Montag, 28. Januar 2013

Der fliegende Vierjährige

Als am Samstag Spaziergänger durch den Kreuzberger Viktoriapark flanierten und sich an der verschneiten Landschaft erfreuten, kam ihnen ein Kind auf einem Schlitten entgegengeschossen.
Dem Kind waren offenkundig die Funktionen "Bremsen" und "Lenken" des Schlittens nicht vertraut. Darüberhinaus kam es gerade vom Weg ab.

"Guck mal", sprachen die Spaziergänger, als sie das Kind direkt auf ein übles Drahtgestell zurodeln sahen, "wie kann man so unverantwortlich sein und sein Kind dergestalt diesen verschneiten Hang hinunterrodeln lassen?"
Nachdem das Kind in diesem Moment mit Höchstgeschwindigkeit in das Drahtgestell knallte, im Anschluss aufgrund irgendwelcher physikalischer Gesetze schließlich vom Schlitten abhob und eine Sekunde lang seltsam gebogen durch Kreuzberg flog, ehe es dann mit dem Gesicht vorneweg im Schnee landete, sagten die Spaziergänger auf das schreiende Bündel blickend dann folgendes: "Ach Mensch, das ist ja Oscar!"

Die Eltern des Verunfallten eilten herbei. Oscar lag im Schnee. Man hörte deutliche Unmutsäußerungen seitens des Kindes. Oscar wurde schließlich getröstet und sein leicht zerschrammte Gesicht professionell mit Schnee betäubt. Die Spaziergänger indes wagten nun kein Gerede mehr über Unverantwortlichkeiten, sondern tauschten mit Oscars Eltern höflich Floskeln aus. Schließlich kannte man sich und wer hat schon gerne unverantwortliche Eltern in seinem Freundeskreis...

Oscar jedenfalls war etwa drei Minuten nach seinem spektakulären Crash wieder voll einsatzfähig und rauschte noch einige Mal vor Vergnügen schreiend ins Tal. Meistens saß nun ein Erziehungsberechtigter hinter ihm und bremste mal hier und lenkte mal dort. Wurde Oscars Wunsch nach einem Solo-Rennen mal entsprochen, so fuhr er sofort ein anderes Kind um. Noch lange führten Oscars Eltern Diskussionen über das Wesen des Schlittenfahrens. Es ging in dieser Diskussion im Prinzip die ganze Zeit immer nur darum, das Schlittenfahren im Spektrum zwischen "Todesfalle" (Vater) und "Harmloser Spaß" (Mutter) zu verorten. Die Kinder rodelten derweil.

Eigentlich aber wollten wir den Blog-Eintrag ja ganz anders beginnen: Oscar ist jetzt endlich 4!
Wer jetzt aber glaubt, das Kind hätte am Donnerstag ob des freitäglichen Geburtstages vor Freude kaum einschlafen können, liegt falsch.
Oscar war sentimental und hatte überhaupt keine Lust mehr darauf, Geburtstag zu haben. Denn: Seit etwa neun Monaten quakt uns Oscar stets in die Ohren, dass er dieses und jenes nicht könne, da er ja erst drei ist. Verschiedene Dinge aber, wie zum Beispiel das Anziehen, das Ausziehen, das Zähneputzen, das Waschen, das Brotschmieren und so weiter könne man aber leider erst mit vier.

Am Donnerstag dieser Woche befeuerte Mama Oscars Versprechen noch einmal kräftig, indem sie ihm stets sagte: "Jetzt schmier ich dir zum letzten Mal das Frühstücksbrot, denn morgen bist du ja vier" oder: "Jetzt ziehe ich dir das letzte Mal deine Hose an, denn morgen bist du ja..." - Oscar konnte es irgendwann nicht mehr hören und wurde immer trauriger. Als der Vater am Abend vor seine Familie trat, lag sein Sohn niedergeschlagen im Arm seiner Mama. Man habe keinesfalls am nächsten Tag Geburtstag, behauptete Oscar verzweifelt.

Am nächsten Tag hatte Oscar Geburtstag.
Schnell aber war Frieden mit der Situation geschlossen. Oscar nahm Geschenke in Empfang, pustete Kerzen aus und war insgesamt ein glückliches Geburtstagskind. Am Nachmittag kamen Opas und Omas, kurz auch mal ein Onkel und dann sogar die Paten aus Hamburg.
"Oscar, das ist deine Patentante", erklärten die Eltern dem fragend auf die Gäste guckenden Sohn. Oscar schmiegte sich sofort an das Bein der Patentante.

Am Tag danach ging man Rodeln. Über Oscars Höllenritt schrieben wir ja bereits. Ergänzen können wir noch, dass auch Fußball auf der schneebedeckten Wiese gespielt wurde und Oscar schier bis zur Besinnungslosigkeit dem Ball hinterherjagte. Den Schlusspunkt des Wochenendes, das man mit den Paten vor allem also im verschneiten Viktoriapark verbrachte, bildete eine Schneeballschlacht. Hier zeigten sich Ella und Oscar von ihrer sportlichen Seite. Sie teilten aus und steckten ein. Alles wurde schreiend und lachend akzeptiert.

Schließen möchten wir den heutigen Eintrag mit der Meldung, dass unsere Kinder immer wieder große Heiterkeit dabei empfinden, ihre Schlafanzüge zu vertauschen. Das "Ella ist jetzt Oscar und Oscar ist jetzt Ella"-Spiel wird dabei natürlich in immer weitere Sphären geschraubt: Man tauscht nicht nur die Klamotten, sondern auch die Plätze beim Abendbrot. In Extremfällen schläft man die Nacht sogar im Kinderzimmer des anderen.
Ella erweist sich hierbei im Übrigen als ungeahnt talentiert, was die Parodie ihres Bruders betrifft. Sie steht dann (!) auf dem Stuhl, schreit (!) "KANNECHBETTESCHOKI" (= "Würde mir bitte jemand das Nutella-Glas reichen?") und verlangt im Anschluss auch noch eine Scheibe Wurst auf das Nutella-Brot. Oscar derweil, der wohl kaum bemerkt haben dürfte, dass Ellas Auftritt eine Parodie seiner Selbst ist, macht das gleiche. So haben wir dann hier manchmal zwei Oscars.  










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