Mittwoch, 3. April 2013

Brutzelnde Synapsen

Wenn das Badewasser einmal in der Woche in die Wanne plätschert und Ella sich bereits voller Vorfreude entkleidet, entscheidet sich Oscar, immerhin vierjährig, für das panische Schreien.
Man entfernt dennoch irgendwie die Kleidung von seinem um sich schlagenden Körper, lässt sich dabei ins Ohr brüllen und im schlechtesten Fall auch noch ins Gesicht treten, ehe man zum großen Finale ansetzen kann, welches darin besteht, den Sohn hochzuheben und ihn über der Wanne schweben zu lassen.

Langsam senkt man das wütende Bündel in die Wanne, woraufhin dieser beide Arme und beide Beine so weit vom Rumpf abspreizt, dass der sonst so kleine Herr Ausmaße annimmt, die verhindern, dass er in der Wanne versenkt werden kann. Ach ja: Man denke sich bitte nach wie vor den andauernden Schrei hinzu. So beginnt das Baden unseres Sohnes. Interessante Randbemerkung: Menschen, die an Tollwut leiden, ekeln sich vor Wasser. Das ist tatsächlich so...

Irgendwie gewinnen wir ja dann doch immer. Oscar wird überwältigt und findet sich schließlich vergewaltigt in der Wanne wieder, schließt nach kurzem lauten Protest dann aber schnell Freundschaft mit dem sonst so verhassten Element.

Er planscht dann fröhlich und setzt gemeinsam mit seiner Schwester das gesamte Badezimmer in einer Form unter Wasser, dass, hätte man einen 2,50m Seehund darin walten lassen, unser Badezimmer nicht hätte schlimmer aussehen können.
Ironie ist dann, dass Oscar meistens wieder fürchterlich schreit, tritt und tobt, wenn er aus der Wanne herausgehoben wird.

Warum erzählen wir das alles? Eigentlich nur um folgenden Kontrast aufzubauen: Als die gesamte Familie in der letzten Woche im Stadtbad Schöneberg gastierte, da rannte ein kleiner Junge aufgeregt ins Kinderschwimmbecken und hüpfte bei den ersten - übrigens im Vergleich zur heimischen Wanne kühleren - Tropfen voller Ekstase. Ella stürmte aus der Damenumkleide hinzu und grunzte ebenfalls vergnügt. Später bewies sie uns Lebenswichtiges: Sie kann nun tatsächlich schwimmen.
Irgendwann sah man die gesamte Familie sogar die riesige Wasserrutsche hinabsausen - Wasserangst, Tollwut gar lag Oscar so fern wie Ella. Nur als Mama mit ihrem Sohn auf dem Arm bei Temperaturen um den Gefrierpunkt in den Außenbereich des Stadtbades schwamm, hörte man den Knilch ein bisschen jammern.

Spulen wir mal schnell die anderen Ereignisse dieser eiskalten Osterferienwoche vor: Kino, Zoo, Oma. Alles super. Schon ist Samstag.

Samstag: Der VfL Bochum gastiert - schon vor dem Anpfiff chancenlos - in Berlin. Papa und Oscar pilgern in den Gästeblock, in welchem sich Oscar kurz beeindruckt zeigt und vom Vater danach noch einmal genau zeigen lässt, wo die Guten und wo die Bösen sind. Dann geht's los: Hertha gewinnt, während Oscar die ganze Zeit über singt "Hertha verliert!" - Das ist Fußball.
In den vielen vielen Vorbereitungsgesprächen zwischen Oscar und Papa zeigte Oscar übrigens etwas, das ihm bis dahin vollkommen fremd war: Scham.

Oscar hörte sich des Vaters Plan an: Dieser  nämlich wollte beim Stande von 5:0 für den VfL Bochum komplett entkleidet über das Spielfeld rennen. Erst lachte Oscar darüber, während aber zeitgleich in seinem Zentralen Nervensystem die Synapse "Scham und Peinlichkeiten" ausgeprägt wurde. Nach diesem kurzen Brutzler in seinem Hirn dachte Oscar plötzlich anders über den entkleideten Vater im Stadion. Er griff sich den Erzeuger, guckte ihn ernst an und verbot ihm das Vorhaben. Oscar schämte sich für seinen Vater. Dieses seltsame Gefühl war ihm bislang vollkommen fremd.

Im Anschluss an das Spiel - der VfL Bochum führte zu keinem Zeitpunkt 5:0, was der Vater kühn einkalkulierte - fuhr die Familie über Ostern nach Weimar, wo der Osterhase zumindest aus Oscars Sicht ins Schwarze traf. Oscar nämlich verbringt seitdem seine massige Freizeit damit, mit seiner Looping-Rampe für Autos zu spielen. Dafür nahm er dann sogar die unverhofft auftretenden Prügel-Attacken des gastgebenden Kindes in Kauf.

Ella dagegen erhielt den erst für den Geburtstag erhofften Webstuhl und quält sich seither mühsam mit so Wollspindeln durch irgendwelche Fäden. Es ist ein Geduldsspiel. Ob Ella und der Webstuhl wirklich Freunde werden, steht noch in den Sternen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen