Montag, 15. Oktober 2012

Eine Ente, ein Känguru und eine Laus.

Jungs und Mädchen sind unterschiedlich - beispielsweise, wenn die Familie am Abend einen Ausflug zum Fußball machen will.
Oscar ist bei derlei Anlässen immer auf 100%. Erwägt der Vater beispielsweise, mal wieder alleine ins Stadion gehen zu können und sagt dann so Dinge wie "Oscar, das Wetter da draußen, guck mal... wie doof das ist", dann sagt Oscar, klar, man könne TeBe - Berliner AK natürlich auch im Fernseher gucken. Sagt man ihm dann, dass die Relevanz des Spiels es nicht ganz bis zur Live-Fernsehübertragung geschafft hat, steht für Oscar fest: "Ob bei Hagel und Sturm, ob bei Regen und Schnee. Lila-Weiße allez!"

Oscar hüllt sich dann in Trikot und Schal und ist heiß auf den Stadionbesuch. Das ist ja auch alles gar nicht so abseits der Norm bei kleinen Jungs.

Kleine Mädchen, auch mittlere Mädchen, verhalten sich auf dem Weg zum Stadion so:
Mama (in die Tasche ihrer lange nicht mehr getragenen Herbstjacke greifend): Oh, was ist denn das?
[Mama holt eine Spielzeugente aus der Jacke heraus]
Alle (durcheinander): Na sowas...
Mama (unklug): Na siehste, Oscar. Jetzt hast du ein Spielzeug dabei."
Ella: Ich will auch ein Spielzeug dabei haben *schluchz*
[Alle schweigen betreten]
Ella: Wenn ich kein Spielzeug dabei habe, will ich nicht mit.
Mama: Du willst wegen einer Spielzeugente nicht zu TeBe?
Ella: Ja.

Ella und Mama drehten dann um und backten zuhause einen wunderbaren Kuchen. Papa und Oscar brüllten sich im Stadion die Seele aus dem Leib. Oscar genoss es, 90 Minuten lang mal so laut sein zu dürfen, wie er es sich wünscht und sogar mit anderen Menschen gemeinsam sich der Fäkalsprache zu bedienen. Es ist ihm ernst mit TeBe. Er findet all die Vereine doof, die man als TeBe-Fan doof finden muss. Und zwar nicht, weil er muss, sondern weil er sie wirklich doof findet. Der Dreijährige schreit noch lange, nachdem der TeBe-Fanblock damit endete, voller Wut "Scheiß Union" ins Mommsenstadion. Sein Standing dort wächst. Nächsten Freitag wird Papa wieder versuchen, mal ohne Kind ins Stadion zu gehen. Es wird nicht klappen.

Interessant ist übrigens, dass Oscar normalerweise recht gelassen mit Niederlagen umgeht. Zumindest ist es so, wenn TeBe verliert - sonst erlebt Oscar nicht viele Niederlagen.
Denkt man genauer darüber nach, so scheint in Oscar dieses seltsame "Winner-Gen" zu schlummern, welches ihm zu großartigen Brettspiel-Erfolgen trotz unbeschreiblich dämlicher Spieltaktik verhilft.
Doch als Mama, Ella und Oscar ein dem Themenkreis "Känguru" zuzuordnendes Brettspiel spielten, da erlebte Oscar übelste Niederlagen und reagierte darauf unfassbar unsouverän.

Das Spiel, dies muss man wissen, ist absolut unberechenbar, da der Führende mittels eines Würfelwurfs unverzüglich ans Ende des Teilnehmerfeldes gesetzt werden darf.
Oscars Känguru, so die Erzählung, denn Papa eilte erst herbei, als sein Sohn bereits um sich schlagend in den Teppich brüllte, war wohl kurz vor der Ziellinie ganz vorne und wurde dann nach hinten versetzt.
Dem Sieg so nah, konnte Oscar diese Niederlage nicht wegstecken. Fenster mussten geschlossen werden, Menschen und Gegenstände aus seinem Umkreis entfernt werden. Nur unter großen Bemühungen aller Familienmitglieder fand das Spiel eine Revanche.

Oscar war nun - gibt es ein solches Wort? - hochemotionalisiert. Mit stechendem Blick verfolgte er das Schicksal seines Kängurus um wahlweise in hysterisches Gackern zu verfallen, wenn sein Känguru vorne mitmischte oder eben Tobsuchtsanfälle zu bekommen, wenn dem Känguru Böses widerfuhr.

Viele andere Dinge sind in dieser Woche sicherlich auch noch passiert, zum Beispiel schlief Oscar bei seiner Oma, aber berichten wollen wir nur noch von der vergangenen Nacht. Es war eine außerordentlich schlechte Nacht.

Noch immer kämpfen wir hier gegen die Laus, die Mama mal in diesem, mal in jenem Haar findet. Das mütterliche Urteil jedenfalls lautete gegen 19:00 unmissverständlich: Ein jeder schläft im eigenen Bett.
Dies vorneweg.

Um 19:45 beendet Papa das Vorlesen aus Oscars Lieblingsbuch "Oskar gibt Gas". Oscar, noch im Oma-Verwöhn-Modus, weint, stampft, tritt, flucht. Er wird entfernt, flucht, tritt, stampft, weint in seinem Bett weiter. Laut.
Ella liest derweil Mama vor und ist das gut funktionierende Kind. Ella geht ins Bett.

Mama und Papa gucken einen spannenden "Tatort", der bis zum zweiten Mord von Oscars Wutgeschrei begleitet wird. Oscar wird geholt. Aufs Sofa gesetzt. Tatort. Oscar. Ruhe.
Dann Ella. Neid. Ungerechtigkeit.
Tatort. Oscar. Ella.

Danach gehen alle irgendwie ins Bett.
Um 2:30 will Ella zu Mama und Papa. Mama schläft, Papa sagt "Nein". Ella weint. 25 Minuten lang. Dann erlaubt Papa seiner Tochter, dass sie sich auf das Fußende des Bettes legen dürfe, denn die Laus soll sich mal zeigen, die vom Elternfuß auf den Kinderkopf hüpft.
Ella liegt am Fußende. Friert. Holt sich eine Decke. Kommt wieder. Mama wird wach. Sagt: "Nein".

Ella bricht in Schluchzen aus. Liegt im eigenen Bett. Dann ist Oscar wach. Es ist nun etwa 3:30. Auch Oscar weint jetzt. Ella ruft seltsamerweise immer seinen Namen. Es beginnt absurd zu werden. Mama ist auch wach. Wir sind alle wach. Vielleicht die einzigen 4 Menschen der Stadt, die jetzt wach sind.

Um 4:00 beginnen wir uns neu zu sortieren. Mama steigt zu Ella ins Bett. Diese kichert. Um 4:00 kichert Ella!  Oscar lässt sich vorher zum Vater ins Bett tragen und grunzt zufrieden. Um 4:02 können wir alle zufrieden schlafen. Um 6:00 klingelte dann der Wecker.






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