Sonntag, 2. Oktober 2011

Wenn sich der Magen erholt, hat der restliche Körper Stress

Dass Oscar mal wieder eine recht ordentliche und krankschreibungspflichtige Magen-Darm-Geschichte in die beginnende Woche brachte, steckte der kleine Knirps gewohnt routiniert weg. Oscar ist hart im Nehmen und dazu gehört eben auch, dass man kein großes Trara veranstaltet, wenn einem nachts übel wird.

Man liegt zwischen Mama und Papa ja perfekt für ein kurzes Erbrechen. Schnell in die Höhe geschraubt, zwischen die Häupter der Lieben erbrochen und weitergeschlafen, während Mama und Papa das Bett reinigen und mitten um zwei Uhr nachts kurz sogar lachen müssen, als sie exakt unter der Stelle, an der nun Oscars Erbrochenes durch das Laken auf die sündhaft teure Matratze zu suppen droht, ein Handtuch entdeckten. Richtig. Das hatten wir während Ellas Magengrippe dort hinuntergelegt.

Erkenntnis 1: Unsere Kinder kotzen immer auf die gleiche Stelle des Elternbettes (ist das nicht süß?)
Erkenntnis 2: Wir müssten das Laken häufiger wechseln. Die Magengrippen der Kinder treten ungefähr alle zwei Monate auf. Das ist ein zu langes Intervall.

Die Tage nach dieser nächtlichen Beiläufigkeit allerdings hinterließen Spuren bei unserem Sohn. Hier war sein routiniertes Erdulden von Leid und Unwohlsein an seine Grenzen geraten. Und diese Grenzen hießen Salzstangen, Laugengebäck und Tee.

Es ist nicht so, dass Oscar diese Dinge ablehnt. Häufig schon hat man es knauspern hören, wenn man Oscar und Salzstangen und Laugengebäck in einem Zimmer ablegte. Und dass Oscar alle trinkbaren Flüssigkeiten "Tee" nannte, ist auch noch nicht so lange her.
Das Problem war vielmehr, dass sich Oscars Nahrung auf exakt diese drei Komponenten zu beschränken hatte, denn sein kleiner Magen sollte sich mal so richtig erholen.

Und während der Magen dies tat und am Dienstag und Mittwoch immer entspannter wurde, hatte der Rest von Oscars Körper Stress. Oscar musste am Tisch bei jeder Mahlzeit erkennen, dass für ihn derzeit andere Gesetze gelten. Während famose Dinge in Ellas Mund verschwanden, wurde Oscar mit dem Hinweis "Du bist krank" Laugengebäck gereicht. Das fand er schon schlimm.
Krank sein, das hat Oscar gelernt, heißt einerseits zwar fernsehen und spielen mit Eltern und Oma im lustigen Wechsel. Krank sein heißt aber eben auch Laugengebäck.

Seit Donnerstag gilt Oscar gemeinhin wieder als gesund. Noch verarbeitet er aber die schwere Zeit, was sich zum Beispiel zeigt, wenn man ihn - wie geschehen - fragt, ob er sich denn Nudeln oder Würstchen zum Mittagessen wünsche. "Nudeln" schreit dann da der entsetzte Sohn und fügt mit fetter Unterstreichung hinzu "Ich bin nicht mehr krank!!!".

Überhaupt der Donnerstag... Oscar war wieder gesund und der Herbst schaltete noch einmal auf Sommer. Die Familie picknickte im neuen Park am Gleisdreieck und alles war gut. Oscar wollte Laufrad fahren und erhielt Instruktionen: Er möge, so die Mutter, über dessen Autorität diskutiert werden darf, doch nur bis zum Spielplatz dort fahren. Oscar verstand und fuhr los.

Und während Ella im Park schon recht große Runden auf dem Fahrrad drehte und dabei immer wieder zu ihren Eltern zurück fand, weil sie die Geometrie der Vierecke versteht und weiß, dass man - fährt man im Viereck - irgendwie wieder zum Ausgangspunkt zurückkehrt, während Ella also im Carree fuhr, fuhr Oscar mehr so linear. Und zwar am Spielplatz vorbei ohne diesen vereinbarten Endpunkt seiner Fahrt auch nur eines Blickes zu würdigen.

Die Eltern beobachteten und dachten nach. Irgendwann war man sich einig, dass man den Bengel zurückholen musste. Papa radelte barfuß hinterher, was wehtat, denn Papas Füße sind entgegen ihrem äußeren Anschein sehr sensible Körperteile, und sammelte seinen Sohn ein, nicht ohne ihm vorher die Leviten zu lesen. Als er mit dem niedergeschlagenen und übrigens auch weinenden Sohn zur Picknickdecke zurückkehrte, fanden die beiden Herren diese verwaist.

Wo waren Frau und Tochter? Die Frau winkte fröhlich. Über ihr, in etwa drei Metern Höhe, saß Ella auf einer seltsamen gebogenen Stange, die sich auch noch fürchterlich drehen konnte. Papa war stolz und ging auf seine akrobatische Tochter zu. Im Hintergrund weinte Oscar seiner enttäuschenden Radtour hinterher. Mama erkannte das und so gab es das, was in professionellen Fußballmannschaften und eingespielten Elternpaaren immer gut funktioniert: Mama übernahm Oscar und Papa Ella. Der professionelle Tausch.

Papa stand dann als alleiniger Erziehungsberechtigter unter der in drei Meter Höhe sich drehenden Tochter. Der Stolz verschwand. Die Angst kam.
"Ella, komm da runter", bellte der überforderte Vater, während weiter oben die Verhandlungen mit den Worten "Noch drei Runden" begannen. Papa schwitzte, wurde drängender und dann sah Ella endlich ein, dass sie dieses Höllengerät nur noch in Abwesenheit des Vaters besteigen kann.

Ella stieg ab. Papa war zufrieden. Man ging zurück zur Picknick-Decke, doch da: Oscar und Mama waren ja schon auf dem Weg zu Ella und Papa. Oscar wurde mütterlicherseits nämlich versprochen, dass er sich seine Akrobatenschwester mal aus der Nähe betrachten dürfe. Und dann das. Dann steigt die einfach ab. Oscar fiel auf der Stelle um und brüllte. Papa dachte verschiedene Dinge.

Und im Prinzip ging es dann auch so weiter. Oscar war in dieser Woche recht unausgeglichen. In Verbindung mit seiner Schwester, die - egal ob ausgeglichen oder unausgeglichen - immer zu Lautstärke neigt, hat die Familie in dieser Woche recht viel gelärmt. Am Wochenende waren wir in der Laubenkolonie. Etwa 24 Stunden beglückten wir die Nachbarschaft mit Gebrüll und Geschrei. Die Menschen sind verschieden.

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