Sonntag, 20. Februar 2011

Steine, Fische, versunkene Schiffe.

Als der Familienvater aus gutem Grund am vergangenen Sonntag nach Bielefeld fuhr, da ließ Mama ihrer Entscheidungshoheit freien Lauf und schleppte sich und den wissbegierigen Nachwuchs ins Museum.

Nachdem Ella und Oscar das Verkehrsmuseum nun schon in- und auswendig kennen und sich selbst Oscar das Gähnen vor dem abermaligen Anblick einer Dampflok aus dem 19. Jahrhundert nicht verkneifen kann, führte Mamas Plan die vaterlose Familie ins Naturkundemuseum. "Dort gibt es ausgestopfte Tiere", frohlockte die Mutter, musste im Museum aber feststellen, dass zumindest Ellas Interesse an den - wie sagt man - Präparaten recht übersichtlich war. Eine Ausnahme stellten, dies wurde dem aus Bielefeld Heimgekehrten tags drauf berichtet, die Fische dar.

"Hmm... Was bitte ist objektiv langweiliger als ein präparierter Fisch?", mag man da spontan fragen. Doch gibt es bei längerem Nachdenken noch außerordentlich viele Dinge, die langweiliger sind. Und da Ellas Interessensgebiete scheinbar invers zu "normalen" Interessensgebieten sind, zeigte sie sich begeistert von den Steinen, die im Naturkundemuseum ausgestellt sind. Steine...

Gegen Ende, Mama suchte bereits den Ausgang aus der fabelhaften Welt der Steine und Fische, da studierte Ella den Museums-Flyer noch einmal ganz genau, deutete auf ein krudes Piktogramm und sprach: "Hier waren wir noch nicht."
Und richtig: Es handelte sich um eine weitere Abteilung spannendster Steine, die Mama einfach unterschlagen wollte.

Während Ella das abstrakte Piktogramm also recht erfolgreich interpretierte, findet auch Oscar immer mehr Gefallen an der abstrakten Welt. Begriffe wie "oben", "unten", "drei" und schon lange "ich" gehören zu seinem Sprachschatz. Konkrete Dinge wie Äpfel, Bälle oder Teller kann er nicht aussprechen. Wird es aber abstrakt, so richtig schön schwer, dann schlägt Oscar zu und führt feinste Gespräche.

Dass der Blechtrommel-Oskar auf dem Bild von Günter Gras "drei" ist, das kann Oscar jedem sagen, der ihn fragt. Aufgeregt wippend steht Oscar dann unter dem Bild. "Oben" hängt das Objekt, auch das kann Oscar sagen. Und ein Oskar ist da drauf, das weiß Oscar nun auch und hält den Oskar der Literatur wahrscheinlich für den Oscar seiner Welt. Sich.

Doch auch ein konkreter Gegenstand schiebt sich derzeit in Oscars abstrakte Welt. Seit etwa einer Stunde nämlich befasst sich Oscar mit der Kompetenz des Nase-Schnäuzens und fuchtelt seit ebenso langer Zeit mit Taschentüchern an seiner Nase herum. Hier und da latscht der Wicht, der eigentlich schon schlafen soll, aus dem Zimmer und wedelt mit dem Taschentuch wie ein Bahnreisender beim Abschied. Mama oder Papa helfen dann ein bisschen und schieben das Tuch unter Oscars Triefnase von links nach rechts. Danach, man höre und staune, läuft Oscar alleine durch die gesamte Wohnung, hindurch durch die dunkle Küche, öffnet der Mülleimer und entsorgt das Tuch sehr erwachsen.

Ella hat ebenfalls eine neue Leidenschaft entdeckt. Seit gestern, als sie auf ihrer Weltkarte ein sinkendes Schiff südlich von Neufundland entdeckte, ist sie im Titanic-Fieber. Jeder zweite Satz handelt vom Unglücksschiff. Papa musste Reportagen auf Youtube und zwei Sachbücher heraussuchen. Ellas Wissensdurst war nicht zu löschen.

Am Vormittag waren die Eltern im Kino. Oma und Opa wurden eingeflogen und normalerweise dreht Ella in dieser Zeit immer vollkommen durch, hängt an irgendwelchen Möbelstücken und hat die Wohnung schnell verwüstet. Nicht so heute.
Versunken in ein Titanic-Buch erzählte sie der neben ihr sitzenden Oma immer wieder von Eisbergen und Schiffen. Oscar und Opa sortierten daneben Memory-Kärtchen. Konzentrierte Stille lag in der Luft, als Mama und Papa nach Hause kamen...

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