Montag, 26. Dezember 2011

Triefnasse Harmonie

Der Weihnachtsmann kam, nachdem Ella vermutlich vor Aufregung in eine Art Nervenleiden mit den Symptomen Bauchschmerzen und leichtes Fieber verfiel, pünktlich um 16:30 Uhr und sprach schwäbischen Dialekt. Er setzte sich und blickte in sein goldenes Buch. Selber leicht nervös las er lobenswerte Dinge über Oscar vor. Diese erfuhr er zwei Wochen zuvor am Telefon von Oscars Mutter.
"Oscar", stammelte diese damals von der Frage nach den guten Seiten ihres Sohnes vollkommen, "Oscar ist.... äh.... Oscar ist ein lieber Junge."
"Ein lieber Junge", sagte sie. So sprechen Leute, das durchblickte wohl auch der Weihnachtsmann, die statt eines Sohnes eine wahre Knalltüte zu Hause haben. Eine Knalltüte, die den ganzen Tag lärmend durch die Wohnung rennt, seit Monaten immer auf den Füßen und Armen seiner Eltern steht (vielleicht ist ihm der Fußboden zu kalt) und die seit Anfang Dezember nur noch Schokolade isst.
Mama fügte noch hinzu, dass Oscar gerne mit seinen Eltern kuschelt, verschwieg aber
die absurden Uhrzeiten, zu denen Oscar kuscheln möchte. Zwischen 7.00 Uhr morgens und 2 Uhr nachts hat er dieses Bedürfnis jedenfalls nicht so häufig.

Der Weihnachtsmann blickte also in sein Buch und las vor: "Oscar ist ein lieber Junge, der gerne mit seinen Eltern kuschelt. Wenn er jetzt noch die Windel ablegt, ist er ein richtig großer Junge."

Diesen letzten Satz verstand Oscar aber nicht als Kritik. Erstens hörte er gar nicht richtig hin, denn vor dem Weihnachtsmann lag ein Geschenk, welches Oscars Aufmerksamkeit absorbierte und zweitens legt Oscar neuerdings ja ohnehin die Windel ab. Mitten in der Nacht ist es, wenn Oscar sich daran macht, sich von der Windel an entscheidender Stelle zu emanzipieren. Dazu holt er einen kleinen Teil seines Körpers von etwa drei Zentimetern Länge aus der Windel heraus und schläft glücklich weiter. Am nächsten Morgen sind dann alle nass: Oscar von oben bis unten. Papa und Mama auch großflächig, denn vor Morgengrauen kuschelt Oscar sich ja immer an die Eltern. Triefend nasse Harmonie.

Über Ella dagegen stand im goldenen Buch des Weihnachtsmannes, dass sie ein bisschen stiller sitzen solle. Ella hörte sich dies still sitzend an, doch das Winden und Verbiegen ihres Körpers hat nach ersten Beobachtungen unverändert Bestand.

Die Geschenke, die der Weihnachtsmann brachte, waren großartig. Oscars Leben hat sich durch den Erhalt einer batteriebetriebenen Lokomotive grundlegend gewandelt, denn der Herr muss seine Holzzüge nun nicht mehr selber schieben, sondern lediglich als eine Art Gleiswart neben dem Zug herlaufen und diesen im Falle einer Entgleisung schnell aufrichten.Körperhaltung und Bewegungsabläufe dieses Gleiswartes sind nicht immer bar jeder Komik.
Häufig stellt sich Gleiswart Oscar schon an den nächsten Brennpunkt der Gleisanlage. Man kennt ja mit der Zeit die Unfallschwerpunkte. Oscar steht dann mit dem Rücken zum sich nähernden Zug und guckt unter Zuhilfenahme komplizierter Kopf- und Augenbewegungen zurück auf das Holzgefährt und greift dann ein, wenn der Zug tatsächlich aus den Schienen springt.

Ella dagegen ist nun stolze Besitzerin eines MP3-Players, der Benjamin-Blümchen-Hörspiele von sich gibt. Auch hier ist ein voller Erfolg zu vermelden, denn während Oscar dem nun von ihm fast unabhängigen Holzzug hinterherstarrte, saß Ella still und ohne sich zu winden in ihrem Zimmer und hörte MP3. Die Eltern befanden sich in einer völlig unerwarteten Situation. Verlassen von den beschäftigten Kindern kam Ruhe, Besinnlichkeit und Zweisamkeit auf. Es war eine dreifache Zweisamkeit: Mama und Papa, Ella und ihr MP3-Player und Oscar und die surrende Lokomotive.

Am nächsten Tag ging es zu Oma Berlin, wo weitere Weihnachtsgeschenke die Kinder zunehmend durchdrehen ließen.  Für die kommende Woche, die von einem Besuch bei den Omas in NRW und dem Silvesterfest in Magdeburg geprägt sein wird, ist keine Abkühlung der Gemüter zu erwarten. Wie wir den derzeit vollkommen schokoladenabhängigen Oscar wieder auf vernünftige Nahrung umstellen werden, wissen wir auch noch nicht.

Ella und Oscar wünschen allen Lesern einen guten Rutsch ins neue Jahr. Neben der Sache mit der Windel und der Sache mit dem Stillsitzen, die der schwäbische Weihnachtsmann ansprach, ist im Jahre 2012 vor allem die Klärung der Bettenfrage von Bedeutung. Wollte vor einigen Tagen noch keines unserer Kinder im Hochbett schlafen, weshalb die Eltern schon ungute Schwingungen vermuteten, die dieses Bett ausstößt, so hat sich die Situation nun komplett gewandelt. Ella und Oscar wollen jetzt nämlich beide immer dort oben schlafen. Nicht mehr "nie", sondern "immer" lautet also die Parole. Die Eltern kommen verständlicherweise kaum noch nach bei den kreativen Bedürftnissen unserer Kinder.  Die momentane Lösung ist ein Wechsel: Eine Nacht der, eine Nacht die. Wie seit fünfeinhalb Jahren ist aber auch diese Schlafsituation nur eine Zwischenlösung, das ist uns klar.

Sonntag, 18. Dezember 2011

Unverkrampft feierlich.

Vermutlich liegt es an den zahlreichen Weihnachtsfeiern, die derzeit ausschließlich die Mutter im Hause begeht und aus diesen Gründen an vielen Abenden nicht anwesend sein konnte, dass Papas Popularität hier ohne eigenes Zutun und für Außenstehende eher überraschend in ungeahnte Höhen gestiegen ist. Ella ist ja ungefähr seit dem Abstillen Papa-Kind. Genau diese naturgegebene Aufteilung, nach der Oscar mutterfixiert und Ella vaterfixiert ist, bröckelt in diesen Tagen und es nicht so, dass Papa darauf sonderlich stolz ist. Vielmehr gilt es sich zu beklagen.

Nachts beispielsweise, häufig gegen 3 oder 4 Uhr, brechen hier nämlich plötzlich Diskussionen aus. Oscar stellt dann fest, dass Ella neben dem Vater liegen darf und er neben der Mama liegen muss. Dies, da ist Oscar die Uhrzeit völlig schnuppe, muss angesprochen werden dürfen. In langen Vokalreihen, ausgestoßen aus einem vor Wut verzerrten und aufgrund der Nachtzeit ordentlich bespeichelten Munde, erläutert Oscar seinen Eltern, dass er mit einem Platzwechsel liebäugelt. Papa hört sich das Spielchen dann erst einmal reglos an. Schließlich besteht in manchen Fällen die Möglichkeit, dass Oscar von Mama überredet werden kann, mit ihr statt des Vaters zu kuscheln. Dann geht es im Prinzip auch schon wieder ruck zuck weiter mit dem Schlafen.

Meistens aber lässt sich Oscar nicht abspeisen. Dass er mit der Mama kuscheln kann, ist ihm schließlich bekannt. Er liegt ja bereits neben ihr. Nein. Oscar argumentiert weiter und schließlich ist es der Vater, der davon zu berichten weiß, dass eine Seite neben ihm ja noch völlig kinderfrei ist. Oscar wird herübergehoben. Papa liegt dann genau zwischen den Kindern, die sich in diesen winterlichen Tagen auch immer recht eng an ihn kuscheln. Um die Mama herum ist dann immer viel Platz. Tollste Wendungen und Drehungen könnte sie des Nachts vollführen, während der Vater fixiert liegt wie eine wertvolle Vase vor dem Verschiffen.

Auch tagsüber wird häufig darum gestritten, wer neben Papa sitzen darf. Glücklicher Weise hat die Mutter ein dickes Fell und kommt scheinbar wunderbar damit klar, dass an unserem kreisrunden Küchentisch häufig drei Stühle dicht an dicht stehen, während wie ausgestoßen der vierte Stuhl im größtmöglichen Abstand gegenüber zu finden ist. Es ist der Stuhl der Mutter. In der nächsten Woche wird aber Papa zweimal abends weg sein. Eventuell kann die Mutter dann bei unseren hitzköpfigen Kindern wieder punkten.

Ansonsten ist hier der Umgang mit dem vor der Tür befindlichen Weihnachtsfest einerseits feierlich und andererseits "herrlich unverkrampft", wie es im ZDF genannt werden würde. A propos ZDF. Mama blickte durch das Wohnzimmerfenster und sagte: "Dieses Fenster sieht aus wie im ZDF." Als Begründung nannte sie eine Mischung aus Dreck, Weihnachtsschmuck und Luftfeuchtigkeit.  Ihr Gesprächspartner wunderte sich über die seltsame Assoziation und nickte kauend.

Feierlich ist unsere Weihnachtszeit, weil hier häufig ganz klassisch gesungen wird, um die Kinder auf die Tophits aus dem Weihnachtsgottesdienst ("Vom Himmel hoch" und "Ihr Kinderlein kommet") vorzubereiten, andererseits verstehen es nahezu alle Familienmitglieder hier, diese feierliche Stimmung immer wieder zu durchbrechen. Ella und Oscar sind wahre Meister darin:

"Mariaaaaaaaaaaa", brüllte Ella letztens aus der Küche heraus. "Un Joooooooosef", brüllte Oscar aus dem Schlafzimmer zurück. Ein weihnachtlicher Wechselgesang, dem katholischen Gottesdienst nicht unähnlich. Ella brüllte weiter: "betraaaaaaaaaaachten" und Oscar spielte Echo: "betraaaaaaaaaaaaaaachten".
Das ist unsere Version von "Ihr Kinderlein kommet" und wenn unsere Kinderlein auch am 24.12. in der Kirche zu derartigen Darbietungen bereit sind, dann steht Kreuzberg ein Gottesdienst ins Haus, der sich gewaschen hat.

Überhaupt sind die Kinder vor allem von der Weihnachtsgeschichte und allem Krippenzeug begeistert. Die Holzfiguren des Bethlehem-Stalls werden in immer kreativere Anordnungen gebracht (gestern bekniete ein Hirte zwei übereinander gestapelte Schafe, während der kleine Jesus unbeachtet daneben lag) und Oscar erzählt viel von Sternendeutern und Bethlehem, während Ella sich mal wieder nach der Existenz Jesu erkundigte, worauf die Mutter zum Haareraufen jedes praktizierenden Christen erwähnte, dass Jesus schon unfassbar lange tot ist. Frohe Weihnachten...

Ella findet derlei Hintergrundinformationen sehr wichtig. Nur so kam sie zu der interessanten Erkenntnis, dass die Menschen vor der Geburt des Christkindes gar nicht Weihnachten feiern konnten. Schade eigentlich. Ostern auch nicht.

Nebenbei verabschiedete sich in dieser Woche auch der zweite untere Schneidezahn unserer Tochter. Dass sie nichts davon bemerkte und den Zahn letztlich auch nicht fand, bedeutet für Ella natürlich materiellen Schaden, denn ohne Zahn keine Zahnfee und ohne Zahnfee kein Geschenk...

Sonntag, 11. Dezember 2011

Feenblut

Wie könnte ein Blogeintrag der zweiten Dezemberwoche anders beginnen als mit Kleinkindern, die in freudiger Erwartung des Nikolauses Schuhe putzen.

Sehen wir uns also an, wie Oscar am Abend des 5. Dezember seine Schuhsohle reinigt. Kurze Zeit später wird er erfahren, dass der Nikolaus gar nicht so sehr auf die Schuhsohle guckt, sondern eher auf den Gesamteindruck des Stiefels achtet. An Ellas professioneller Putztechnik sieht man dagegen, dass sie nun schon ihren sechsten Nikolaustag begeht. Einschlafen konnten die beiden dennoch nicht so recht. Für Mama und Papa, die Helfer des Nikolauses, bedeutete dies - wie in jedem Jahr - langes Warten, ehe Grunzgeräusche aus den diversen Betten dieser Wohnung verrieten, dass die Kinder den Kampf gegen das Wachbleiben doch noch verloren hatten. Am nächsten Morgen war das Schuhwerk randvoll mit Schokolade und Kinderliteratur. Es folgte eines der bedenklichsten Frühstücke, das wir je hatten. Einziger Bestandteil: Schokolade aus dem Stiefel. Ort: Flur.

Und als ob im Dezember nicht schon genug Ungeheuerlichkeiten passieren, in denen seltsame Fabelwesen wie aus heiterem Himmel Geschenke bringen, gesellte sich zu dem munteren Stelldichein der transzendenten Besucher auch noch die Zahnfee.
Was war geschehen?

Zunächst einmal befand sich in Ellas Adventskalender am 4.12. ein Döschen, auf dem "Meine Zähne" geschrieben steht. Ella wurde erläutert, weshalb sie dieses Döschen bald schon brauchen wird, woraufhin ein unterer Schneidezahn ganz fürchterlich zu wackeln begann. Runde 24 Stunden später - man befand sich mit der Kitagruppe gerade auf einem Ausflug - hielt Ella den Zahn in den Händen.

Ella, die vor Kurzem den Spitznamen "Hamster" verabreicht bekam, worüber noch berichtet werden wird, wäre aber nicht Ella, wenn sie nun Hals über Kopf die Zahnfee mittels Zahn-unters-Kopfkissen-Legens herbeibeordert hätte. Nein. Ella ließ sich das alles erstmal gründlich durch den Kopf gehen und entschied am Abend des 7.12.: "Die Zahnfee möge nun kommen."
Nicht auszuschließen ist, dass Ella den immensen Aufwand, den allein das Nikolausfest für ihre Eltern bedeutet und den immensen Aufwand, den der Adventskalender für ihre Eltern bedeutet, als solchen erkennt und demnach ohnehin durchblickt, dass sich hinter dem seltsamen Nikolaus und der noch seltsameren Zahnfee lediglich die ordinären Gesichter ihrer Erzeuger befinden. Wenn das so sein soll, dann ist Ellas Warten auf den 7.12. als extrem rücksichtsvoll zu werten, aber ihr Staunen über die eilig organisierte Bibi-Blocksberg-CD unter ihrem Kopfkissen, wo zuvor der Zahn lag, sprach eine andere Sprache.

Und als hätte der ausgefallene Zahn als letzte Amtshandlung noch seinen langjährigen Kumpel, ebenfalls Schneidezahn genannt, angestoßen, wackelt dieser seit Kurzem bedenklich. Ein Blick ins Biologielexikon verrät, dass da noch 19 Zähne erst wackeln, dann ausfallen und dann gegen ein Geschenk eingetauscht werden. Viel Arbeit für die Zahnfee. Und wenn Oscar sich dann irgendwann von seinem Schnulli trennt, weil er - wie seine Mutter gestern voller Liebe befand  - mit Schnulli dämlich aussieht, dann kann es passieren, dass eines Nachts die Zahnfee und die Schnullerfee in unserem Flur kräftig zusammenstoßen werden und der ganze Flur voll ist mit Feenblut.

Vom bösen Wort "Feenblut" schnell zurückgeschwenkt auf das liebe Wort "Hamster". Ella hat nach anfänglicher Skepsis mittlerweile auch akzeptiert, dass Hamster liebe und niedliche Tiere sind. Man muss sich also nicht groß ärgern, wenn man nach diesen kleinen Nagern benannt wird. Ella hat sich diesen Namen deshalb so doll verdient, weil sie die Dinge, die ihr lieb und teuer sind, zunächst hamstert. Lange Zeit lag eine angebissene Schale des Überraschungseis bei uns auf dem Tisch. Sie war nicht etwa Müll, sondern von unschätzbarem Wert, denn es handelt sich um Kinderschokolade, die einzige Art Schokolade, die unsere Tochter isst.
Ella isst - wenn ihr etwas gut schmeckt - nicht einfach weiter, sondern sie hamstert. Kleine Häuflien trägt sie so zusammen und Papa hilft dann manchmal beim Suchen eines geeigneten Hamsterortes, der vor allem von Oscar nicht erreicht werden kann, dessen Esskultur in Bezug auf Schokolade weniger einem Hamster, mehr schon einem Raubfisch ähnelt. Kleine Anekdote am Rande: Oscar stapfte gestern durch die Wohnung und brabbelte einen Satz von unendlicher Falschheit. Der Satz lautete "Ich mag keine Süßigkeiten" und ist damit zu erklären, dass er das Wort "Süßigkeiten" noch nicht kennt. Und was der Bauer nicht kennt...

Am heutigen Sonntag trennten wir uns mal wieder auf. Ella bastelte auf hohem Niveau und war mit Mama deshalb stolze 5 Stunden weg. Papa und Oscar gönnten sich auf dem Weihnachtsmarkt Pommes. Oscar keuchte mit Pommes im Mund: "Ich hab Durst". Papa schlich daraufhin wohl auffällig oft an der Preistafel herum und murmelte etwas von "teuer". Auch dieses Wort kannte Oscar noch nicht. Dann aber wusste er, was "teuer" ist. Er bekam eine Fanta gereicht. Oscar schlürfte. Die Fanta war a) kalt und b) süß. Und dann war sie ja auch noch - Oscar hatte seinem Papa da ganz genau zugehört - c) teuer.
Oscar ließ die ersten Schlucke über sich ergehen. Dann aber störte ihn zunehmend entweder die Eigenschaft a oder die Eigenschaft b des gelben Getränkes. Argumentieren tat der Herr Neunmalklug aber mit Eigenschaft c und so wunderten sich die niederländischen Weihnachtsmarktbesucher an unserem Tisch mal wieder über diese seltsamen Deutschen, die in jungen Jahren von der Fanta trinken, danach den Mund verziehen und laut rufen "Die is zu teuaaa".

Sonntag, 4. Dezember 2011

Medizinische, psychologische und religiöse Fragen finden ihre Antworten

Die Antworten auf manche Fragen finden sich dann irgendwann doch noch. Ein schöner Satz.
Und wahr ist er auch, denn als sich Mama den Beipackzettel des milchigen Medikamentes durchlas, welches Oscar bis in diese Woche hinein täglich verabreicht bekam, da stand dort schwarz auf weiß geschrieben, wie unser Sohn sich gerade verhält: Übermüdet und gereizt, so der Beipackzettel, könne Oscar schon werden im Zuge der Behandlung.

Oscar, der die Einnahme des Medikamentes ja zunächst komplett verabscheute (wir berichteten), hatte nur kurz ein neutrales Verhältnis zum rosa Gesöff, denn seine Abneigung schlug fast innerhalb von Sekunden in Begeisterung um. Als die Flasche des Antibiotikums immer leerer wurde, da war Oscar schon so weit, dass er aufgeregt durch die Wohnung rannte und freudig "Me Di Zin" schrie, wenn Mama nach der Flasche griff. Kurz darauf war er dann wieder müde und gereizt und wir sagen als Fazit: "Daumen rauf, Geschmacksveredler des Medikamentes!" und "Daumen rauf, Schreiberling des Beipackzettels" - Ihr beide leistet gute Arbeit.

Auch für eine Facette des seltsamen Verhaltens unserer Tochter, das ja auch sehr facettenreich ist, fanden wir in diesen Tagen eine Erklärung. Ella nämlich, die mit ihren fünfeinhalb Jahren noch immer jede Nacht zu den Eltern kriecht, wurde einfach mal in Oscars Bett gelegt, da der Herr ja mittlerweile schon gar nicht mehr weiß, dass er auch ein Bett besitzt.
Ella fühlte sich sofort pudelwohl in diesem Bett, das früher ja mal ihr gehört hat. Die nächsten Nächte schlief sie immer durch und als es darum ging, sich als Belohnung eine Nacht mit Papa im Arbeitszimmer abzuholen, da sagte Ella, dass sie lieber doch noch eine Nacht im Kinderzimmer schlafen möchte.

Dipl.Psychologin Mama erklärte das Beobachtete am Frühstückstisch dem staunenden Vater: Ella habe damals beim Umzug nach Berlin ihr Bett eintauschen müssen (Anmerkung: Gegen ein absolutes Top-Hochbett) und sie habe ihre Freunde verloren. Das alte Bett habe sie in Wahrheit nie hergeben wollen. Papa nickte kauend und nun liegt Ella wieder im Kleinkindbett Marke "Elefant". Eng und geborgen hat sie es da und sie schläft tatsächlich fast jede Nacht komplett durch. Oscar auch - zwischen Mama und Papa, da, wo Superhelden nun mal schlafen.

Großartiges spielte sich dann am Freitagmorgen ab. Mama kleidete sich an, Ella beobachtete das Schauspiel. Mama griff nach einer schwarz-weiß gestreiften Unterhose. Dann griff sie nach einer grauen Strumpfhose und zog diese darüber, wobei die Unterhose lustig durch die Strumpfhose schimmerte. Ella stutzte. Dachte kurz nach. Rannte ins Kinderzimmer und kam zurück mit einem Buch, in welchem sehr viele Tiere abgebildet sind. Sie deutete auf ein Tier und sagte zu ihrer Mutter: "Du siehst aus wie das Tier da". Mama musste zugeben, dass dieses antilopenähnliche Tier tatsächlich exakt so gefärbt war wie sie selbst. Man guckte nach, um welches Tier es sich handelte. Und wer die letzten Blog-Einträge aufmerksam gelesen hat, der wird verstehen, dass sich Ella und Mama vor Lachen in den Armen lagen, als sie erfuhren, dass es sich beim der Mama täuschend ähnelnden Tier um ein Okapi handelte.

Nebenbei ist ja jetzt auch Weihnachtszeit. Oscar nennt Weihnachtsmänner konsequent "Weinzermann" und beide Kinder spielen gerne mit der Holzkrippe, die sie irgendwann einmal vom Patenonkel geschenkt bekamen. Fragen werden gestellt von unseren wissbegierigen Kindern. Fragen, die die atheistischen Eltern nicht immer beantworten können.
Ella wollte wisse, ob das Jesuskind tot sei. Papa antworte vorschnell "Ja", fügte dann aber schnell noch die Sache mit der Auferstehung hinzu. Ella war interessiert. Papa und Mama redeten sich dann aber um Kopf und Kragen und brachten alles durcheinander. Karfreitag. Ostersonntag. Christi Himmelfahrt. Wir waren alle sehr verwirrt. "Wir brauchen Ahmet", sagte Papa. Aber Ahmet geht leider schon in die erste Klasse. Das Vakuum, welches er in religions-pädagogischer Sicht hinterlassen hat, vermögen wir hier nicht zu füllen.

Oscar löste die Frage dann aber auf seine Weise. Er griff sich das Jesuskind aus der Krippe, drehte es um und drosch es mit dem Gesicht voran auf den Küchentisch. "Guck mal, das Jesuskind ist jetzt tot", brüllte er wie seinerzeit Nietzsche. Vorweihnachtliche Stimmung sieht in anderen Wohnungen sicher anders aus. Ins Bild passt dann aber durchaus, dass Ella und Oscar derzeit recht häufig die Kassette "Benjamin Blümchen und das Osterfest" hören. Naja, es bleiben uns noch knapp drei Wochen, die besinnliche Stimmung herzustellen.

Weihnachtsmärkte werden uns dabei nicht mehr behilflich sein, denn der heutige Ausflug zu Bauer Lehmanns Weihnachtsmarkt in Marienfelde war unerfreulich. Ella hatte schlechte Laune und Durst und musste pinkeln und kippte den Kakao um und konnte nichts sehen und fand alles doof. Oscar rannte in jede Pfütze und konnte sonst auch nichts sehen. Mama und Papa konnten das alles sehr gut sehen. Lust auf Weihnachtsmärkte haben wir dann wieder in 12 Monaten.

Sonntag, 27. November 2011

Zuckerwatte, leicht verschwommen

Wir beginnen den heutigen Blogeintrag mit einem überaus langweiligen technischen Hinweis: Seit letzter Woche haben wir hier irgendwie ein Update der Blog-Software installiert. Neben vielen neuen Funktionen, die uns aber noch gänzlich verborgen sind, gibt es auch eine Änderung bezüglich der Bildgrößen. Man kann wählen zwischen "klein", "mittel" und "groß". "Mittel" - und hier fängt es an, doof zu werden, ist aber deutlich größer als das, was wir gewohnt waren. "Klein" ist tatsächlich "kleiner" - was "groß" bedeutet, haben wir nicht ausprobiert - wir ahnen aber, dass das auch nicht gut ist. Nach schlaflosen Nächten und vielen vergossenen Tränen haben wir uns nun für die Bildgröße "klein" entschieden. Wer mag, kann die Bilder ja per Mausklick auch in groß sehen.


Wir wissen nicht, wann und wo wir in der Erziehung unseres Sohnes Fehler gemacht haben, aber es ist unserer Meinung keineswegs als großer pädagogischer Erfolg zu werten, dass Oscar sich artikuliert wie ein Fußballfan in der Ostkurve.

Der Junge kann ja nun wirklich noch nicht allzu lange sprechen, insofern ist diese Art der sprachlichen Schwerpunktsetzung schon erstaunlich. Oscar redet nicht groß übers Wetter oder erzählt von Tieren oder von so Dingen, von denen Jungs in seinem Alter halt sprechen. Nein. Oscar brüllt - gerne auch am Tisch - laut und im Rhythmus der Fankurve "Bo! Chu! Mer!" oder auch "Le! Ver! Ku! Sem! Ber!" und guckt dabei streng in die Runde. Dass Oscar weit ab vom Ruhrgebiet aufwächst, glaubt auch keiner, der ihn letztens laut "Kollege!" hat schreien hören. "Kollege" ist in Nordrhein-Westfalen, dort also, wo die Bochumer und Leverkusember wohnen, ja durchaus eine sinnstiftende Gesprächseröffnung, hier in Berlin aber nicht. Und so stehen wir neben dem 93 cm großen Fußballfan mit dem westfälischen Idiom und fragen uns ernsthaft, wie das passieren konnte. Hat er das von uns? Rennen wir hier durch die Wohnung, schreien die Namen von irgendwelchen Fußballclubs (das ist möglich...) und reden uns mit "Kollege" an (das ist nicht möglich...)?

Vielleicht hat das Ganze ja auch andere Gründe, denn Oscar wird zur Zeit medikamentös behandelt. Als er nämlich am Donnerstagmorgen "aua" schrie, als Mama ihm den Pullover über die Ohren ziehen wollte, da war eigentlich schon klar, was kurz drauf die Ärztin bestätigte: "Mittelohrentzündung, Kollege."

Oscar sieht sich seitdem mit einer milchigen Flüssigkeit konfrontiert, dessen Geruch prinzipiell an Erdbeereis erinnert, die scheinbar aber nicht nach Erdbeereis schmeckt, da Oscars Gesicht nach dem Genuss von Erdbeereis deutlich zufriedener aussieht als sein schreiendes und sich windendes Gesicht beim Erhalt dieses Saftes. Dass der Saft gesund macht, hat Oscar begriffen und auch schon am Donnerstagabend in die Tat umgesetzt. Verbunden mit einer stets in Aussicht gestellten Belohnung, die meist aus ein oder zwei Gummibärchen besteht, schluckt er mittlerweile aber extrem tapfer das vermutlich eklige Zeug. Kein Winden mehr seit Freitag. Und bald schon ist die Flasche leer getrunken und darf in den Müll wandern.

Ella durfte sich dann am Wochenende ihre erlogene Brille (wir berichteten vor zwei Wochen) abholen. Wortgewandt und eloquent fuhr sie mit dem Vater zum Optikerladen um in selbigem nach Erhalt der roten Brille zu verstummen. Entweder tief beeindruckt oder schockiert von der neuen Sicht auf die Dinge, wanderte kein Wort mehr über ihre Lippen. Draußen wurde die Brille dem Vater gereicht. Momentan ginge es ja auch so, man müsse das mit der Brille ja noch üben. Unbebrillt spazierte man über den Weihnachtsmarkt und fuhr eine Runde Karussell, dann erklärte man dem Vater, dass das Gucken mit der Brille "irgendwie so verschwommen" sei. Der Vater ballte in der Jackentasche die Faust.

Am Wochenende machten die Eltern einen Fehler. Der Vater war für den heutigen Sonntag seit längerem verplant, denn er fährt jedes Jahr im Winter an einem Tag in eine andere deutsche Stadt um da den VfL Bochum (Bo! Chu! Mer!) verlieren zu sehen. So war der Vater heute kinderlos in Braunschweig unterwegs, während die Mutter mit beiden Kindern auf einen Weihnachtsmarkt nach Dahlem fuhr. Auch wenn sie im Anschluss behauptete, dass alles glatt gelaufen wäre, bis auf die Tatsache, dass Ella nach dem Erblicken einer verschwommenen Zuckerwatte durch ihre Brille so lange nervte, bis sie eine Zuckerwatte erhielt und bis auf die Tatsache, dass Ella rechtzeitig zur Weihnachtszeit eine wenig sympatische materialistische Seite in ihr entdeckt hat ("Mama, wir müssen noch irgendetwas kaufen"), auch wenn sonst also alles toll war, mit Märchenerzählern, Tieren und Mama, hätte man aus Papas Sicht das alles auch am Samstag, also mit Papa machen können.

Denn am Samstag war stattdessen Weihnachtsbäckerei. Und dies sprach sich in unserem Haus schnell herum. Janek war plötzlich in unserer Küche, dann kam auch Grezia kurz mal vorbei. Schließlich saßen auch noch Rafa und Simon in unserem Wohnzimmer. Bei all dem gab es auch noch viel Mehl. Überall. Kinder, Mehl, Teig, Oblaten (an denen sich Oscar verschluckte und daraufhin in den Flur brechen musste), noch mehr Kinder, Ausstechformen und immer mehr Mehl. Papa war am Ende. Seine CDs durften auch nicht laufen, denn in der Weihnachtsbäckerei hört man nicht Diskurs-Pop oder Alternative-Rock. Nein, da hört man Weihnachtslieder und ganz besonders gerne die Kinderweihnachtslieder, die an Dümmlichkeit nur schwer zu überbieten sein dürften. Wie gesagt: Man hätte das alles ja auch am Sonntag machen können, während der Vater in Braunschweig... aber egal.

Zum Abschluss noch dies: Ella ist nicht dumm. Das wissen wir alle. Seit ein paar Tagen betont Ella immer häufiger, wie furchtbar doof sie Schokolade in Weihnachtskalendern findet. Doof sei das voriges Jahr immer gewesen, wenn da Schokolade drin war. Wir hören diese furchtbare Kindheitserinnerung unserer hart geprüften Tochter nun fast täglich. Klar ist, dass Ella die Planungen für den kommenden Weihnachtskalender beeinflussen möchte. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass Oscar letztes Jahr immer dann enttäuscht war, wenn keine Schokolade im Kalender war, sondern ein ungenießbarer Flummi oder so was in der Art, und wenn man dann bedenkt, dass Eltern den Anspruch haben, ihrer Kinder immer irgendwie gleich behandeln zu wollen, dann ist klar, dass das Erstellen eines Weihnachtskalenders, das in diesen Tagen ansteht, keine vergnügliche Arbeit ist, sondern hochkompliziert und an der Schwelle zur Unlösbarkeit ist. Wir werden sehen, welches Kind zuerst weint.

Sonntag, 20. November 2011

Die Definition von Kuscheln

Oscar, über dessen Sprechfähigkeit wir uns vor Monaten noch einige Sorgen machten, ist deutschlandweit der einzige Zweijährige, zu dessen Wortschatz das Wort "Schabrackentapir" gehört. Rein medizinisch betrachtet dürfen wir unseren Sohn nun also als geheilt bezeichnen, denn Sprachprobleme hat niemand, der beim Frühstück mit Schoki-Mund "Schabrackentapir" hustet.


Verdanken tut Oscar dieses schöne Wort übrigens dem besonders ausgeklügelten Musikgeschmack des Vaters. Der Liedermacher Funny van Dannen ist es, der in regelmäßigen Abständen hier zu hören ist, und in dem großartigen Song "Okapiposter" geht es nun mal darum, dass sich jemand ein Okapiposter wünscht, dann aber - große Enttäuschung - kein Okapiposter, sondern ein Schabrackentapirposter bekommt. Oscar und Ella lieben das Lied und singen fröhlich mit. Und wenn Besuch da ist, dann kommt es vor, dass der Vater - um anzugeben - den Refrain bis zur entscheidenden Stelle intoniert, dann innehält und Oscar das große Finale überlässt. Oscar atmet dann tief durch, konzentriert sich und singt "Schabakntapii". Das ist derzeit Papas Lieblings-Zirkusnummer hier.


Ella dagegen tut das, was neben ihr noch mindestens zwei uns bekannte Kinder tun, nämlich das Lied mit dem Schinken und dem Ei hören:
Vor allem morgens bekommt Ella große Lust auf das Lied, vielleicht inspiriert vom Frühstück. Noch vor 8:00 läuft dann also der Song "Eisgekühlter Bommerlunder" in Endlosschleife. Denn wie man einen CD-Player bedient, das weiß Ella mittlerweile. Und wenn Song Nr.18 eben immer und immer wieder zu laufen hat, dann weiß Ella, welche Hebel der Anlage sie dafür in Bewegung zu setzen hat und beschallt das Haus mit dem "Bommerlunder".


Um die derzeitigen Musikvorlieben unserer Kinder nun zu einem Abschluss zu bringen, kommen wir noch einmal auf den Liedermacher Funny van Dannen und seinen jungen Fan Oscar zu sprechen. Oscar sagt beim Essen meistens irgendwann folgendes: "Wo ist der Mann, der 'Mohnkuchen singt?" - Papa reicht dann eine CD mit dem Konterfei des Barden. Manchmal gibt sich Oscar damit zufrieden und sieht die CD bewundernd an, manchmal aber braucht Oscar mehr. Dann sagt er: "Ich will das 'Mohnkuchen' hören" und dann legt Papa die CD ein und die ganze Familie lauscht dem Song "Mohnkuchen", in dem es um Trennung und Schmerz und Kuchen geht. Oscar, Ella und Papa singen meist glücklich mit, während Mama isst.


A propos Mama. Diese ließ an diesem Wochenende den Familienrest alleine. Man besuchte Ella Patenonkel, der in Weimar Geburtstag feierte und konnte sich mal wieder benehmen wie damals als man kinderlos war. Mama feierte, schlief drei Stunden und musste dann schon wieder zurück, denn das Wochenende war um.


Papa schlief in dieser Nacht zwei mal drei Stunden. Es wäre gelogen, statt von "zwei mal drei" von sechs Stunden zu sprechen, denn Oscar teilte mit dem militärisch artikulierten Befehl "Kuscheln!" die Nacht in ein "Davor" und ein "Danach".
Papa war bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht so recht klar, dass Oscar recht eigenwillige Vorstellungen vom Kuscheln hat, da der Sohn dieses Vorhaben meist mit der Mutter erledigt. Diese jedoch tanzte in Weimar wie eine Sechszehnjährige. Oscar musste den Vater in die Welt des Kuschelns einführen und das dauerte. Denn Vater begriff nicht.


Papa ließ nämlich, durchaus müde, lediglich eine Hand in Richtung Körper des Sohnes sinken, auf das diese dort irgendetwas verrichte. Den Kopf streicheln, die Schulter berühren. Das verstand der Vater bis gestern unter Kuscheln um 3:00 nachts. Nicht so Oscar. Oscar schrie seine Enttäuschung durchs Zimmer. Gleichzeitig zerrte er sich den gleichermaßen willenlosen wie verunsicherten Vater in die Position, die Oscar für gut befand. "Kuscheln", das lernte Papa in dieser Nacht, ist in Oscars Falle ein in sich Verzahnen zweier Körper - eine Umarmung wie man sie sich von einem verunglückten Bergsteiger denken mag, während dieser von einem Sanitäter, der sich von einem Hubschrauber in die tiefe Schlucht abgeseilt hat, emporgezogen wird. Neben dieser unterm Strich viel zu heftigen nächtlichen Umarmung bestand Oscars Kuscheln auch aus der massiven Verlagerung seines Körpers auf den bekuschelten Vater. Ein Windelhintern fand sich plötzlich auf dem Gesicht, heftige Fußtritte im Magen wieder. Kuscheln mit Oscar war eine echte Belastung, aber heute ist ja dann die Mama wieder da...

Ob alles sauber bleiben wird, wissen wir aber noch nicht, denn kurz bevor Mama gen Weimar verschwand, da schlich sich in das Mutter-Sohn-Verhältnis eine erotische Note. Freudianer hergehört: Als die Mutter leicht bekleidet ins Wohnzimmer trat, gingen Oscar die Augen über. Kann in einem knapp Dreijährigen die Männlichkeit erwacht sein? Er ließ seine Holzeisenbahn wie in Trance sinken, setzte sich dem - wir betonen - leicht bekleideten Mama auf den Schoß und zerrte am BH. Zur Freude des anwesenden Vaters loderte in Oscar weitere Neugierde. Er begrapschte die Mutter auf billigste Weise und versuchte, den BH zu entfernen. Zwei Interpretationen sind denkbar: Die Version 1, nennen wir sie "Vergangenheit" erklärt Oscars Verhalten mit der Erinnerung an die Stillzeit. Die Version 2 dagegen nenen wir "Zukunft" und deutet an, dass sich die Kreuzberger Mädels in einigen Jahren auf die frechen Hände unseres Sohnes freuen dürfen.  


Heute ist Totensonntag. Morgen beginnt demnach die Weihnachtszeit. Am Ku'Damm stehen deswegen schon ein paar überdimensionale Weihnachtsmänner herum. Es ist mit Sicherheit das letzte Jahr, in dem wir Ella noch schön mit dem Weihnachtsmann volllügen können. Das will ausgenutzt und perfektioniert werden. Bei Oscar dagegen ist das alles noch nicht so schwer. Als Papa relativ gleichgültig am Weihnachtsmann des Ku'Damms vorbeiging, da konnte sich Oscar, der an Papas Hand lief, ja auch drauf verlassen, dass Papa sich weiter auf den Weg konzentriert. Oscar nämlich konnte nicht mehr nach vorne gucken. Er ließ sich einfach durch Charlottenburg-Wilmersdorf ziehen und glotzte minutenlang zurück zu diesem seltsamen Mann, der die nächsten fünf Wochen durchaus tonangebend sein dürfte.  













Sonntag, 13. November 2011

Vermisste Mützen, erlogene Brillen und vernünftige Mütter

Wir müssen mit einem Nachtrag zur letzten Woche beginnen, denn von Ellas Augenarztbesuch wurde nur unvollständig berichtet.

Beim wackeren Arzt, der aus Ellas widersprüchlichen Aussagen bezüglich seiner Messungen schließlich einen Mittelwert berechnete und den wir aufgrund dessen ein wenig belächelten, müssen wir uns entschuldigen, denn - so vermutet die Mutter - Ella hat alles inszeniert. Wir haben der jungen Dame wohl so lange von Brillen vorgeschwärmt, bis ihr Entschluss fest stand, eine haben zu wollen. Da sie zudem nicht dumm ist, wusste sie genau, dass sie beim Augenarzt nicht allzu viel richtig machen darf um das Vorhaben "Brille" nicht zu gefährden. So log sie sich durch die Abbildungen und wird demnächst dann ihre aus Lug und Trug gefertigte Sehhilfe in Empfang nehmen. Wir sind gespannt, ob Ella dann zufrieden ist, mit ihren viel zu starken Gläsern.

Und nun von Ellas Brille (, die noch nicht ist) zu Oscars Mütze (, die nicht mehr war). Es war im Bus nach Grunewald, als Papa und Oscar sich vom Sitz erhoben und Oscars heiß geliebte Mütze einfach liegen ließen. Erst am nächsten Tag wurde uns der Verlust klar und als sich dann der schlimme Satz "Wir haben Oscars Mütze verloren" langsam durch Oscars Ohren in sein Hirn fraß, konnte man einen kleinen Jungen dabei beobachten, wie in ihm eine Welt zusammenbrach. Oscar war tief erschüttert. Wenig konnte ihn danach zufrieden stellen. Mama und Papa zeigten abwechselnd im Internet per Bildersuche gegoogelte Mützen, die Oscar zwar mit Interesse zur Kenntnis nahm, dann aber stets traurig und vorwurfsvoll die tollen Eigenschaften seiner verlustig gegangenen Mütze in die Elterngesichter jammerte "Die war blau mit hellblau".

Als Papa und Oscar dann vor einer nicht virtuellen, sondern vollkommen realen Mützenkiste standen und Oscar diverse Mützen aufgesetzt bekam, wiederholte sich dies. Zunächst ließ er alles über sich ergehen, fand viele Mützen auch toll, doch als Papa ernst machen und zur Kasse gehen wollte, da verfinsterte sich Oscars Miene, während er von seiner verlorenen Mütze berichtete. Blau und hellblau. So wie die war keine im Mützenladen.
Die traurige Erkenntnis war also: Der Winter steht vor der Tür und Oscar akzeptiert keine Mütze außer der verlorenen. Schlimme Szenen muss man sich dann auch im Fundbüro der BVG denken, wo Oscar erfahren musste, dass seine Mütze auch dort nicht aufgetaucht sei.

Dann aber fand Mama irgendwann spät nachts mit blutunterlaufenen Augen die Mütze im Internet. Großer Jubel brach aus, während Oscar schlief und vermutlich von blau-hellblauen Mützen träumte. Zwei Tage später klingelte der Postbote. Oscar holte diverse Textilien aus dem Päckchen und hielt schließlich seine Mütze in der Hand. Trotz Nutella-Gesicht war der überglückliche Sohn natürlich gerne bereit, diesen Moment mit einem Foto festzuhalten.

Während Oscar von nun an also tief beeindruckt von der Eigenschaft des Postboten ist, größte Wünsche zu erfüllen, ist er dem Lügen-Konstrukt "Weihnachtsmann" schon auf der Schliche. Als er nämlich alleine im Zimmer mit Mamas Laptop war, da öffnete Oscar mal eben die recht gut versteckte Datei, in der die Mama alle Weihnachtsgeschenk-Ideen notiert. Oscar las sich alles mit Interesse durch, weiß aber vermutlich dennoch nicht viel über das bevorstehende Fest, weil ihn derzeit nur O's und E's interessieren. Vielleicht waren da ja welche dabei in Mamas geheimer Liste...

Oscars technisches Verständnis hatten wir an anderer Stelle schon einmal gewürdigt. Von umprogrammierten Fernbedienungen und um 180° gekippten Monitorbildern ist hier schon berichtet worden. Und als die Mama heute so schimpfte über Oscar und die von ihm geöffnete Geheim-Datei, da fuchtelte sie mit ihrem Handy und zeigte dem dann stolzen Papa, was Oscar mit eben diesem Gerät so vor hat. Er möchte - so ist es in den "Entwürfen" von Mamas SMS abgespeichert - ein paar Nachrichten (Text: "uiiii") verschicken, darunter sogar eine eigens aufgezeichnete Audio-Aufnahme von irgendetwas. Als geplanter Empfänger ist Frau Hartmann aus Dresden vorgesehen. Audio-Aufnahmen würden wir auch gerne mal versenden. Leider weiß hier nur Oscar, wie das funktioniert.

Das Wochenende, an dem Oma Münster nebst Miet-Opa zu Besuch war und an dem Cousin Rufus seinen ersten Geburtstag feierte, endete spektakulär. Ella und Oscar wurden in die Badewanne gesetzt. Es wurde ihnen gestattet, ein wenig mit Wasserfarbe zu hantieren. Papa und Mama verließen dann das Bad. Pausenlose Jubelschreie verkündeten, dass kein Kind zu ertrinken droht, dies - so die Eltern - muss als Aufsicht reichen.

Als die Eltern ins Badezimmer eintraten, strampelten völlig überdrehte Kinder wie junge Hunde in der Wanne. Das gesamte Badezimmer war mittlerweile übersät von roter und blauer Farbe. Akustik und Optik ließen eindeutig auf ein Schlachthofszenario schließen. Hier schwappte Wasser in hohem Bogen über den Wannenrand, dort schmierte sich jemand quietschend roten Glibber ins Gesicht.
Ella, Oscar und Papa mussten aufgrund der überaus grotesken Situation lachen, während sich die Mutter auf besonders ekelerregende Weise als Vernunftsperson aufspielte und den Sauhaufen zu kritisieren wagte.

"Hast du überhaupt Shampoo benutzt?", fragte sie erst den Gatten, der daraufhin schwieg ("---") und dann den Sohn der daraufhin log ("ja"). Noch einmal warf sie die gerade väterlicherseits abgetrockneten Kinder in die Wanne und schrubbte sie sauber. Als Hauptindiz der vernachlässigten Haarpflege galten übrigens ein jeweils roter Wasserfarbenstreifen auf (a) dem Scheitel des Sohnes und (b) dem Scheitel der Tochter.

Sonntag, 6. November 2011

Sehen. Hören. Sprechen.

Ella sprach beim Abendbrot ziemlich deutlich aus, was alle dachten: "Die Katze tritt die Treppe krumm." Damit war endgültig bewiesen, dass ihre Tage beim Logopäden gezählt sein dürften und so befand selbiger heute auch, dass Ella noch exakt zehn Mal zu erscheinen habe und dann offiziell zu den Menschen gehören wird, die die Buchstaben K und T sowie G und D ohne Verwechslungsgefahr aussprechen können.

Das ist schon mal gut, denn als Ella, die ja mittlerweile gierig alle Buchstabenansammlungen in sich aufsaugt, die Leuchtbuchstaben "Wittenbergplatz" laut durch den Bus brüllte, sagte sie immerhin "Fittenbergplatz" und nicht selbiges Wort mit k statt t. Jedenfalls nicht so richtig... Es ist im Übrigen wirklich großartig, wie Ella sich derzeit das Lesen und Schreiben beibringt, auch wenn sie sich da manchmal noch überschätzt.

So antwortete sie auf des Mamas Frage, wer denn mitkommen wolle zum Einkaufen, in ebenso altkluger wie kurioser Weise: "Die mit E anfangen dürfen auch was mit E sagen: Ech!"
Das Personalpronomen Ech kritzelte Ella auch heute mit Kreide an die Spielplatzmauer. "Oma Ech Hap Dech Lip" und wir sind uns an dieser Stelle vollkommen darüber im Klaren, dass dies nur Omas und Eltern süß finden.

Interessant für den Rest der Welt dagegen ist folgendes: Ella kann zwar super sehen, aber schlecht hören. Dies befinden die Eltern einstimmig nach langer Beobachtungszeit. Ella kann beispielsweise erkennen, dass das Stück Käse, welches man ihr reicht, um etwa 5 Milimeter kürzer ist als jenes, welches kurz zuvor im weit geöffneten Schlund des Bruders verschwand. Sprechen tut sie dagegen in einer Lautstärke, die man von schwerhörigen Senioren oder Bundeswehroffizieren kennt. Hinzu kommt, dass Mama an der Haltestelle Hagenplatz den Namen der Station rund fünf Mal wiederholen musste, weil Ella nach jedem "Hagenplatz" laut "Was?" schrie. Die Mitfahrer im Bus stiegen schon genervt aus, war ja sowieso fast Endstation.

Und was bekommt ein Kind, das so gut sieht und so schlecht hört? Richtig. Eine Brille. Und zwar eine Rote. Dies stellte zumindest ein überforderter Augenarzt fest, der eine Dioptrinzahl in den Augen unserer Tochter fand, die sie nicht den Toast auf dem Teller finden lassen dürfte.

Er teilte - ganz medizinischer Profi - den gemessenen Wert durch zwei, nannte dieses Meisterwerk der Diagnose dann "Mittelwert" und schickte Ella mit dem Befehl "Brille" nach Hause.
Ella findet's gut. Mama und Papa hatten in den Wochen vor dem Augenarztbesuch schließlich schon von der wunderbaren Welt der Brillen geschwärmt.
Selber vier Kontaktlinsen in den alterstrüben Augen sprachen sie von Brillen in den tollsten Farben. "Rot." sagte Ella dann. Die Brille soll rot sein, nicht "rog", denn Ella kann jetzt nicht mehr nicht sprechen, sondern nicht gucken.

Oscar derweil geht mittlerweile fast wöchentlich zum Fußball und muss jedes Mal auf dem Hinweg oder spätestens im Stadion erfahren, dass nicht der VfL Bochum spielt. Am Sonntag stand der Knirps im Mommsenstadion, deutete auf die sich warm laufenden Spieler von TeBe und hüpfte "Da sind die Bochum-Männer". "Nein, Oscar. Das ist TeBe."
Dann Tränen, klar. Am Schluss war aber alles in Ordnung "TeBe! TeBe! TeBe!" rief ein glücklicher Junge, der aber demnächst mit seinem Vater mal nach Bochum reisen wird, wo die Bochum-Männer spielen. Übertrieben findet dies nur, wer Oscar noch nie im Treppenhaus sitzen gesehen und Minuten lang "Bochum" schreien gehört hat.

Sonntag, 30. Oktober 2011

Echte Jungs brauchen keinen Bauchnabel

Mit den Fotos für den heutigen Blog sind wir nicht so recht zufrieden. Vielleicht liegt es am Herbst, denn im Herbst wird die Haut käsig und das elektrische Licht tut sein Übriges. Und dann kommt noch hinzu, dass man bildlich festhält, wie Ella per Kaffeemaschine Kaffee kocht, weil sie das jetzt kann, und dann muss man beim Betrachten des Fotos feststellen, dass die Kaffeemaschine derart verdreckt ist, dass man das Bild von der relativ sauberen und hochkonzentrierten Ella mit der gammeligen Maschine dann auch nicht zeigen kann. Das ist doof. Dass Ella nun Kaffee kochen kann, ist dagegen wunderbar.

Hochmotiviert stapft sie in die Küche, wenn ein müdes Elternteil "Kaffee" sagt. Dann rumpelt es ein wenig in der Küche und irgendwann heißt es dann "Kaffee ist fertig". Und während Ella nun neben kleinen Einkäufen, dem Tischdecken, dem Zahnbürstenbereiten, dem Kaffeekochen und vielen anderen Dingen schon nahezu den gesamten Haushalt alleine schmeißen könnte, wurde Oscar von der Schnullerfee berichtet.

Oscar fand das alles ziemlich interessant und hörte sich die Spielregeln genau an. Er müsse seinen Schnuller auf das Fensterbrett legen, dann würde diese seltsame Fee kommen und ihn gegen ein Geschenk austauschen. Und wer in diesen Tagen Oscar zu Gesicht bekommt, der sollte nicht versäumen, ihn nach seinem Wunsch von der Schnullerfee zu fragen, denn niemand im deutschen Sprachraum kann so schön "Oko la ten ku chen" sagen wie Oscar. Verschämt und meist mit einem Finger im Mund artikuliert er diesen Wunsch nach Schokoladenkuchen und da wir nicht so genau wissen, wann die Schnullerfee nun tatsächlich kommen wird, hat die Mama ab jetzt immer die Backzutaten für Okolatenkuchen da. Okolate und so zum Beispiel.

Es wird also demnächst so ablaufen: Oscar legt den Schnuller aufs Fensterbrett. Er schläft. Mama backt. Papa sieht fern. Dann kann es durchaus sein, dass Oscar wieder wach wird und - wie zuletzt geschehen - weinend mit der gesamten Faust im Mund fuhrwerkt. Niemals wird er den Grund seiner Unpässlichkeit selber nennen, aber auf Nachfrage gibt er gerne zu, dass er nun doch noch seinen Schnuller wünscht.

Dann, so die Mama gelassen, wird der Okolatenkuchen zur Arbeit mitgenommen. Man darf sich an Mamas Arbeitsstelle gegebenfalls auf recht häufiges Kuchenessen freuen. Momentan jedoch ist Oscar zu sehr Realist, als dass er den Schnuller abends abgibt.

Es gibt ja auch neben dieser Schnullertfee-Sache so viel zu tun. Beispielsweise musste er in der Kita sich selbst malen, damit er dann darüber sprechen kann und diese Sprechleistung in seinem Sprachtagebuch oder so ähnlich dokumentiert wird.

Oscar malte also drauf los und während er so malt, streuen wir eine kleine Erinnerung ein: Ella malte in Oscars Alter Menschen, die alle auf jeden Fall einen deutlichen Bauchnabel hatten. Der Bauchnabel war in dieser Zeit für unsere Tochter sehr wichtig. Ständig knibbelte sie an ihm herum. Sie stand kurz vorm Nabelbruch. Und was malt der kleine Oscar da? Einen Menschen mit einem kleinen Penis.

Die Parallelen zu Ellas Bauchnabel möge nun jeder selber ziehen. Wir verraten nur soviel, dass Oscar nicht an seinem Bauchnabel knibbelt, dafür aber manchmal trotz Windel nass wird, weil Teile seines Körpers, die definitiv in die Windel gehören, aus selbiger herausgezogen wurden. Anders gesprochen: Echte Jungs brauchen keinen Bauchnabel.

Nun ist Oscar auch schon fertig mit Malen. Da ist also ein Mensch mit kleinem Penis zu erkennen. Oscar erklärt sein Werk und schließlich spricht auch der Künstler das kleine Geschlechtsteil an.

Olivia, die sich das alles anhören darf, fragt nun noch einmal nach. Warum denn so klein und so... Dann tut Oscar, was ein Kerl in einer solchen Situation zu tun hat. Er zieht sich die Hose samt Windel hinunter und schreit in Olivias Gesicht "Der ist doch klein!" - Großartig und sehr souverän. Wie der pädagogische Eintrag in Oscars Sprachtagebuch wohl formuliert sein mag?

Wechseln wir lieber wieder zu Ella. Ella ist fünfeinhalb und Papa frohlockte schon mit der Aussicht, demnächst Filme mit Ella genießen zu können, die noch cooler sind als der Film von Prinzessin Lilifee. Als Klassiker des Kinderfilms warten da schließlich schon die "Unendliche Geschichte" oder "E.T." im DVD-Regal auf unsere Tochter.

Doch nachdem Oma mit Ella mal wieder im Kino war und die beiden selbiges bereits nach 30 Minuten verlassen mussten, weil sich unsere Tochter zu Tode fürchtete, wusste Papa, dass Ella erst mit etwa 30 Jahren in der Lage sein wird, die beiden angesprochenen Filmklassiker ohne Panik zu sehen.
Oma und Ella guckten übrigens "Lauras Stern und die Traummonster". Die Traummonster waren angenehm plüschige und lustige Gesellen. Ella war fix und fertig.