Dienstag, 10. Mai 2011

Das Säcklein Flieder

"Morgen ist Muttertag", sprach der Vater zu seiner Frau. "Da erholste dich mal richtig. Ich hol Brötchen."

In der Nacht kam es dann aber anders, denn der Vater erkrankte und sah sich aufgrund von permanenten Schmerzen im Hals und dem spanischen ESC-Song von 2010 ("Baila Chiqi Chiqi") im fiebernden Kopf mit einer zwar rhythmischen, unterm Strich aber sehr unschönen Nacht im Gartenhäuschen konfrontiert. Alles löbliche Vorhaben für den Muttertag musste abgesagt werden. Der Vater leistete mit einem geisterhaften Auftritt seiner Familie beim Frühstück noch Gesellschaft, verbrachte den Rest des Tages dann aber schlafend.

Es war vielleicht die Retourkutsche für den Geburtstag des Vaters, den im Vorjahr Oscar mit einem Griff in Mamas Auge zu einer Katastrophe werden ließ. Der Muttertag 2011 war jedenfalls nur insofern ein Muttertag, da Mutter diesmal alles alleine machen musste: Also die Dinge, die sie ohnehin schon immer tut, plus die Dinge, die der Vater sonst tut, plus die Dinge, die der Vater am Muttertag ausnahmsweise auch mal tut.

Eigentlich verhinderte nur Ella die totale Muttertagsdepression, denn Ella ließ sich in der Gartenkolonie am Samstag in ein Verkaufsgespräch verwickeln. Sie stürzte zu Papa und verkündete mit ernster Miene, dass sie jetzt echt Geld brauche, denn sie müsse nun echt was für den Muttertag kaufen.

Papa latschte dem aufgeregten Töchterlein hinterher. Das Mädchen aus dem Garten gegenüber ist ein bissschen älter als Ella und hat das wirtschaftliche Potential des Muttertages, insbesondere in einer konkurrenzlosen Gartenkolonie, bereits erkannt. Das Mädchen verkaufte kleine Serviettenbündel. Innen drin war getrockneter Flieder. "Das riecht gut", sprach das Mädchen und Ella hüpfte vor Aufregung.

"Wieviel soll das kosten?", fragte Ellas Papa. "Einsfünfzig", sagte das Mädchen. Papa dachte in den folgenden fünf Sekunden unter anderem die folgenden Dinge: In unserem Garten steht auch sehr viel Flieder. Einsfünfzig ist Wucher. Und: Nein. Mit einem achtjährigen Mädchen wird nicht gefeilscht. Noch dazu zum Muttertag.

Ella durfte die Transaktion dann starten und wie gesagt: Das Säcklein Flieder war für Mama der einzige Lichtblick an einem sonst so trüben Muttertag.
Und Papa lernte gleich mal die Mutter des Verkaufsgenies kennen. Und was wusste die zu berichten? "Unsere Tochter heiß Elia und unser Hund Oscar." - "Das ist ja toll", sprach Papa.

Am Freitag zuvor fand im Viktoriapark der traditionelle Bambini-Lauf statt. Die Erwartungen in Ella waren recht hoch, nachdem sie im Vorjahr ihrer Altersklasse davonrannte und nun ja seit ein paar Tagen nichts mehr liebt auf dieser Welt als das ausgiebige Laufen.

Der mütterliche Bericht über den Bambini-Lauf lieferte dann aber ein anderes Bild unserer Möhre. Sie habe nämlich, so die Mutter, den Umgang mit sportlichen Enttäuschung von eben der Mutter geerbt. Bezogen auf den Bambini-Lauf hieß das: Die ersten 30 Meter waren toll, dann wurde Ella überholt und musste feststellen, dass sie heuer nicht wird siegen können. Von da an war der Lauf doof und Ella brach ab.

Als der Papa später eintraf fand er seine Kinder dennoch von Goldmedaillen umhangen. "Alle haben gewonnen", sagte die Erzieherin und Ella übernahm diese Sprachregelung. Fragt man sie nämlich danach, wer den Bambini-Lauf gewonnen hätte, so antwortet sie ohne rot zu werden "Ich."

Große Probleme bereitet uns wieder mal das Einschlafen. Es ist eine Farce. Oscar möchte auf gar keinen Fall im Kinderzimmer einschlafen und gibt als Grund an, dass das Busauto draußen zu laut sei. Eine glatte Lüge im Übrigen. Oscar packt dann seine Sachen und haut ab.
Ella - Problem Nummer 2 - kann alleine nicht schlafen. Grund ist - Tusch - der böse Zauberer, also ein Standbild, das sie im Planetarium vor Wochen gesehen hat. Papa sagt: Lüge. Ella sagt dann, dass Papa dies gar nicht wissen könne und hat die Sache auf den Punkt gebracht.

Im Arbeitszimmer hat Ella übrigens keine Angst. Und so schläft Oscar im Schlafzimmer und Ella zunächst im Arbeitszimmer, wird dann gegen 23.00 ins Kinderzimmer getragen und zieht dann gegen 1:00 ins Schlafzimmer um.

Vielleicht fließen irgendwelche negativen Energien durchs Kinderzimmer. Wir kennen jemanden, der konnte in einem bestimmten Zimmer auch nicht schlafen. Er sollte sich dann Kleiderbügel auf die Energieachsen legen. Dann ging's. Wir müssen ohnehin alle mal zum Psychiater.

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