Montag, 28. März 2011

Die Grenze des Wortschatzes heißt "Faust"

Recht eindrucksvoll hat Ella uns in der Vorwoche bewiesen, dass sie so rein magentechnisch nicht voll auf der Höhe ist. Wir berichteten von mitten in der Nacht neu bezogenen Betten und wimmernden Mädchen.

Mittlerweile sollte dieser kleine Infekt überstanden sein, doch Ella scheint es immer noch im Bauch zu pieksen. Die Kita schickte Ella am Freitag deshalb krank und die Kinderärztin am selben Tag gesund nach Hause. Aus ärztlicher Sicht ist Ellas Bauch also gesund, und trotzdem krümmt sich Ella manchmal und schreit "auiii".

Vorerst ohne ärztlichen Rat diagnostizierten Mama und Papa "psychosomatischer Schmerz" und erstellten in diesem Zusammenhang gleich mal ein Psychogramm der Tochter. So stellten wir fest, dass Ella immer dann Bauchschmerzen hat, wenn sie wenig beachtet wird oder wenn sie gerade Ärger bekommen hat. Liegt sie dann auf dem Sofa, dann sind die Bauchschmerzen noch da. Wird gesagt: "Ella, wir fahren jetzt ins Krankenhaus", dann freut sich das Kind und ist vor lauter Erleichterung plötzlich wieder schmerzfrei...

Oscar hat dagegen ganz andere Probleme. Oscar ist ein Junge und er ist jetzt zwei. Diese Mischung bekommt den meisten Menschen nicht, sie flüchten sich in Wut und Prügelattacken.
Oscar dreht hier derzeit regelrecht durch. Sein Wortschatz wird zwar mittlerweile täglich größer - Oscar kann jetzt schon von "grünen" Dingen berichten und sagt beim Abendessen zum Beispiel auch mal "Mund", wenn es um die heikle Frage danach geht, wohin denn nun mit dem ganzen Zeug auf Oscars Teller... Und trotzdem reicht dieser fantastische Wortschatz von vielleicht 50 Begriffen nicht aus, um komplexe Sachverhalte ohne Gewaltanwendung zu lösen.

Man kennt das aus Fußballstadien und Gesamtschulen: Wo die Kommunikationskompetenz an Grenzen stößt, fliegt schnell mal die Faust. Oscar macht sich deshalb momentan gar nicht erst die Mühe, mimisch-gestisch und ergänzt durch bejammernswürdigende Vokabeln seine Probleme darzulegen. Nein. Der Herr prügelt einfach.
Er latscht auf Ella zu, kommt halt grad so des Weges, und schubst sie weg. Ella verhält sich dann immer denkbar unklug. Sie schreit "Aua". Für Oscar das Zeichen: Ich werde verstanden. Also geht es weiter. Oscar schubst. Ella schreit "Aua". Mama und Papa trinken noch so lange Kaffee, bis ihnen das Schauspiel zu bunt wird. Dann kriegt Oscar Ärger, legt seine Wange auf die Schulter und schmollt.

Schmollen ist natürlich eine relativ dämliche Reaktion auf das vollkommen berechtigte Zurechtweisen nach einer Gewalttat. Es gibt aber auch noch schlimmere Reaktionen: Wir befinden uns in der Küche. Die Familie sitzt beim Frühstück. Alles ist in gewisser Weise friedlich. Dann reiht Oscar ein paar Laute aneinander und deutet auf Papas Schoß.

Wenig später sitzt Oscar auf Papas Schoß. Hier nun entschließt sich Oscar dazu, dass jetzt nur noch Brutalität helfen kann. Er knallt Papa vorsichtshalber mal eine. Papa ist sauer. Sagt: "Oscar, wir hauen hier nicht!" - Oscar muss beim Anblick des bösen Papas lachen. Papa wird saurer. Oscar fröhlicher. Dann haut Oscar wieder zu. Papa schimpft. Oscar weint.

Und da Oscar beim Weinen süßer aussieht als Papa beim Schimpfen, ist klar, dass Oscar aus der Nummer schon irgendwie wieder rauskommt.

Am Wochenende fuhren wir dann nach Weimar. Ein Baby, der kleine Johann nämlich, wurde getauft. Johann ist geübt in solchen Dingen, denn Johann war beim letztjährigen Krippenspiel schon der absolute Superstar, nämlich das kleine Jesuskind. Am Sonntag war er nun wieder der Mittelpunkt des Gottestdienstes, durfte aber als einziger bei der 90 minütigen Prozedur schlafen.

Zuvor zeigten die Weimarer dem Besuch, dass auch sie die Sprache des wütenden Mobs sprechen können: Als Oscar nämlich auf dem Bobbycar der großen Schwester des Täuflings entdeckt wurde, da zog sie den armen Kerl so kräftig an den Haaren, dass Oscar für einen Moment Hören und Sehen verging.

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