Sonntag, 7. April 2013

Bücher, die Oscar später mal schreiben wird

Brandaktuell ist diese Information:
Oscar liegt an diesem Sonntagabend in seinem Bett und wird seiner Rolle als emotionalster Leser Berlins gerecht. In seinen Händen hält er einen fetten Wälzer namens "50 Jahre Bundesliga", den er sich laut eigenem Bekunden, hier irrt Oscar jedoch, aus der Apotheke ausgeliehen hat.
Dieses Buch ist - wie viele andere Bücher in Oscars Regal auch - äußerst beschreienswürdig. Ein paar Mal schon wurden an diesem Abend mal die Mutter und mal der Vater herbeigerufen, damit sie an den Ungeheuerlichkeiten, die in diesem Machwerk zu finden sind, teilhaben können. Zuletzt aber verlangte Oscar, wohlwollend durch einen galligen Schrei, dass der Vater noch ein weiteres Mal durch die gesamte Wohnung laufen und seinen Sohn zudecken möge. "Papa", sprach Oscar aufgeregt, als sein Erzeuger schließlich vor ihm stand. "'Ne schwierige Aufgabe: Deck mich zu." - es ist auffällig, dass sich Oscars Wortschatz in der letzten Zeit dahingehend verändert hat, dass er immer mehr Floskeln, wie zum Beispiel "Ne schwierige Aufgabe" formuliert. Vorhin - mitten beim Kuchenessen - sagte Oscar "was für eine stürmische Begrüßung".

Wir vermuten, all diese seltsamen Satzfetzen entstammen dem Textkorpus der "Benjamin Blümchen"-Reihe. Ella und Oscar beziehen ihren aktiven Wortschatz zu geschätzten 60-80% aus Benjamin-Blümchen-Formulierungen, wobei Ellas "Justin Bieber"-Schrei, den sie vorhin ausstieß, nicht dazugehören dürfte.

"Was hast du eben geschrieen?", fragte der Vater entsetzt?
"Justin Bieber."
"Kennst du den von L.?", fragte Papa noch immer fassungslos?
"Ist das ein Musikmann?", fragte Ella zurück und Papa verliebte sich ob dieser fantastischen Formulierung erneut in seine Tochter.
"Ja, Justin Bieber ist ein Musikmann."
"Dann kenn' ich ihn von L."
Alles klar, denn bei L., der großen Schwester von Oscars Freundin H., übernachtete gestern unsere Tochter.

Und während Ella also auswärts schlief und Oscar die Freuden des Einzelkinddaseins heute Morgen so lange genoss, bis er dann über seinen Vater, der den Kopf gerade in die Geschirrspülmaschine hielt, stolperte, hinfiel und trotz herzzereißenden Jammerns auch noch Ärger bekam, so von wegen: "Wie kannst du über deinen sich halb in der Spülmaschine befindenden Vater stolpern, der ist ja nun wirklich nicht zu übersehen?!"  Später verunfallte Oscar auch noch auf der Toilette. Er fiel einfach mitten im Verdauungsvorgang nach vorne und bremste mit seiner Augenhöhle an einem Hocker. Spektakulär - leider nur durch Oscars weinende Erzählung überliefert.
Sonst aber war Oscars Morgen durchaus gelungen und während er so genoss und hin und wieder weinte und Ella zwei Kilometer entfernt mit L. und H. frühstückte, war er plötzlich da: Der Frühling 2013.

Uns fiel der Garten ein. Schnell wurde Ella abgeholt und neben Oscar in den Fahrradanhänger gesetzt, auf dass beide zum Garten gezogen werden. Erkenntnis: Noch immer schafft es Papa, beide Kinder im Anhänger zu transportieren.
Die Mutter erklärte: Ella habe im letzten Jahr nicht zugenommen und Oscar habe abgenommen. Papa dachte: Das klingt nicht gut. Die Mutter aber war ganz unbesorgt, sprach von Oscars sich verflüchtigenden Babyspeck, woraufhin Papa davon erzählte, dass Oscar ja jetzt auch irgendwie ein richtiges definiertes Gesicht bekommt. Ja und da waren wir wieder alle selig.
Dennoch - trotz sich bildender Gesichter und immer leichter werdender Kinder - hat die Mutter eben fast unbemerkt von des Vaters Adleraugen nach Autos im Internet recherchiert. Irgendwann werden unsere Kinder schließlich wieder zunehmen und dann ist's Essig mit dem Fahrradanhänger. Dann muss ein Kfz her.

Papa fing gleich mal an zu träumen. "Wir könnten morgens einfach ins Auto steigen und nach Paris fahren." - Mama, zeigte sich, war ähnlich euphorisiert "Das machste sowieso nicht", nölte sie.
"Stimmt", sprach nun Papa. "Oscar bricht ja auch schon in Schöneberg" - hier mischte sich Oscar in die Planung der Paris-Reise ein: "Nee", sagte er, "ich brich erst in Paris." - Na dann.

Zum Abschluss folgende Beobachtung: Oscar hat schier unglaubliches Glück bei Gesellschaftsspielen. Er spielt stets sehr eigensinnig und - sagen wir - unorthodox und erzielt dabei ganz erstaunliche Ergebnisse.
Würfelt Oscar zum Beispiel beim Benjamin-Blümchen-Kniffel zweimal Otto und einmal Herrn Tierlieb, so entscheidet Oscar sich dafür, voll auf "Herrn Tierlieb" zu setzen - kein rational denkender Mensch kann ihn davon abbringen. Seelenruhig und sich der Sache sehr sicher würfelt Oscar im nächsten Durchgang natürlich noch weitere drei (!) "Tierliebs" und wird am Ende natürlich gewinnen.
Momentan spielen wir hier probeweise Monopoly. Oscar hat keinen Plan, ist aber mittlerweile rechtmäßiger Besitzer der teuersten Straßen und schon um einige Hunderter schwerer als sein Vater oder Ella, die sich zur Zeit ein Monopol in den eher zukunftsträchtigen Regionen wie der Moabiter Turmstraße aufbaut und deshalb schon fast pleite ist.

Ganz ähnlich war es am Samstag in der U-Bahn. Sie war voll.- Oscar schnappte sich schnell noch einen Sitzplatz - die Eltern standen, Ella war bereits beim Übernachtungskind L.
Die U-Bahn fährt in den Bahnhof Mehringdamm ein. Hier muss Oscar raus. Die Eltern staunen. Oscar steht tatsächlich auf und latscht zur Tür. Begeistert fragen sie ihn: "Hast du gehört/gesehen/gefühlt/gerochen, dass wir jetzt am Mehringdamm sind und demnach aussteigen müssen?" Oscar guckte wie ein Auto. Mehringdamm? Aussteigen? Ich? In Oscars Hirn, das soeben die komplett richtigen Befehle an seinen Körper erteilte, herrschte gähnende Leere. Wie beim Tierlieb-Würfel, wie beim Monopoly.
"Ahnungslos zum Erfolg" und "Aus Zufall das Richtige tun" werden die ersten beiden Bücher heißen, die Oscar in vielen Jahren zu schreiben hat.

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