Sonntag, 15. November 2009

Im Stechschritt oder frustriert

Schlimm ist die Zeit für Babys, in der sie mit den Vorzügen des Laufens schon vertraut gemacht wurden, an Mamas oder Papas Hand also im Stechschritt durch die Wohnung marschieren, in der sie aber noch nicht eigenständig in der Lage sind, einen Fuß vor den anderen zu setzen ohne böse zu verunfallen.

Schlimm ist diese Zeit. Lebhaft erinnern wir uns an den Frühsommer 2007, welchen Ella frustriert schreiend auf dem Laminat verbrachte.
Nun ist es Oscar, der das Leben momentan in die beiden überschaubaren Kategorien "gut" und "böse" einteilt.
"Gut" ist, wenn Oscar an elterlichen Händen latschen darf. Wir nannten es eben bereits "Stechschritt" und möchten dies hier wiederholen, denn Oscar beugt das Bein nicht am Kniegelenk durch, sondern hält das Beim stocksteif wie ein Soldat bei der Parade.
Anders als die Soldaten aber hechelt Oscar dabei vor Glück. Seine Augen drohen aus der Höhle zu springen und sein Mund ist derart weit geöffnet, dass man um sämtliche Insekten dieser Wohnung Angst haben muss.

"Böse" ist alles andere. Alle Situationen, in den Oscar nicht laufen kann, sind zunächst einmal doof. Sicher: intensive Bespaßung wird mit glucksendem Lachen quittiert, aber sonst muss doll gejammert werden.
Nachts beispielsweise jammert sich Oscar derzeit wieder im Zweistundentakt an die Brust. Woher diese dann so häufig die ganze Milch herbekommen soll, das verschweigt uns das gierig saugende Kind.
Auch feste Nahrung betritt ein Fass ohne Boden, wenn Oscar sie sich in dem Mund steckt.

Nach einer Portion Brei und einer ganzen Banane überrascht Oscar derzeit seine Umgebung mit Hungergeschrei. Babykeks, trockene Brötchen und Reiswaffeln werden dem schreienden Kinde gereicht. Dann ist kurz Ruhe. Dann folgt meistens ein minutenlanger Kampf gegen das Verschlucken. Papa klopft auf seinen Rücken, Mama holt die Brocken aus dem Mund.
Es ist kein Wunder, dass auch Ella schon davon erzählt. "Nicht so viel, Oscar. Sonst musst du dich übergehen. Und wir dürfen dann wieder alles aus deinem Mund holen", doziert die Dreijährige da. Oscar guckt sie kauend und hustend an.

Am Wochenende kam Besuch aus Hamburg. Jette Düspohl, geboren kurz nachdem Ella und Oscar Hamburg verließen, übernachtete mit ihren Eltern hier.
Oscar gefiel sich in der ungewohnten Rolle des mittleren Kindes. Schön war das ruhige Wochenende, das eigentlich nur kurz etwas hektisch wurde. Als nämlich Jette und Oscar in eine Art Wechelgesang fielen.
Schlief ein Kind am Abend endlich ein, fing das andere an zu weinen, worauf das eben noch schlafende Kind weinend erwachte.

Jettes Eltern werden eine nachdenkliche Rückfahrt gehabt haben. Geschlaucht von ihrem drei Monate altem Baby mussten sie jeder für sich Bitteres erfahren.
"Das zweite Lebensjahr ist das anstrengendste", sprach der Papa von Ella und Oscar zum Papa von Jette.
"Das dritte Lebensjahr ist das anstrengendste", sprach im Nachbarzimmer die Mama von Ella und Oscar zur Mama von Jette. Beide Informationen zusammengefügt ergab sich für unsere Gäste eine düstere Prognose. "Genießt dieses wunderbar erholsame erste Jahr", so mochte das in den übernächtigten Ohren unserer Gäste geklungen haben, "bevor die Sache richtig kompliziert wird"

Ella übt unterdessen fleißig schreiben. Neben dem E, dem L, dem A und dem O hat sie in diesen Tagen das für das Wort "Papa" unabdingbare "P" gelernt. Ein P, so merkt sich Ella das, ist ein Strich mit einem kleinen O.

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