Sonntag, 6. September 2009

In die Vergangenheit

Als Papa am Donnerstagabend nach Hause kam, war die Luft in Kreuzberg zum Schneiden dick.
Papa hatte die Nacht zuvor in Hamburg schlafen müssen, unterdessen flogen in Berlin scheinbar die Fetzen.

Ella und Mama sahen Papa mit der gleichen Mischung aus Trauer und Wut an. Mama sprach in etwa "Ella geht gar nicht" und Ella flüsterte in Papas Ohr Erschütterndes: "Mama sperrt mich immer ein."

Nun müssen wir nicht gleich die TV-Stationen informieren. Was letztlich hinter Ellas etwas marktschreierischer Aussage steckt, hat alles andere als Natascha-Kampusch-Niveau.
Ella schnitt beim Essen so viele Grimassen bis Oscar vor Juchzen selbiges vergaß. Da Babys im Gegenteil zu Kleinkindern noch nicht wissen, dass Essen wichtiger ist als Grimassenschneiden, zeigte Mama dann das Waffenarsenal, das sich durchaus mit den Genfer Konventionen verträgt: Sie drohte Ella damit, dass sie sie im Falle eines Wiederholungsgrimassierens Richtung Säugling in ihr Zimmer tragen werde.

Gesagt, getan. Ella testete die Konsequenz der Mama und schickte Fratzen in Oscars Richtung. Mama schnappte sich die Tochter, trug diese in ihr Zimmer, setzte das brüllende Kind auf den Teppich und verschwand. Im Anschluss schloss sie die Tür. Sie schloss sie nicht ab. Sie machte sie halt einfach nur zu.

Zu Ellas - da sind wir uns wohl alle einig - immer noch recht marktschreierischen Interpretation des Vorfalls muss man zweierlei wissen:
Erstens stammt die Vokabel des "Einsperrens" eindeutig aus dem Märchen "Hänsel und Gretel", das Ella wörtlich rezitieren kann. Zweitens ist Ella nur daher in gewisser Weise eingesperrt, weil sie die Tür nicht einfach wieder öffnet. Warum tut sie das nicht?
Nun. Zunächst einmal ist Ella vom Schreien so geschwächt, dass ein Türöffnen körperlich nicht in Frage kommt, zum anderen ist Ella manchmal schrecklich faul.
So war schnell klar: Es wurden keine Menschenrechte verletzt, als das Kind am Mittwoch in seinem Zimmer hockte. Es wurde lediglich Faulheit praktiziert.

Ein anderes schönes Beispiel für die schier bodenlose Faulheit unserer Tochter ist, dass Ella uns erklärt hat, dass sie eine Tätigkeit sehr sehr anstrengend findet, die bei anderen Menschen eher so automatisch funktioniert. Die Rede ist vom Kauen.

Ella kaut einfach nicht gerne (wie gesagt: Das gibt sie sogar zu) und dies allein ist die traurige Eklärung dafür, dass Ella häufig Cornflakes statt Brot verlangt und sich immer sehr auf Suppe freut.

Während die Große also zielsicher auf die Bewegungslosigkeit zusteuert, erweitert der Kleine täglich seinen Bewegungsradius, was ihn beinahe vom Wickeltisch in die Badewanne stürzen ließ.

Oscar ist unterwegs. Man setzte ihn ab und verlasse den Raum. Unter lautem Geächze und Gekeuche schafft es Oscar dann innerhalb von wenigen Minuten in die spannenden Ecken des Raumes. Er krabbelt nicht direkt. Es eher ein Winden, ein Schlängeln. Anstrengend aber wirksam.

Am Wochenende passierte wieder einiges: Während Papa am Samstagmorgen noch der Cousine von Ella und Oscar beim Einschulen zusah, war der Rest der Familie bereits auf einer Reise in die Vergangenheit nach Altona.

Papa kam dann nach, verpasste aber leider, wie Ella von ihrem, tja, Ex Dominik am Bahnhof empfangen wurde, die beiden stürmisch und lachend aufeinander zurasten und nur ein Pfeiler die romantische Stimmung zu unterbrechen vermochte, da Ella im Eifer des Gefechts gegen jenen Pfeiler rannte und dann erst mal weinen musste.

Man besuchte das Fest von Ellas Ex-Kita. Ella, sonst eher eine Rampensau, fühlte sich zunächst mal gar nicht wohl in ihrer Rolle als Stargast. Irgendwann konzentrierte sie sich auf die vorhandenen Attraktionen des Kinderfestes. Flirttechnisch ist sie noch immer gut in Form. Mitten im Getrubel des Festes erschlich sie sich einen Hauch von Dominik-Intimität, indem sie ihre Hose vollpinkelte und der Erzieherin erläuterte, dass sie doch von Dominik die Ersatzunterhose aus der Kita anziehen könne. Clever, clever.

Am Abend wurde dann noch Jan und Kitti ein Besuch abgestattet, die seit Kurzem mit Säugling Jette zusammen wohnen. Oscar registrierte wohlwollend, dass es Menschen gibt, die viel kleiner sind als er. Neben Jette, einem winzigen rosa Menschlein, wirkte Oscar wie ein Riesenbaby, dabei ist er doch erst ein Mittelbaby...

Als wäre dies für ein Wochenende nicht genug, wartete in Berlin mit dem Anti-Atomkraftgegner Jurij der nächste Altonaer auf uns. Jurij war heiser und vom Demonstrieren gezeichnet. Seine letzte Energie schenkte er Ella, dessen Spielsachen um einige Hundertfache besser sein müssen als seine eigenen. So sehr wollte er alles haben... Naja. Vielleicht werden die Hauptstädte ja irgendwann mal ein paar Care-Pakete in die arme Hansestadt schicken.

News aus Berlin nach so viel Hamburg: Mit Alia Tetzlaff erblickte in der letzten Woche die Enkelin von Ellas und Oscars Miet-Oma das Licht der Welt.
Es handelt sich somit um - Moment - die Mietcousine von Ella und Oscar.

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