa ließ hier Fünfe nicht grade sein, sondern zeigte erstaunliche Härte. "Nein, nicht jetzt." - Wäre es beim ersten Wort geblieben, beim "Nein", dann wäre vermutlich recht schnell Ruhe im Karton gewesen. Das "Nicht jetzt" dagegen öffnete für Oscar eine Tür, die der Vater am Abend nur mühevoll wieder schließen konnte. "Wann denn? Abends?", fragte Oscar und klimperte mit seinen meterlangen Wimpern. Papa beging sodann einen weiteren Fehler und sagte "Ja" in der Annahme, Oscar sei zu irgendeiner Form von Zeitmanagement in der Lage.

Oscar ließ den Abend genüsslich kommen. Dass er hin und wieder nach der Uhrzeit fragte, ordnete Papa völlig falsch ein. "Hier freut sich jemand auf seine Ravioli", dachte er. Doch Oscar hatte anderes im Sinn als Dosenfraß vom Festival.
Der Abend kam. Papa kochte Ravioli. Dann lief im Kinderkanal "Peter Pan" und dann war aus, der Tag für Oscar vorbei. Und dann begann Oscar zu klagen. Mittlerweile ist dieses Klagen jedoch verstummt. Vor der Playstation sitzt der Bengel nicht - es ist davon auszugehen, dass er nun schläft. Mit eingravierter Zornesmiene.

Bleiben wir beim Thema. Oscar ist ein extrem cleverer Playstationspieler. Er hat ein paar Spiele versucht und relativ schnell begriffen, dass die Teams, die er steuert, am Schluss immer recht deutlich verlieren. Mit zitternder Unterlippe wimmerte Oscar dann den Spielbericht, der meistens in einem Weinen endete.
Dann aber hatte er eine Super-Idee.

Oscar spielt nun immer mit dem Team, das seiner Meinung nach nicht gewinnen soll. Wenn dieses Team schließlich vom virtuellen VfL Bochum oder den Bayern überrollt wird, ist Oscar glücklich. Nur einmal war es seltsam. Da hat er wohl aus Versehen gewonnen. Oscar war irritiert, die Mama war irritiert, der Vater steckte im Schlamm des Festivals. Niemand kann so recht sagen, was vorgefallen ist. Dass Oscar mit seinen Knubbelfingern tatsächlich - wie es die Erzählung sagt - den Computergegner mit 3:1 besiegte, wird immer Legende bleiben.

Wir sprachen bereits davon: Papa war größtenteils abwesend diese Woche. Mama hatte allerdings kaum Probleme als vollzeitberufstätige Alleinerziehende. Nur einmal geriet sie in Panik.
Es war in der Nacht zum Samstag, als sie routinemäßig die Kinder zählte. Ella: 1. Wo war Kind 2?
Im Oscarzimmer lag es nicht. Im Schlafzimmer lag es nicht. In Ellas Zimmer lag: Ella. Nur Ella.
Alles klar, weitersuchen, hilft ja nix. Im Arbeitszimmer lag es nicht.

Vermutlich ging die mittlerweile arg schwitzende Kindsmutter auch in die Badezimmer und durch den Flur, womit alle Zimmer durchsucht wären, denn die Küche ist hier sowieso irgendwie überall.

Wir sehen die Mutter nun die Wohnungstür ängstlich überprüfen. Oscar muss abgehauen sein. Doch die Wohnungstür ist tiptop verschlossen. Ein weiteres Mal wird jeder einzelne Raum der Wohnung durchsucht. Mama will gerade das Schlafzimmer verlassen, da hört sie ein knarzendes Schlafgeräusch. Es war ihr Sohn, der süß grunzte.
Das ist schonmal gut, dachte sich die Mutter an dieser Stelle sicherlich. Grunzen heißt 1) jemand, vermutlich Oscar, ist anwesend und 2) es geht diesem Jemand recht gut.

Nur gefunden werden musste er noch. Weitere Minuten vergingen, ehe die Mutter ihren Sohn zwischen Bett und Bettkasten fand. Er schlief. Mama war kaum in der Lage, Oscar aus dieser Position, tief unter dem Bett, verkeilt mit dem Bettkasten, herauszulösen, aber irgendwie gelang es ihr und so geht dieser Blog-Eintrag umfassend gut aus.
Ella liegt mittlerweile recht zufrieden bei den Eltern im Bett und denkt hoffentlich nicht mehr an den glitschigen E.T., Oscars Wut ist übergegangen in einen süßen Traum, in welchem er glücklich auf der Playstation gegen einen sympathischen Verein verliert und Mama konnte ihrem Gatten, als dieser aus dem Schlamm in die Zivilisation zurückkehrte, die frohe Kunde überbringen: Beide Kinder sind noch da.





Montag, 17. Juni 2013

Nudeln ohne Soße am Dreieckstisch

Eine liebe Woche lang pausierte dieser Blog, denn der Vater war auf Klassenfahrt in Oscars Heimat. Zuhause hatte die Mama laut eigener Aussage alles im Griff, wenngleich Oscar von Mittwoch an kränkelte und deshalb die Oma eingeflogen werden musste. 
Oscar fand das nicht schlecht und sprach aus, was keinem Schulschwänzer ohne zu Erröten über die Lippen geht, wenn ein kleines Flämmchen Restmoral in ihm glimmt: "Kommst du immer, wenn ich krank bin?" Oma nickte. "Dann bin ich jetzt immer krank.", sprach Oscar und ließ sich weiter verwöhnen.
Was alles so geht, wenn Oma da ist, ist auch wirklich beeindruckend. Oscar verlangt ja von seinen Eltern auch hier und da mal Absurdes. Dieses setzen die Eltern allerdings nicht um, Oma ist da anders. Oma macht in der Regel das, was Oscar sagt, wenn der Junge krank ist und wenn seine Wünsche keine körperlichen Schäden zur Folge hätten. Und so machte Oma einfach das, was man ihr sagte. 
Schön eigentlich, dass mal jemand Oscar einfach so machen lässt. Man erhält dann einen Einblick in das Leben, welches Oscar vorschwebt. Am Donnerstag sah dieses Leben so aus:
Oscar wollte seine Nudeln unbedingt von einem dreieckigen Tisch essen. Dieser Tisch allerdings befindet sich exakt neben dem relativ neuen Sofa des Elternpaares. 
Oma sah Gefahr in Verzug. Oscar würde das Sofa mit Tomatensoße beschmutzen und über die Babysittertätigkeit würde ein Schatten herniederprasseln wie Mehltau. Oma musste Oscar seinen Wunsch im Prinzip ablehnen, doch man einigte sich schnell auf einen Kompromiss. 
Oscar aß vom Dreieckstisch die Nudeln ohne Soße. Er beugte sich hierbei über die Lehne des Sofas wie ein Seekranker über die Reling. Alle paar Bissen hatte Oscar aber Lust auf Nudeln mit Soße. 
Wie gut, dass Oma am Wohnzimmertisch für diesen Fall noch einen weiteren Teller mit Nudeln bereithielt. Diese Nudeln waren von Soße benetzt und so stapfte unser kranker Sohn je nach Soßenlaune durch das Wohnzimmer. Manche Dinge kapieren Eltern einfach nicht. Gut, dass es Omas gibt und Dreieckstische und Nudeln und Soße. 

Am Rande sei noch erwähnt, warum Ella und Oscar eigentlich kein Haustier haben.
Nun: Schauen wir uns mal die Ersatzlieblinge unserer Kinder an. Da wäre zum Beispiel das Kuscheltier-Schaf, mit dem Ella immer im Garten kuschelt.
Dieses Schaf, wir nehmen es vorweg und beantworten somit auch gleich die Frage nach dem fehlenden Haustier, verlor gestern Abend seine Beine. Beide.

Was war geschehen: Ella und Oscar waren beide todmüde (mildernde Umstände). Ella sagte Oscar, er könne ihr Schaf nehmen, erklärte später aber den Eltern, dass es sich hierbei selbstredend um einen Scherz gehandelt hat. Oscar dechiffrierte Ellas Aussage jedoch nicht als Scherz, was sich unter anderem darin zeigte, dass Oscar keineswegs kicherte, sondern einfach das Schaf an sich nahm.
Ella raste nun und wollte ihr Schaf haben. Oscar hielt fest. Ella auch. Ella zog, Oscar auch. Und dann machte es zweimal Plopp und das Schaf war entbeint.
Ella weinte sehr. Möglich ist, dass das Schaf demnächst per Post nach Bergkamen geht und dort operiert werden muss.



Sonntag, 9. Juni 2013

Montag, 3. Juni 2013

Die zwei Fulltime-Jobs der liebenden Mutter

In zweierlei Hinsicht verändert sich der Alltag der sympathischen Kreuzberger Familie nun.
Zum Einen wird die Mutter des Hauses ab sofort für sechs Monate einen Fulltime-Job haben. Nun mag man einwenden, dass eine Frau, die zunächst eine Ella gebiert und später dann noch einen Oscar und sich mit diesen beiden Personen und ihren abwechslungsreichen alterstypischen Bedürfnissen seitdem tagein tagaus auseinanderzusetzen hat, ohnehin schon seit knapp 7 Jahren einen Fulltime-Job hat, doch nun kommt im arbeitsrechtlichen Sinne noch ein echter, also in Wahrheit wesentlich harmloserer Fulltime-Job hinzu.

Was heißt das?
Das heißt, dass die Frau des Hauses heute erst um 18:45 wieder bei Ella, Oscar und Gatten war. Alle drei, nein: alle vier, befanden sich in erstaunlich gutem Zustand. Doch wie lange wird dies so sein? Des Vaters Job ist phasenweise anstrengender als derzeit, wo in allen Schulgebäuden dieser Republik nur noch die DVD-Player rein und rausgeschoben werden. Momentan geht das alles. Papa war mit Oscar und Ella beim Turnen und bestätigte - was eigentlich wunderbar ist - sich selbst alte Erinnerungen. Die nämlich, dass Kinderturnen und überhaupt dieser ganze Bereich, den Oma Münster liebevoll "Inszenierte Kindheit" nennt, nicht sein Fall ist.

Das Kind turnt ohnehin die ganze Zeit. Selten steht Oscar still, selten wird sein Puls nicht bis zum Anschlag hochgefahren. Warum also muss dieser Junge dann noch offiziell turnen? Warum sich mit anderen Menschen in einen Raum begeben und mit diesen - zum Teil hochgebildete und studierte Personen, Ärzte, Anwälte, Direktoren - und ihren mehr oder weniger sympathischen Kindern im Kreis laufen und unsinniges Zeug singen? Das alles ist nicht die Welt des Vaters, die zwar auch nicht unbedingt aus spannenden Undercover-Ermittlungen oder Hochseil-Akrobatik, aber eben auch nicht aus von hochqualifizierten Erwachsenen gesungenen Kinderliedern bestehen soll.

Wir sehen mal weiter. Und wer mag, der scrollt diesen Blog einfach mal zwei Wochen weiter und liest sich das ultimative Drama durch:
Papa ist dann nämlich auf Klassenfahrt. Weg. 5 Tage. Mama, wir erinnern uns, hat einen Fulltime-Job. In dieser Woche sind es dann endgültig deren zwei und so wollen wir auch nachsichtig sein, wenn gleich von zwei Zitaten der Mutter die Rede sein wird, die nicht unbedingt die positive Grundeinstellung der Mutter zu ihrer derzeitigen Situation ausdrücken.

Der Vater sprach über die Woche seiner Abwesenheit. Die Mutter hätte ja dieses noch zu erledigen oder auch jenes. Hier intervenierte die vorausblickende Frau. Sie sagte: "In der Woche, in der du weg bist, bringe ich die Kinder weg, gehe arbeiten, hole die Kinder ab, bringe sie ins Bett und trinke danach Alkohol. Mehr mache ich nicht." Ich denke, diese fünf Vorhaben sollten der Termine auch tatsächlich genug sein.

Das zweite Zitat soll vermischt werden mit der zweiten Veränderung unseres Alltags: Irgendwo in Oranienburg steht derzeit ein Auto, welches sich in diesen Tagen in unseren Besitz begibt. Neben Ella, Oscar, der Wohnung nun der vierte dicke Brocken, der die unendlich tiefe Liebe zwischen Papa und Mama kittet und der im Falle einer Trennung irgendwie zugeteilt werden müsste. Papa jedenfalls betrat wenig grazil den Bereich der schlimmsten Unromantik, als er darüber sinnierte, wie das alles jemals auseinanderdividiert werden könnte, wenn der Fall der Fälle einträte.

Mamas Antwort, und dies ist ihr zweites Zitat, übertraf die Unromantik des Vaters allerdings um ungeahnte Längen. Sie sagte zum Thema Gütertrennung: "Ich vier Räder. Du vier Beine." - Geht es grausamer? Nein. Ernsthaft wird sie es auch nicht gemeint haben, dazu sind Ella und Oscar einfach zu schnuckelig, wenn sie beide schreiend durch die Wohnung rennen und sich dabei häufig selber oder gegenseitig wehtun.

Gestern zum Beispiel warf Oscar - ob es mutwillig war, konnte nicht abschließend geklärt werden - Ellas Kuscheltier, einen blauen Elefanten, aus dem Fenster. Der Elefant flog vier Stockwerke tief und landete glücklicherweise auf dem weichen, nassen Rasen hinterm Haus.
Der Plan von Mama und Papa, einen ganzen grauen Sonntag lang, in ranzigen Klamotten zu bleiben, zersplitterte: Papa musste sich festes Schuhwerk anziehen und den Elefanten retten.

Ella wird übrigens immer stärker im Schach. Neulich setzte sie ihren Vater matt. Das war hart. Nicht viel einfacher war es für den Vater, in das lachende Antlitz seines Sohnes zu gucken, der die eroberte Dame des Vaters in der Hand hielt. Vielleicht ist Ella auch gar nicht so außergewöhnlich stark im Schachspiel, sondern der Vater einfach so außergewöhnlich schlecht.
Für Ella spricht allerdings, mit welcher Genialität sie innerhalb kürzester Zeit Mamas und Papas tagelanges Grübeln über eine gute Zahl auf dem neuen Autokennzeichen beendete. Ella fand die perfekte Zahl, die in sich selbst verwoben die derzeitigen Lebensalter aller Familienmitglieder darstellt. Im Nachhinein ist es die einzig denkbare Zahl für unser Nummernschild. 48 Stunden lang hatten Mama und Papa zuvor überlegt.

Gegen Ella darf man also auch mal im Schach verlieren. Und der Bruder hat immerhin noch so viel Restgenialität, dass er dem Vater eine Dame mopst, ehe er kläglich mattgesetzt wird.