Dienstag, 23. April 2013

Helm aus Frisur

Papas Handy klingelte: "Rate, wo ich bin", fragte Mama und Papa wagte es nicht zu hoffen... Doch es war Wirklichkeit: "Ich bin mit Oscar beim Friseur."

"Endlich", dachte Papa. Zuletzt wurde Oscar stets für ein Mädchen gehalten - die Versuche, ihn zum Haareschneiden zu überreden, verliefen seit Wochen erfolglos. Bis Oscar dann letzte Woche auf die Frage, ob er denn mal zum Friseur gehen möchte, nicht mehr mit einem gebrüllten "Nein" antwortete.
Er sagte stattdessen einen Satz, in dem so ziemlich alles enthalten ist: Dialektik, Scharfsinn, Eigensinn. Oscar sagte: "Ja, aber nur zum Spitzenschneiden. Dann wachsen die Haare danach schneller." Papa sah Mama böse an. Diese grinste dreist, und einen Tag später meldete sie sich also per Handy live aus dem Frisiersalon, in welchem - es kann nicht anders gewesen sein - Oscar gerade eine Salatschüssel auf den Kopf gesetzt wurde und im Anschluss einmal mit der Kettensäge drum herum gesägt wurde. Als Oscar den Friseursalon verließ, sah er aus, als hätte er einen Fahrradhelm auf. Einen Fahrradhelm aus Haaren, aus Frisur. Mittlerweile hat sich aber alles im wahren Wortsinn gelegt. Oscars Haare wissen so langsam, wohin sie sich legen sollen, damit Oscar total cool aussieht. Papa ist jetzt auch zufrieden.

Wie in einer Illustrierten für die Dame kommen wir nun vom Thema Beauty zum Thema "Wellness-Drinks"

Das Getränk heißt "Rhabarber-Schorle" und ist allein deshalb schon wirklich kurios, weil gar kein Rhabarber drin ist.
Für ein Glaserl Rhabarber-Schorle à la Oscar nehme man einen Teil Traubensaft (rot), gieße einen Teil Apfelsaft hinzu um eine diffuse Farbmischung zu produzieren und fülle dies mit etwa 5 Teilen Sprudelwasser auf. Fertig. Das Getränk sieht aus wie teure Rhabarber-Schorle und dies reicht unserem Sohn aus, ganz fest dran zu glauben, dass es sich auch um Rhabarber-Schorle handelt. Wenn uns unsere Erinnerung nicht täuscht, wurde damals in der DDR ähnlich verfahren: Exotische Dinge stellte man aus Hausmannskost her.

Weg vom Thema Schorle, hin zu den wirklich großen Dingen dieser Welt: Am Sonntagabend packte Ella einen Koffer, der in etwa so groß ist wie sie selbst, da sie einen Tag später auf große Klassenreise fahren sollte.
Am Montag war dann also großer Abschied angesagt: Fünf Tage lang müssen wir unseren Wirbelwind hergeben.
Der Wirbelwind steht aber gerade noch im Flur.Oscar wird erklärt, dass er Ella nun tagelang nicht sehen wird und er tut, was ein Mann in einer solchen Situation zu tun hat. Er greift zur Charme-Offensive, schnappt sich seine Schwester, umarmt sie so doll er kann und küsst dann etwa 30 Mal Ellas Auge.
Am selben Nachmittag noch fragte er das erste Mal, wie viel Tage es denn noch seien, bis seine Ella wieder da sein wird. "Fünf - wie heute früh", lautete die Antwort.

Vor der Schule war der Auflauf erwartungsgemäß groß. Koffer, Eltern und Kinder, wohin das Auge blickte. Die Koffer wurden verladen und die Kinder standen zumeist an den Oberschenkel von Mutter oder Vater gedrückt und blickten aus nassem oder zumindest sentimentalem Auge auf den Asphalt. Irgendwann setzte sich der Tross in Bewegung. Sentimentale Kinder winkten sentimentalen Eltern - nur ein Kind war nicht sentimental. Es hüpfte, sprang und lachte. Für Außenstehende sah es wohl so aus, das allein dieses eine Kind, es handelte sich übrigens um Ella, Grund hatte, sich darüber zu freuen, dass es endlich mal für fünf Tage von der Familie getrennt wurde. Ihre Eltern schämten sich und winkten fröhlich ihrer Tochter zu.

Zuvor entdeckten Ella und Oscar nach dezentem Hinweis ihres Vaters ein neues durchaus sinnstiftendes Hobby. Das Mahlen von Kaffeebohnen.
Es handelt sich um eine klassische Win-Win-Situation, denn sieht man davon ab, dass es hin und wieder auch zu kleinen Missgeschicken in der Kaffeemanufaktur unserer Kinder kommt, in deren Folge dann frisch gemahlener Kaffee weder in der Kaffeepulverdose noch in der Kaffeemaschine, sondern auf dem Sofa oder dem Teppich landet, sind doch die Kinder überglücklich und sehr stolz, echte Nahrungsmittel zu produzieren und die Eltern kommen in den Hochgenuss extra frischen Kaffees.

Berichten wir zum Abschluss dieses Blog-Eintrages noch kurz von Oscars Fußball-Passion. Diese geht nämlich soweit, dass Oscar in den äußerst ermüdenden Monologen seiner Mutter bezüglich der familiären Finanzgeschäfte interessante Fußball-Themen wittert.
Mama sprach also übers Finanzielle. Papa und Oscar dachten: "Oh Gott." und hörten angestrengt zu. "Bla bla bla bla", dozierte die Mama. "Bli Bla Blubb", ergänzte sie und Papa nickte ab und zu, wenn er glaubte, dass es passen könnte.
Mama sprach weiter "bla bla bla Hypo Vereinsbank bli bla blubb" - Hier zuckte Oscar zusammen. Er griff den Arm des fast schon dösenden Vaters. "Papa: Vereinsbank!""" Oscar strahlte. Papa freute sich nun auch. Beide, Papa und Oscar dachten fortan an Fußballvereine, während Mama weiter von irgendwelchen Zinseszinsen und Kontoauszüge palaverte. Alle waren glücklich in diesem Moment.

Übrigens gewinnt Bayern München zur Zeit ja jedes Spiel immer ganz hoch. 9:2, 6:1, 6:1 - das waren die Ergebnisse der letzten Wochen. An Oscar gehen derlei Superlative nicht ganz spurlos vorbei.
Man findet ihn beispielsweise im Flur mit einem Ball.
"Mama", erklärt er dann, "ich habe gerade Bochum gegen Union gespielt und Bochum hat 9:2 gewonnen." - Man braucht hier kein Psychologie-Studium um zu erkennen, was hier gerade alles so passiert ist in Oscars Schädel. Übertragung, Verdrängung, Mischung von Traum und Realität - der ganze Brei halt.

Die Realität holte unseren Sohn aber ein, denn kurze Zeit nach seinem "Bochum gewinnt 9:2"-Fantasie-Trip hockte er in sich zusammengefallen auf dem Parkett und drückte am Ball herum. "Bayern ist der beste Verein der Welt", flüsterte Oscar. Zu sich, ganz leise in die Welt. Mama und Papa sollten es nicht hören, aber raus musste es.

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