Sonntag, 25. September 2011

Honig-Mehl und Bönsaft

Obwohl wir uns alle mit Ella freuen, dass sie eine neue Lieblings-Einschlaf-CD hat, nämlich die Hörbuchfassung des Kinderbuchs "Ella geht in die Schule", die wir natürlich aus Jux irgendwann einmal organisierten, obwohl wir uns also - wie gesagt - alle hier freuen, sollte man vorsichtig sein, wenn man das Gespräch auf die CD lenkt.

Ella nämlich findet eine Stelle dieser CD unglaublich komisch. Das Problem dabei ist nur, dass es ihr bislang stets misslungen ist, diese Komik zu transportieren, sie einem Gesprächspartner zugänglich zu machen. Sowohl Papa als auch Mama waren nun schon einmal gefangen in Ellas Erzählmühle.

Das Bild mit der Mühle trifft es schon ganz gut. Einem Mühlrad gleich fallen aus Ellas Mund monoton gesprochene Parataxen. Ein Lehrer ist Teil dieser Erzählung und ein Honig. Und irgendwann rufen alle Leute irgendetwas. Dieses surrealistische Szenario wiederholt sich - vielleicht beruht darauf der Witz - in der Hörspielhandlung anscheinend einige Male. Bei Ellas Erzählung muss man dann schon ganz genau hinhören, um zu erkennen, wo eine solche Wiederholung beginnt und endet. Wenn man irgendwann als Zuhörer den Faden verliert, und das ist sowohl der Mama als auch dem Vater recht schnell passiert, dann steht man einem Kleinkind gegenüber, dass etwa drei oder vier Minuten ohne erkennbare Satzgrenzen von Lehrern und Honig erzählt und an manchen Stellen lacht. Man starrt dem fröhlich rezitierenden Kind ins Gesicht und findet aus der Situation nicht heraus. Die Mühle ist wirklich ein ganz gelungenes Bild. Ella ist die Mühle und ihre Erzählung ist Mehl. Honig-Mehl.

Andere Dinge sprach das Kind in der Fußgängerzone von Weimar, wo die dynamische Familie übers Wochenende gastierte: "Papa. Wo ist Klaus Wowereit?", hüpfte Ella. "Papa. Wer ist der Papps?" - Ja. Es war eine historische Woche. Der Papps (Papst) war zu Besuch in Deutschland und beklagte sich über sein unchristliches Heimatland. Ella sah den Papst in einer Zeitung. Papa erklärte kurz, was es mit dem alten Mann auf sich hatte. Ella blätterte um. "Papa - da ist auch der Papps" - "Nein Ella. Das ist Rudi Völler." Alte Männer scheinen sich in den Augen von Fünfjährigen doch recht ähnlich zu sehen.

Überhaupt hatte der Papst mit seiner unhöflichen Klage Recht. Unchristlich geht es hier zu. Ella beispielsweise muss etwa einmal die Woche im Radio einen Wortbeitrag namens "Zwiegespräch mit Gott" hören. Diese Gespräche sind Ellas momentan einziger Zugang zur Religion, da Ahmet ja nun nicht mehr die Kita besucht. Ella weiß dank der Zwiegespräche aus dem Radio nun also, dass Gott stark berlinert und im Prenzlauer Berg wohnt. Sie hasst diese Sendung.
Und in genau der Woche, als der Papst Berlin besuchte und im Radio ein Zwiegespräch mit Gott lief, da sagte Ella einen Satz, den sie eventuell auch in einigen Jahren im Konfirmandenunterricht zum Besten geben wird: "Ich geh raus, solange das mit Gott läuft." - Ein Faustschlag für den Heiligen Vater. (Papa verstand übrigens "Ich geh raus, solange das Gott läuft", was aufgrund der umgebauten Syntax und dem damit verbundenen falschen grammatikalischen Geschlecht des Gottes ein noch viel atemberaubenderer Schlag ins Gesicht des Heiligen Vaters darstellen würde. Wir wissen nicht genau, was Ella da religionskritisches sagte.)

Und was sagt Oscar so? Nun. Auch Oscar bewegt sich im Bereich der Transzendenz. Oscar steht nachts schon mal auf, um seinen Eltern von drohendem Unheil zu berichten. "Da kommt gleich ein Gespenst", sagt der Kleine da mit angstverzerrtem Gesicht. Seine Eltern freuen sich indes, dass Oscar demnach zu uns kommt, bevor das Gespenst erscheint und er richtig Panik bekommen würde. Glücklicherweise weiß Oscar schon kurz vorher, dass es in seinem Kinderzimmer gleich gruselig wird. So müssen wir nicht viel trösten. Bei Ella - so erinnern wir uns schwach - war die böse Hexe immer da, bevor wir trösten mussten. Ella war dann schon vollkommen außer Rand und Band. Oscar ist anders. Oscar schleicht durch die Wohnung und flüstert: "Da kommt gleich ein Gespenst". Wer dies weiß, kann vorbeugen.

Zum Abschluss dies: Ella kann mittlerweile sehr viele Worte lesen und auch schon toll schreiben. "Bönsaft" schrieb sie auf einen Zettel und beurkundete damit quasi ihre Zugehörigkeit zum Berliner Sprachraum. Die westfälische Mutter hat sprecherzieherisch versagt. Ella schreibt "Bönsaft". In Westfalen schreiben die Kinder "Biiiiiiiiirnensaft".
Was veranlasste unser Kind zum Schreiben dieses - wie sich zeigen wird - polarisierenden Getränkenamens?

Folgendes: Es ist Mittwochmorgen. Familie Hoffmann frühstückt. Doch o weh! Der Apfelsaft ist alle, beziehungsweise vergoren, wofür der Vater als schuldig deklariert wird. Selbiger Vater versucht die Situation, in der zwei Kinder ihren Durst in die Küche weinen, zu bereinigen. Er geht in die Kammer, findet zwei Trinkpäckchen Bio-Birnensaft. Ella eins. Oscar eins. Stille.

Oscar fällt nach fünf Sekunden aber ein, dass er seinen Birnensaft lieber aus einem Becher trinken will. Mama holt den Becher, füllt um. Der Becher ist randvoll und Oscar furchtbar stolz.
Oscar nimmt einen Schluck, stellt den Becher ab. Becher kippt um. Alles ist futsch. Kein Birnensaft ist mehr im Haus. Für Oscar bricht eine Welt zusammen und zu behaupten, er hätte die Situation tapfer ertragen wäre eine feiste Lüge. Oscar schluchzte und heulte furchtbar lange.

Am Nachmittag wurde Birnensaft gekauft. Und dann ging das mit dem Polarisieren los. Schmeckt Birnensaft überhaupt oder tut er es nicht? Am Schluss - als alle Argumente ausgetauscht waren, half nur noch Lautstärke: Papa und Oscar riefen rhythmisch "BIR-NEN-SAFT", während Ella und Mama dagegenhielten "AP-FEL-SAFT". Es ging zu wie im Stadion. Krawalle blieben dann aber aus.

1 Kommentar:

  1. Finde Bönsaft genial. Ist bei uns zur festen und ständig benutzten Vokabel geworden. Selten so gelacht. Würde Bönsaft unter Copyright stellen lassen und mit den Ribbeck's gemeinsam vermarkten:
    Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland
    Ein Bönbaum in seinem Garten stand...

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