Sonntag, 4. Juli 2010

Die Mägen der Schwererziehbaren

Eine ausgesprochenen fotogene Woche scheint hinter uns zu liegen, anders ist es nicht zu erklären, dass wir für den heutigen Blog-Eintrag aus unglaublichen 120 Fotos ein paar auswählen dürfen...

Was war also alles geschehen?

Die ersten drei Fotos stammen vom Sommerfest des Kinderladens, den unsere Ella und ab Oktober auch unser Oscar besuchen. Inwieweit sich für Oscar da groß was ändert, ist schwer zu beurteilen, denn Oscar geht ohnehin schon regelmäßig in Ellas Kinderladen ein und aus.
Die anderen Kinder haben bereits ihren Gefallen an dem kleinen Wicht gefunden und zeigen es ihm mit abgrundtiefer Bewunderung (Matea) oder patriarchalischer Grobheit (Benni).

Das Sommerfest genossen also beide. Ella zeigte uns, dass sie in einem Raupenlied die Blaubeere spielen kann, was Papa entzückend fand, und sie demostrierte, weshalb sie von manch anderem Kind auch mal "Heulsuse" genannt wurde.
Etwa alle 10 Minuten brach Ella nämlich in Tränen aus: Mal war der Kuchen zu weit weg, dann gab es keinen Stuhl; mal wollte sie eine Feder haben, mal wollte sie eine grüne Feder haben (als man ihr eine rote überreichte).

Oscar hingegen - ganz Kerl - weinte nur, wenn es wirkliche Gründe gab. Stürze vom Bobbycar konnten das sein, aber selbst mit blutendem Knie weint Oscar höchstens 5 Sekunden um sich dann wieder Sinnvollerem zu widmen.
Ein kleiner Schritt für die Menschheit, ein sehr großer für Oscar ist übrigens folgender: Oscar kann so langsam aber sicher Bobbycar fahren. Vorwärts. Rückwärts kann er schon lange.

Emotionaler Höhepunkt des Sommerfestes war ein Puppentheater. Das Publikum bestand aus Kindern zwischen 3 und 6 Jahren. Und aus Oscar.
Und nun spitzen die Humanbiologen bitte die Ohren, denn es folgt eine bedeutsame empirische Erkenntnis: Während nämlich die Kinderschar der 3- bis 6-jährigen gebannt dem Inhalt des Puppentheaters lauschte, fand der einzige Einhalbjährige im Publikum das Geschehen auf der Bühne "an sich" unglaublich. Dass da eine Puppe war, die auch noch sprechen konnte, das fand Oscar schon unfassbar und so erhob er sich und latschte wie ein religiöser Fanatiker durch das Publikum um den apathischen Kindern die Unglaublichkeit zu verkünden. Er stellte sich neben jedes Kind und zeigte laut grunzend auf die Bühne. Er konnte es nicht fassen. Das Geschehen auf der Bühne nicht und die Teilnahmslosigkeit im Publikum auch nicht.

Am Folgetag ging es vormittags ins Schwimmbad und nachmittags überrollte die deutsche Nationalmannschaft Argentinien. Ähnliches, nicht ganz so reibungslos, geschah im Jahre 2006. Mama war hochschwanger. Ella kam - wir schrieben schon davon - vermutlich aufgrund dieses aufregenden Viertelfinals deutlich zu früh, nämlich zum folgenden Halbfinale auf die Welt.
Als 2010 alles wesentlich weniger dramatisch ablief, wuselten neben den stets anwesenden Kindern auch noch Flora und Linus durch die Wohnung. Alle wedelten mit Fahnen, interessierten sich dann aber doch nicht für das Spiel. Nur Linus entwickelte irgendwann heimliche Sympathien für die Südamerikaner, weil er bei jedem deutschen Tor ob des tosenden Lärmes in seiner Umgebung schlimm weinen musste.

Schließlich endete die Woche heute mit Ellas Geburtstag. Die Vierjährige genoss den Tag, der darin bestand, dass sie morgens viele Geschenke auspackte und anschließend im Viktoriapark ihren Kindergeburtstag feierte.
Mama und Papa sahen sich inklusive der eigenen Brut mit 6 schwererziehbaren Kindern konfrontiert, die insbesondere in dem Moment für Stress sorgten, da sie die von Papa gezogenene Ziellinie des Bobbycar-Rennens übersahen und ungebremst Richtung Neukölln sausten. Es dauerte einige Zeit, ehe die Kinderschar eingefangen war. Die Ausreden ("Ich hab die Linie nicht gesehen" (Vincent), "Ich konnte nicht mehr bremsen" (Jannek) waren das Professionellste, das die Geburtstagsgesellschaft an diesem chaotischen Nachmittag zustande brachte.

Beeindruckend war auch das Essverhalten der Kinderschar. Kuchen ging so grade noch durch. Das Gemüse wurde missachtet und als Mama einen Teller Gummibärchen auf die Decke stellte, da fühlte sich der Zoologe an eine Horde Hyänen über einem toten Zebra und der Physiker an Magnetismus erinnert: Die Kinder klebten für etwa 60 Sekunden an dem besagten Teller, lösten sich dann und hinterließen gähnende Leere. Welche Bedeutung Gummibärchen für Kinder wirklich haben, das wurde uns erst heute klar.

Aber: Die Mägen der Schwererziehbaren waren dann wirklich voll. Die später gereichte Wurst hatte im Gummibärchenparadies Viktoriapark ebenfalls keine Chance auf Würdigung. Wir entschuldigen uns bei allen Tieren, die für den heutigen Tag sinnlos verwurstet wurden. Wir bedanken uns bei allen Tieren, die für den heutigen Tag ihre Knochen zur Verfügung stellten, auf dass man aus ihnen süße Gummibärchen mache...

Mama und Papa waren mit den Nerven durch, als die vom Schmutz verkrusteten Kinder abends gebadet wurden. "Was hat dir heute gut gefallen?", fragte Papa dann wie jeden Abend sein Töchterchen, als es endlich und vierjährig im Bette lag. "Alles", sagte die Möhre und schlief sofort ein.

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