Sonntag, 25. Juli 2010

Ermittlung der richtigen Rolltreppe

Ella ist derzeit fähig, das Gespräch minutenlang an sich zu binden. Der Abzählreim "Eene meene Miste" ist nämlich neuerdings Ellas Lieblingsmethode, Entscheidungen zu treffen.

Nehmen wir beispielhaft folgende Situation, holen aber ein wenig aus, um die Dramatik zu verdeutlichen:
Die Familie besuchte am Montag ein schwedisches Möbelhaus. Nicht etwa am Morgen wie sonst immer, sondern am späten Nachmittag um das fantastische Schnitzel-Angebot wahrnehmen zu können, das ab 18:00 Schnitzel für einen lächerlichen Preis versprach.

Mit Möbeln und Schnitzeln liebäugelnd, setzte sich die Familie in einen extra geshareten Ford Fiesta, in welchem sofort ein Gespräch über die Fahrtechnik der Mutter außer Kontrolle geriet und zum heftigen und lautstarken Disput anschwoll, während Oscars Kindersitz nicht so recht fest angeschraubt war, weswegen der Herr diagonal auf der Rückbank in irgendwelchen Gurten hing und durchaus zurecht schrie. Ella - hochgradig reisekrank - war zu der Zeit auch schon wieder übel, sodass sie ebenfalls vor sich hinwimmerte.
Derart genervt von ihrer schreienden, wimmernden und schimpfenden Familie fuhr die Mutter in einer Art und Weise über den IKEA-Parkplatz, die der diesen Text tippende Vater völlig anders in Erinnerung hat als die lektorierende Mutter. Man parkte ein. Türen wurden wortlos zugeschlagen und erst bei den Teppichen wurde wieder Frieden geschlossen.
Man kaufte einiges an Schränken ein, schleppte die Güter in den Fiesta und nahm schweißüberströmt die Schnitzel in Empfang.
Mama passte im Anschluss als Fahrerin noch in den Ford.
Papa sprach: "Ich gehe mit den Kindern nach Hause. Wir sehen uns" und begriff erst eine Minute später die Fatalität der Situation.

Oscar war müde und hatte einen wunden Po. Er musste also a) auf Papas Arm um dort zu schlafen, stieß aber b) bei jeder Neuausrichtung auf Papas Arm Schmerzensschreie aus. Das war schon mal nicht gut. Außerdem war Oscar schwer. Der Weg vom Möbelhaus zur S-Bahn weit.

Ella schlenderte. Sie ist vermutlich sie langsamste Fußgängerin dieser Stadt. Dies ist bewiesen, seit sie am Samstag von der wohl zweitlangsamsten Fußgängerin Berlins, einer etwa 90jährigen Dame am Rollator, auf der Bergmannstraße überholt wurde.
Ellas Tempo lässt etwa 10 bis 12 Meter Fortbewegung in der Minute zu. In diesem Tempo schlich man also der S-Bahn entgegen.

Als der Trupp dann endlich die Rolltreppe zum Gleis erreicht hatte und zumindest Oscar und Papa vollkommen am Ende waren, da musste Ella entdecken, dass zwei Rolltreppen zur Verfügung standen. Papa und Oscar mussten schließlich erkennen, dass Ella die nun zu treffende Entscheidung per "Eene meene Miste" zu treffen gedenke.
Bei sag mir erst, wie alt du bist, fiel die Wahl leider nicht auf den Einjährigen oder auf die dozierende Vierjährige selbst, sondern auf den schwitzenden Vater.
Ella zählte genüsslich bis 33. Dann war die Wahl getroffen und die Familie betrat die Rolltreppe.

In anderen SItuationen kann es derzeit aber auch vorkommen, dass Ella einfach sagt: "Soll ich mal bis hundert zählen? Also. Eins. Zwei. Drei. Vier................" Ob das Buch "Warum unsere Kinder zu Tyrannen werden", das Ellas Eltern diese Woche geschenkt bekamen, eine Erklärung liefern wird?

Überhaupt: Ella und die Zahlen. Als die Familie vorhin eine Fahrradtour unternahm, weil Papa seit einer Woche keinen Vorfußentlastungsschuh mehr tragen muss und daher wieder in die Pedale steigen kann, da hörte Papa es aus dem Anhänger minutenlang knobeln. Schließlich die wirklich erstaunliche Ergebnisverkündung: "Papa, vier mal fünf mach zuanzig." (Ella sagt eigentlich immer u statt w).

Nach dem Abendbrot wollte Papa wissen, warum eine Vierjährige autodidaktisch das kleine Einmaleins beherrscht. Ella holte zu einer langen Erklärung aus, in der ihre Füße und ihre Hände eine wichtige Rolle spielen. Von Zehen und Fingern war die Rede und am Schluss hatte Papa alles verstanden.

Ansonsten ist die wesentliche Errungenschaft dieser Woche, dass unsere Kinder gemeinsam im Kinderzimmer schlafen. Zumindest so lange, bis Oscar sich zu den Eltern quakt.
Dies lief erst (Freitag) unfassbar gut, als Ella und Oscar gemeinsam kuschelnd in Oscars Bett einschliefen, war dann am Samstag aber wieder total falsch, weil Ella zweimal den bereits schlafenden Oscar aufweckte, weil sie mit Mama über ihre Bettdecke diskutieren wollte.

Heute schläft nun endlich jedes Kind dort, wo es hingehört. In zwei verschiedenen Betten im Kinderzimmer.

Oscar steht übrigens derzeit so doll auf Autos und Züge, dass es manchmal kein Halten mehr gibt, wenn entsprechende Bücher aufgeschlagen werden. Der Herr kann zwar nicht sprechen (wobei Luchs Mama heraushören will, dass "Nana" Banane und "Assa" Wasser heißen soll), aber er kann fiepen und schreien und brüllen, wenn er Fahrzeuge sieht. Neu war uns dann, dass er scheinbar auch auf Cowboys und Indianer steht, denn seine Reaktion auf ein entsprechendes Bild eines Ferienkataloges war lautstark und wild. Als im Anschluss dann die gesamte Familie im Indianer-Geschrei durch die Wohnung sprang, wurde das aufkeimende Indianer-Interesse unseres Sohnes vermutlich nicht wirklich reduziert.

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