Montag, 29. August 2011

Oscar und Peine

Es war am Freitag um 18:00, als Oscars Leben für ein paar Minuten wirklich ungut war. Und es war in Peine.
Oscar sollte sich den Namen dieses feinen niedersächsischen Städtchens merken, denn Peine und Oscar, das passt nicht.

Oscar sitzt kurz vor 18:00 im Kindersitz eines gecharterten Ford und braust Richtung Bergkamen, wo diverse Familienmitglieder schon freudig erregt auf einen unversehrten Oscar und seine große und natürlich ebenso unversehrte Schwester warten.
Oscar nähert sich Peine und was er in diesen Minuten auf der Autobahn nicht weiß, ist, dass ihm bereits furchtbar übel ist.

Oscar bemerkt dies einfach nicht. Oder es ist ihm egal. Gleichgültig jedenfalls hängt Oscar in seinem Sitz, aus dem Autoradio erklingt in Endlosschleife "Peterson und Findus feiern Weihnachten", eine Geschichte, deren kruder Handlungsverlauf mit seinen mehreren parallelen Erzählsträngen weder der Vater noch die Mutter komplett begreifen sollten, auch wenn dieses grandiose Stück Hörspielgeschichte sechs Mal komplett gehört wurde.

Dann die Ortsgrenze zu Peine. Es macht zweimal leise "Schwapp". Oscar stellt neben den übrigen Reisemitgliedern fest, dass er soeben erbrochen hat. Er jammert ein bisschen. Hätte er dieses vorher getan, hätten wir den nächsten Parkplatz angesteuert und Oscar frische Autobahnluft atmen lassen, auf dass er sich schnell wieder erhole. Da Oscar aber sich bis zum Erbrechen komplett unverändert seiner Umgebung präsentiert, kann man das doppelte "Schwapp" nicht verhindern. Bei Ella ist es ja zum Beispiel andersherum: Ella jammert und erzählt von schlimmster Übelkeit, doch ins Auto hat sie noch nie gekotzt. Oscar dagegen ist halb so alt wie Ella und hat schon in den verschiedensten Ländern die unterschiedlichsten Automarken besudelt. Ohne vorher zu jammern. Welche Eigenart wir in diesem Punkt besser finden, die Theatralik unserer Tochter oder die Gleichgültigkeit unseres Sohnes, wissen wir momentan noch nicht.

In Peine fuhren wir dann auf den Parkplatz. Papa und Ella holten Toilettenpapier, Mama reinigte das Auto, Oscar stand - nur noch mit Windel bekleidet - neben dem Gefährt. Dann ein Schrei. Oscar, dem in Peine nie Gutes wiederfährt, wurde von einer Wespe gestochen. Der Pechvogel wurde mit Mitleid überschüttet, weinte drei Minuten und setzte sich dann ins Auto, wo er sich nichts weiter anmerken ließ.

Auch von Ella wissen wir nun, dass sie nicht auf Wespenstiche allergisch reagiert, denn auch Ella wurde in diesen Tagen gestochen. Es war am Donnerstag und Ella weinte einen ganzen Nachmittag lang. Am Freitag, so Ella, wurde sie dann noch mal gestochen. Stimmt dies, wären dies drei Stiche für zwei Kinder an zwei Tagen. Und alles, was Papa bislang von Wahrscheinlichkeit zu wissen glaubte, so von wegen: wenn ein Flugzeug abstürzt, ist Fliegen total sicher, denn zwei Flugzeugabstürze an einem Tag gibt es nicht, oder: wenn ein Kind von einer Wespe gestochen wurde, haben die anderen erstmal Ruhe, all dieses Wissen über Wahrscheinlichkeit wurde von drei Wespen und zwei Kindern binnen 48 Stunden als dämlich und falsch entlarvt.

Glücklicherweise war Peine nicht das Ziel unserer Reise. Dies hatte Oscar wahrscheinlich nicht überlebt. Nein. Der Tross fuhr weiter nach Bergkamen und Münster und dort wurde dann alles besser: Oscar bekam beispielsweise einen Eisbecher vor die Nase gesetzt, der ihm schlicht und einfach die Sprache verschlug. Eben noch munter quasselnd bekam der Herr nämlich nicht etwa - wie er es erwartete - eine Kugel Eis gereicht, sondern einen so genannten "Eisifant", einen Eisbecher, in welchem ein wackerer Bergkamener Eismann drei Eiskugeln, einen Keks und zwei bunte Zuckerkugeln so anordnete, dass ein Elefant daraus wurde. Ella bekam dieses Kunstwerk auch gereicht. Sie nahm es gefasst und geübt entgegen. Nicht so Oscar. Oscar konnte beim Anblick des "Eisifanten" sekundenlang nicht atmen und weigerte sich vor lauter Ehrfurcht, das Gebilde aufzuessen.

Zum Glück kennt Oma Münster ja alle Tricks. Sie hielt Oscar einen Löffel Eis vor sein Gesicht und sprach "Einen für Oscar..." - Oscar schnappte nach dem Eis. Dann aber beging Oma Münster einen Fehler. Sie hielt Oscar einen weiteren Löffel Eis hin und sprach "und einen für Ella..." - hier machte Oscar nicht mehr mit. Er protestierte "Ich heiße Oscar!!!" und zeigte sich mal wieder von seiner humorlosen Seite.
Kann man mit Ella auf diese Weise für jedes Kita-Kind einen Löffel Essen in ihrem Mund versenken, so teilt Oscar auch in seiner Phantasie so ungern, dass dieses Spielchen bei ihm nicht funktioniert. "Alle Löffel für Oscar" heißt das einzige Essens-Spiel, das Oscar akzeptiert.

Das letzte Foto macht Hoffnung. Wir besitzen nun wieder einen intakten Fotoapparat und können ab jetzt auch wieder Fotos machen, wenn wir drinnen sind und sich die Objekte bewegen. Und da der Sommer, der nie richtig da war, nun scheinbar wirklich dem Herbst gewichen ist, lümmeln sich die beweglichen Objekte dieser Wohnung gerne drinnen auf dem Sofa. Und auch diese spannenden Situationen können wir jetzt wieder fotografieren.


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