Sonntag, 9. September 2012

Stillleben in Brandenburg

Wir beginnen den Blog-Eintrag mit einem Stillleben. Dies ist unüblich, denn wir erinnern uns spontan an nur ein einziges Bild in sechseinhalb Blog-Jahren, das keine Kinder zeigte. Es handelte sich um die Abbildung einiger Knoblauchknollen aus dem Juli 2006. Seither schmückten erst ein Kind und dann auch mal zwei Kinder unsere Bilder. Und nun hauen wir ein Bild in den Blog, welches ein großes Grundstück, eine Kindersitzgelegenheit samt Tisch und zwei große Fußballtore zeigt. Auf diesem Bild fehlen Ella und Oscar und wir zeigen es dennoch in seiner ganzen Kargheit, in seiner Nutzlosigkeit. Wir zeigen vergebenes Potenzial, ein Kinderparadies ohne Kinder. Was war geschehen?

Während Mama ihr Handy nördlich von Berlin zückte, um das Kinderparadies zu fotografieren, um dieses Bild dann später ihren Kindern zeigen zu können, verbrachten Ella und Oscar zu Hause einen Papa-Tag. Zuvor bemühte sich die Mutter vielleicht nicht erschöpfend, aber doch spürbar darum, die Kinder davon zu überzeugen, mit ihr nach Krummensee zu fahren. Es sei dort wirklich schön für Kinder. Papa bot unrasiert und mit vollem Mund dagegen einen unspektakulären Papa-Tag und erhielt seltsamerweise den Zuschlag seiner Kinder. Mamas Popularität ist derzeit aus unerfindlichen Gründen im Keller. Dies äußert sich zum Beispiel darin, dass Oscar sich nur noch von Papa das Brot schmieren lässt oder eben dass die Kinder mit Mama nicht mal ins Kinderparadies fahren wollen.

Mama starrte in Brandenburg nun also auf Trampolin und Fußballtor, während sich in Kreuzberg ein eher gammeliger Tag entsponn. Vormittags durften die Kinder eine Stunde KiKa gucken, mittags wollte man zu Karstadt, dann regnete es aber und man backte sich erstmal lieber eine Pizza. Es war tiefster Nachmittag als man letztlich draußen war und tatsächlich noch zu Karstadt radelte, um dort drei Playmobil-Ritter und ein Playmobil-Pferd zu kaufen. Auf dem Rückweg lieh man aus der Videothek einen Film aus, den die Kinder am Abend sehen durften. Es war eine Art Märchenfilm-Parodie, die bei Ella und Oscar nur mäßig ankam.
Ob denn auch der Wolf von den sieben Geißlein vorkam, fragte Papa vor dem Schlafengehen. "Ja", sagte Ella und ergänzte: "Aber nur kurz, und dann hing die zerfetzte Mütze vom Rotkäppchen überm Zaun." Auch Mama, inzwischen wieder zu Hause, erkundigte sich lange bei den Kindern, in diesem Falle bei Oscar, nach dem Inhalt des tollen Films. Oscar berichtete ungefähr drei Minuten lang schier Unfassbares. Mama trat aus dem Zimmer und fragte Papa: "Was hast du da ausgeliehen?". Papa sagte dazu nichts mehr.
Am nächsten Tag zeigte Mama die Fotos aus Krummensee. Ella und Oscar wurden blass, als sie das Trampolin, die Fußballtore und den Bobbycar-Fuhrpark erblickten. Sie versprachen, nächstes Jahr nach Krummensee mitzufahren und Mama versprach, die Kinder vorher auch gar nicht mehr zu fragen. Ella und Oscar jubelten.  
Es war grotesk: Ein bisschen Bertolt Brecht, ein bisschen Kim Jong Un: Das Volk sah ein, dass es, gibt man ihm die Freiheit, keine guten Entscheidungen trifft und freute sich deshalb über die kommende Diktatur. Aber immerhin: Der öde Tag mit dem Papa brachte die erwähnten drei Ritter, die seither die Playmobil-Ritterburg bereichern.
Oma Münster rief an: "Hallo Oscar - geht's dir gut?"
Oscar: "Wir haben eine Ritterburg."
Oma: "Toll. Wo ist denn die Ritterburg?"
Oscar latscht zur Burg und zeigt drauf: "Hier."
Oma: "Super. Und wo bist du?"
Oscar: "Neben der Ritterburg".
Oscar wunderte sich sehr über seine begriffsstutzige Oma und reichte den Hörer weiter.

Zu guter Letzt ist von positiven Dingen zu berichten. Zunächst einmal schläft Ella seit nun schon einer Woche konsequent in ihrem Bett, was die Mutter zur steilen These kommen ließ, dass Ella jetzt "ja wohl über den Berg" sei, was wir einfach mal unkommentiert hier stehen lassen. Außerdem hat mit einem Radrenn-Brettspiel in den letzten Tagen eine schöne Beschäftigung für alle vier Familienmitglieder Einzug gehalten. Das erste Rennen gewann Ella. Ella jubelte: "Ich hab gewonnen!!!" und hüpfte durchs Zimmer. Oscar sagte dann: "Aber ich hab alle Figuren umgeschmissen." Der Polizei melden wir hiermit: Sowohl die friedliebenden Teilnehmer (Ella, Kategorie A) als auch die gewaltbereiten Hooligans (Oscar, Kategorie C) waren mit dem Spielausgang durchaus zufrieden.

Zum Abschluss dieses: In der U-Bahn verspeiste Ella eine Möhre von normalen Ausmaßen. Dann hielt sich Ella die Möhre in den Schoß und ließ sie in einem Winkel von etwa 70° steil hinauf steigen. Die Mitfahrer und der Vater erröteten. Ella rief: "Guck mal, ich habe ein Schwert" und Papa freute sich, dass Ella - laut Elternabend - schon sehr bald Sexualkunde-Unterricht wird genießen dürfen. Dann ist Schluss mit Möhre und Schwert.

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