Sonntag, 9. Oktober 2011

Fluoreszierende Schlafanzüge

Diese seltsamen Teile, auf denen sich manche Kinder in schwindelerregender Höhe im Park am Gleisdreieck drehten, sind abgebaut. Im letzten Blog berichteten wir davon, dass auch unsere Tochter jene Höllengeräte erklomm, und so sind wir froh, dass ihr diese Möglichkeit des "Kicks" nun genommen ist. Wir sind fast sicher, dass es Unfälle gegeben haben muss, vermutlich mehrere und vermutlich tödliche. Jetzt sind die Dinger abgebaut und der Parkbesuch ohne Herzklopfen ist theoretisch möglich.

Schließlich lauern zu Hause schon genug Gefahren. Es ist nicht schwer, für die nächsten Wochen einen konkreten Unfall zu prophezeien. Das Unfallopfer wird Oscar sein, denn Oscar hat der langen Liste an dümmlichen Einschlafritualen, die wir hier seit fünfeinhalb Jahren im Hause so beobachten, ein weiteres wirklich strohdummes Ritual hinzugefügt.

Oscar schläft seit ein paar Tagen nämlich nicht mehr in Betten ein, sondern auf dem Boden. So ganz genau wissen wir nicht, warum unser Sohn so verfährt, aber er ist sich seiner Wahl des Schlafplatzes sehr bewusst. Fremde mögen sich vielleicht wundern über Dialoge wie diesen: "Oscar, möchstest du heute im Bett oder auf dem Boden schlafen?" - "Auf dem Boden." - Für uns hier ist es nun schon Normalität geworden, dass Oscar zunächst einmal auf dem nackten Boden liegt und später dann von uns in sein Bett getragen wird.

Wir sprachen eingangs von Unfallgefahr. Nun, man denke sich einen dunklen Flur. Er verbindet beispielsweise das Kinderzimmer mit dem Wohnzimmer. Wer nun aus irgendwelchen Gründen von dem einen in das andere Zimmer gelangen möchte, der hat also diesen Flur zu durchschreiten. Hier kann es passieren, dass sich im Dunkeln, irgendwo auf dem Boden, ein Mensch befindet. Ein schlafender Mensch, auf den man schnell auch mal drauftreten kann. Vielleicht sollten wir Oscar aus diesen Gründen fluoreszierende Schlafanzüge anziehen, damit man ihn an seinen absurden Schlafplätzen erkennt. Eine andere Möglichkeit bestünde darin, dass Oscar künftig einfach in Betten schläft. Davon ist er derzeit aber meilenweit entfernt.

Ella dagegen schafft es in letzter Zeit zunehmend besser, sich ohne elterliche Animation zu beschäftigen. Schön auch, dass Oscar ins Spiel integriert wird. Und so spielten die beiden das, was alle Kinder so gerne spielen - nämlich "Vater, Mutter, Kind", allerdings in etwas abgewandelter Form.
Ella erläuterte uns mitten im Spiel, worum es in ihrer fiktiven Familie gerade geht. Vorweg: Es handelt sich um recht große Problemfelder.
Ella spielte die Mutter, das war klar. Auf dem Arm hielt sie eine Puppe. "Das ist das Baby", erklärte Ella. "Wir haben es letzte Nach leider draußen vor der Tür vergessen und jetzt hat es Schnupfen, Husten und beide Arme und beide Beine gebrochen", erläuterte sie durchaus fröhlich. Oscar stand daneben und hatte auch eine Rolle. Welche eigentlich? "Oscar ist das Kind", sagte Ella. "Und wer ist der Vater?", fragten wir. "Der ist gestorben", sagte Ella freundlich und zog alleinerziehend mit ihrem Kind und mit ihrem Baby, das eine furchtbare Nacht durchlebt haben muss, von dannen.

Unser Sohn signalisierte dann am heutigen Sonntag so ab Mittag, dass das alles ein bisschen viel war an diesem Wochenende. Am Freitag kam vormittags Oma Münster vorbei, am Nachmittag ging es zu Oma Berlin. Am Samstag kamen aus Dresden Carla und Curt und die fuhren auch erst am Sonntag wieder nach Hause. Curt ist eineinhalb und neigt - ähnlich wie Oscar - zum Disput, weshalb hier häufiger als sonst die Fetzen flogen. Ein nachmittäglicher Spaziergang sollte Abkühlung bringen.

Oscar konnte zu diesem Zeitpunkt aber nur noch zwei Dinge: hysterisch Kichern und hysterisch Schreien, weshalb auch andere Familien auf uns aufmerksam wurden und ihren ungläubigen Kindern erzählten, dass diese früher einmal ganz genau so gewesen sind. Diese Kinder starrten indes fassungslos auf den sich am Boden windenden Oscar. Keine Stunde später schlief er dann. Auf der Türschwelle.

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