Sonntag, 6. Februar 2011

Beim Frühstück

Die Selbstständigkeit unserer Kinder nimmt so langsam Formen an. So geschehen beispielsweise am Mittwoch, als Ella und Oscar den Frühstückstisch deckten.

Mama und Papa hatten den klaren Auftrag, nicht - auf gar keinen Fall - die Küche zu betreten. Man werde das dort schon machen. Die Eltern sollen ruhig mal nicht in die Küche gehen.

Und so tigerten Mama und Papa durch den Rest der Wohnung. Bange Blicke richteten sie auf die Uhren im Wohnzimmer und im Schlafzimmer. Unter der Küchenuhr, die wir nicht sehen durften, die aber auch anzeigte, dass sich Ella und Oscar eigentlich schon längst in der Schlussphase des morgendlichen Hin-und-Hers befinden müssten, dem Anziehen oder dem Waschen, aber sicherlich nicht dem Frühstückstisch-Decken, unter dieser Küchenuhr beratschlagten die Kinder nun seelenruhig die Vorgehensweise.

Im Prinzip kann Ella sehr gut Tische decken. Wir wissen nicht so genau, wie sie das macht, weil auf den von Ella gedeckten Tischen auch immer Artikel zu finden sind, die entweder zu hoch oder zu schwer für Ella sein müssten, aber am Ende lacht uns meistens ein perfekter Tisch an. Das Problem, das mittwochs den ganzen Ablauf des Morgens ins Wanken brachte, hieß Oscar.

Oscar, an sich ein unkomplizierter Zeitgenosse, hat sich nämlich einen neuen Spleen ausgedacht. Verwirrt von einem Geburtstagsgeschenk, dem Besteck-Set von "Bob, dem Baumeister", gibt es derzeit kein sensibleres Thema für unseren Sohn als die Frage nach dem richtigen Tisch-Gedeck.

So trägt er schon mal den gelben Teller und den gelben Becher zurück in den Schrank und fordert laut seine Lieblingsfarbe ("Baaaauuuuu"). Benutztes blaues Geschirr wird hier seit kurzem sofort gereinigt, denn Oscar braucht es zu jeder Mahlzeit.
Ist dies an sich leicht zu durchschauen und auch "in sich" noch irgendwie logisch, so ist zum großen Ärgernis der restlichen Familie, keine Logik zu erkennen, nach der Oscar sein Besteck wünscht.

In jedem Fall aber sind die Wünsche intensiv. Der Herr muss oft schreien und weinen, kann auf keinen Fall mit der Mahlzeit beginnen, wenn er das falsche Messer vorfindet. Dass das richtige Messer nicht unbedingt das "Blaue" ist, macht die Sache kompliziert, denn "Baauuu" kann Oscar sagen. Es gäbe da Messer mit Teddys drauf, Messer mit "Bob, dem Baumeister" drauf, Messer mit anderen tollen Dingen drauf und irgendeines davon will Oscar immer unbedingt haben. Aber wie gesagt - es ist nicht immer dasselbe und benennen kann er unser reichhaltiges Messerangebot auch nicht.

Mama und Papa lobten in diesem Zusammenhang die DDR und können endlich mitreden mit den Leuten, die behaupten: "Es war nicht alles schlecht!".
Vollkommen Recht haben diese Leute nämlich, denn Vielfalt führt zu Konflikten. Dies gilt zumindest für Messer und Gabeln und Teller. Alles muss gleich aussehen. Gäbe es im Land überall das gleiche Messer und den gleichen Teller, wie seinerzeit in der DDR, dann hätte Ella am Mittwoch schnell den Tisch decken können.

So beging sie einen Fehler. Sie nahm Oscar und seine Beschwerde bezüglich des Besteckes ernst. Mama und Papa, die die Küche ja nicht betreten durften, hörten einem verzweifelten Gespräch zu, während die Uhr unaufhörlich tickte. "Oscar, das Messer?" - "Wäääääääääääää". "Okay, okay, Oscar. Das Messer?" - "Neeeeeeeeeeeiiiiiiiin". Es war ein Jammer. Ella hatte nach 30 Minuten den Tisch noch immer nicht gedeckt. Lediglich bis zu den Messern war sie gekommen, aber Oscars Messer war halt falsch.

Irgendwann unterbanden die Eltern das Schauspiel und erläuterten den gestressten Kindern, dass die neue Form der Selbstständigkeit künftig nur an Wochenenden ausgelebt werden darf. Dann nämlich, wenn wir es uns zeitlich leisten können, dass bis 11 Uhr über Messer diskutiert wird.

Bleiben wir in diesem Blog-Eintrag nun einfach mal beim Thema "Frühstück". Schließlich hatte Papa Ferien und man konnte jeden Tag herrlich zu viert frühstücken. So geschehen halt hier und da relevante Dinge beim Frühstück: Oscar zum Beispiel erhielt seinen ersten Verweis. Von Kind 1 kennen wir das ja, dass es den Bogen manchmal so furchtbar doll überspannt, dass wir es "entfernen" müssen.

Diesmal überspannte Oscar. Vermutlich ging es um Teller oder Messer.
Es reichte jedenfalls und so wurde Oscar zum ersten Mal in seinem Leben rausgeschmissen. Mama nahm den entsetzten Fratz und trug ihn meilenweit weg, ins Kinderzimmer nämlich.

Mama kam zurück zum Frühstückstisch.
Hier wunderten wir uns, denn anders als Ella, die in solchen Momenten immer brüllend hinterhergerannt kommt und sich dann in der Küche vor Ärger übergibt, blieb Oscar im Kinderzimmer und wimmerte.

Papa kam dann zu ihm, Oscar schmiegte sich an den Retter und konnte das Frühstück anschließend ohne Geschrei zu Ende bringen.

Im Übrigen hat Oscar seine kleine Diät hinter sich gebracht. Die letzten Tage hat er nämlich überhaupt keinen Frühstückshunger mehr gehabt. Vorbei und vergessen ist das, denn seit Donnerstag fordert Oscar Nutella aufs Brot. Wie doll ihm das schmeckt, zeigen die nackten Zahlen: Oscar frühstückte bis Donnerstag zuletzt einen halben Toast. Seit Donnerstag isst er deren drei.

Die letzte Anekdote soll dann auch am Frühstückstisch spielen. Besser gesagt, schräg unter dem Frühstückstisch. Dort liegt nämlich Ella und heult fürchterlich. Keiner weiß, was los ist. Minuten vergehen. Ella würgt bereits. Sie keucht und krümmt sich.
"Ella, was ist denn?"

Die Antwort wird mehr gewürgt als gesprochen, ist leider unverständlich. Ellas Zustand verschlimmert sich. Schließlich kann sie sich mit letzter Kraft verständigen und äußert einen Satz, der zu einem aufrecht sitzenden und lieb mit den Augen klappernden Kindlein passt, nicht aber zu einer vom Brüllen entstellten Furie, die unterm Tisch kauert. Ella würgt: "Du sollst mich STREICHELN!!!" und brüllt das letzte Wort in einer Form in die Küche, der drei Ausrufezeichen nicht gerecht werden.

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