Montag, 16. Mai 2011

Die Intelligenz, Zusammenhänge herzustellen

"Oscar ist klug", hat seine Mama schon des Öfteren behauptet. Vielleicht ein bisschen zu häufig, denn Sätze dieser Art werden für gewöhnlich nur dann geäußert, wenn der beschriebene Sachverhalt nicht hundertprozentig offensichtlich ist. Niemand würde sagen: "Goethe ist berühmt" oder - um noch deutlicher zu werden - "Goethe ist ein Mann", weil beides absolut unbestritten ist.

Sagt eine Mutter häufig, ihr Sohn sei klug, so sagt sie indirekt also auch, dass man genau das nicht so richtig gleich auf den ersten Blick sieht. Der Grund, dass Oscar tatsächlich häufig unterschätzt wird, liegt in seiner immer noch recht rudimentären Sprachentwicklung. Hier und da lässt Oscar ein Bonmot fallen, wie zum Beispiel heute, als er papageiengleich Ella nachplapperte "Kann ich auch?" - eine wahre Meisterleistung der Kommunikation, gemessen an Oscars sonstigem Gebrabbel. Nein, die Sprache ist immer noch nicht so richtig Oscars Lieblingsthema und so wird der schweigende oder seltsam kryptisch sprechende Oscar eben unterschätzt.

"Oscar", so die Mutter, die - wir erinnern uns - gerade eben erwähnte, dass ihr Sohn klug sei, "erkennt Zusammenhänge."

Diese Form der - wir schreiben hier völlig frei von Ironie - Intelligenz zeigt sich in nutzlosen Situationen wie dem Lösen von Rätseln in der Kinderzeitschrift "Janosch". Da waren ein paar Gegenstände abgebildet und die Frage lautete: "Welcher Gegenstand ist weich?" - Oscars Finger schnellt dann zum einzig weichen Gegestand, nämlich einer Mütze, und auch, wenn es auf der selben Rätselseite darum geht, unter zwei Vögeln und einem Fisch denjenigen zu zeigen, der nicht so ist wie die anderen, zeigt Oscars Finger große Souveränität und viel Verständnis.

Diese Form der Intelligenz zeigt sich darüber hinaus aber auch in nützlichen Situationen, zum Beispiel, wenn die große Schwester nervt. Ella tut dies ja recht gerne und recht häufig. Mal wird Papa genervt, mal wird Mama genervt. Am häufigsten wird jedoch Oscar genervt und der hatte bislang einfach relativ wenig Möglichkeiten, sich Ruhe zu verschaffen. Doch dann wandte er endlich die Fähigkeit an, Zusammenhänge herzustellen.

Oscar weiß nämlich a), dass Ella furchtbar ängstlich ist, und dass sich b) im elterlichen DVD-Regal ein Film namens "Der Weiße Hai" befindet. Auf nämlichen Cover ist der titelgebende Fisch mit allerlei Zähnen abgebildet. Für Ella ein unerträglicher Anblick.

Oscar greift nun gerne nach der DVD und rennt "Haaaiiii" schreiend zu Ella, die dann vor ihm wegspringt wie ein scheues Reh. Das Schauspiel ist insgesamt ein fantastischer Anblick, vor allem bei zunehmender Dauer, denn Oscar hat durchaus nicht nur die Gabe, Zusammenhänge herzustellen, sondern auch Kondition. Ella musste irgendwann von den Eltern gerettet werden. Der böse Film bleibt dennoch ganz bewusst in Oscars Dreikäsehöhe einsortiert, denn wir gönnen ihm diesen kleinen Triumph.

Das zurückligende Wochenende gehört sicherlich zu den ereignisreichsten des Jahres. Die Familie reiste nach NRW. In Bergkamen wurden Oma, Rainer und - als Überraschungsgast - die alte Oma besucht. Eine große Attraktion war das Loch, das Rainer in den vergangenen Tagen gebuddelt hat. Ein Swimmingpool soll da mal hinein. Zunächst einmal wurden aber die Kinder dort hineingesetzt und durften mal zeigen, was jahrelanges Spielplatztraining für Buddel-Stars hervorbringen kann.
Das Foto von Oscar alleine in der Grube ist natürlich ein billiger Witz. Ein kleiner Wicht, eine kleine Schaufel, ein groooßes Loch.

In NRW war ohnehin die Hölle los. Eine Mannschaft, dessen Sympathiesanten vor allem aus dem ländlichen Raum stammen, wurde deutscher Fußballmeister. Die gelb-schwarzen Landbewohner fingen recht bald an, furchtbar zu nerven. Ella hatte ohnehin ein bisschen Respekt, da sie als gebürtige Gelsenkirchnerin durchaus weiß, dass die Landbewohner gegenüber Gelsenkirchnerinnen auch mal böse werden können.
Der Eindruck des Wochenendes war jedenfalls der, dass - egal, welche Tür sich irgendwo öffnete - mindestens zehn schwarz-gelbe Landbewohner hindurchwuselten. Vergleiche mit Kellerasseln unter Steinen, die man anhebt, wurden laut.

Ella und Oscar waren aber Teil des ganzen, denn man selber besuchte ein Fußballstadion, allerdings urbaner gelegen.
Im Bochumer Ruhrstadion war Oscar erstmal schwer beeindruckt: Alles war voller Menschen, in der Ecke hingen riesige Fernseher und unten war eine Wiese mit Bällen. "Da! Da! Da! Gnüüün" Da! Da!", kommentierte Oscar das Geschehen. Zum Glück war dann alles etwas weniger aufregend, als das Spiel begann.

Zehn Sekunden vor dem ersten Tor der Bochumer erhielt Oscar eine Wurst. Es war die neunte Minute: Mama kam. Wurst. Tor. Um Oscar herum Chaos, Riesenjubel, tosender Lärm.
Papa, nachdem er fertig gejubelt hat, schaut mit schlechtem Gewissen zum Sohn. Wird er den Riesenkrach überstanden haben? Ja. Fasziniert starrt Oscar auf die Bratwurst und bekommt sonst wohl nichts mit.

Tags zuvor waren die Eltern beim Eurovision Song Contest. Während sich Aserbaidschan zum verdienten Sieg schmachtete, lagen Ella und Oscar friedlich in Bergkamen im Bett und schliefen. Wie genau Oma und Rainer das gemacht haben, ist nicht klar. Die Erklärung der Oma ("Die haben einmal Terror gemacht, dann hab ich die kurz gefaltet und dann war gut") klang jedenfalls so simpel, dass sie eigentlich nicht stimmen kann...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen