Sonntag, 13. September 2009

Blöde Gläschen und dekadentes Eis

Vor lauter Detailbetrachtungen im letzten Post blieb wahrhaft Wesentliches unerwähnt: Ella besucht seit dem 1. September ihre neue Kita. Der Start dort verlief zwar tränenreicher als erwartet, aber mittlerweile hat sich die Möhre im neuen Umfeld gut eingelebt.

Interessant ist, dass Ella dort von einem Mädchen äußerst direkt vermittelt wird, dass sie noch nicht dazugehört ("Du darfst hier nicht sitzen"), aber - knifflige Aufgabe für alle Psychologen unter den Lesern - genau von diesem Mädchen (Elena) schwärmt.

"Ella, hast du in der Kita gespielt?", fragen Mama und Papa am Nachmittag. "Ja, mit Elena", lügt Ella dann, die den ganzen Tag mit Janek gespielt hat, weil Elena sie abblitzen ließ.

Inzwischen hat Oscar dagegen Probleme ganz anderer Art. Oscar muss im Moment des Essens weinen, was zunächst einmal auch ein anatomischer Konflikt ist. Rätselhaft für die teilweise vierhändig fütternden Eltern ist dieses Verhalten allemal. Die naheliegendste Vermutung ist, dass Oscar zahnt. Es könnte durchaus sein, dass das Essen im Mund ihn an die juckende Stelle im Unterkiefer erinnert.
Andere Theorien gehen von einem sehr anspruchsvollen Essverhalten unseres Sohnes aus. So könnte es sein, dass Oscar stets eine genaue Vorstellung davon hat, ob er als nächstes einen Schluck aus dem Fläschchen oder einen Löffel aus dem Gläschen erhalten möchte. Reichen ihm die Eltern aufgrund dieser 50/50-Chance versehentlich das Falsche, so ist das Geschrei groß - im übrigen verbunden mit einem übel aussehenden Nach-Hinten-Schleudern des gesamten Oberkörpers, der vermutlich demnächst in der Mitte durchbrechen wird.

Vielleicht liegt es auch an den Gläschen selbst. Wer weiß, was Alnatura da so reinmixt... Als Oscar heute den Sonntagsbraten (nur die Beilagen desselben) in "ganzen Früchten", also nicht als Brei, serviert bekam, da sah die Welt nämlich ganz anders aus. Oscar griff in die Kartoffeln und in den Brokkoli. Teile der Beilagen fanden den Weg in einen nicht schreienden Mund. Oscar findet die Gläschenkost vermutlich einfach total entwürdigend. Schließlich hat er zwei Zähne, was soll er da mit Seniorenmatsche..? Oscar will es bissfest.

Ella lernte am Samstag den Begriff der "Dekadenz" kennen. Dekadent sei es nämlich, so die Mama, wenn man mit dem ICE in eine andere Stadt fährt, um dort eine Kugel Nuss-Eis zu essen.
Da Papa aber nun mal berufsbedingt kostenlos mit allen Zügen reisen darf und Ella, obwohl sie jeden Zug verschmutzt, ironischerweise auch kostenlos Bahn fährt, stiegen Ella und Papa dekadent in irgendeinen Zug, landeten schließlich in Wolfsburg, suchten dort die Innenstadt, merkten dann, dass sie sich schon längst in der Innenstadt befanden und verspeisten ein Eis. Nuss-Eis.

In Ellas neuer Heimat kann man T-Shirts kaufen mit dem Slogan "Kreuzberg macht glücklich". In Wolfsburg könnte man mit der wunderbaren Alliteration "Wolfsburg macht wütend" werben, denn Ellas Laune verfinsterte sich, als sie aus der Betonwüste Niedersachsens wieder nach Berlin fuhr.

So wurde die Oma, die an der "kaputten Kirche" wartete, bald Zeuge eines Wutanfalls, für den wir im Nachhinein betrachtet aufgrund "seiner Intensität und drastischer Derbheit" (Feuilletons) Geld von den Schaulustigen hätten verlangen können.
Auch am Folgetag wurde das Zubettgehen von einem nicht mehr für möglich gehaltenen Wutanfall unserer Tochter überschattet.

Ellas Mama surfte im Internet und kam zum Ergebnis. Es handelt sich um das letzte Aufbäumen eines recht wilden Kleinkindes, ehe es dann in den Hafen der Vernunft einläuft und in der Großbeerenstraße eine Stecknadel hörbar wäre, würde diese zu Boden fallen.

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