Sonntag, 18. Dezember 2011

Unverkrampft feierlich.

Vermutlich liegt es an den zahlreichen Weihnachtsfeiern, die derzeit ausschließlich die Mutter im Hause begeht und aus diesen Gründen an vielen Abenden nicht anwesend sein konnte, dass Papas Popularität hier ohne eigenes Zutun und für Außenstehende eher überraschend in ungeahnte Höhen gestiegen ist. Ella ist ja ungefähr seit dem Abstillen Papa-Kind. Genau diese naturgegebene Aufteilung, nach der Oscar mutterfixiert und Ella vaterfixiert ist, bröckelt in diesen Tagen und es nicht so, dass Papa darauf sonderlich stolz ist. Vielmehr gilt es sich zu beklagen.

Nachts beispielsweise, häufig gegen 3 oder 4 Uhr, brechen hier nämlich plötzlich Diskussionen aus. Oscar stellt dann fest, dass Ella neben dem Vater liegen darf und er neben der Mama liegen muss. Dies, da ist Oscar die Uhrzeit völlig schnuppe, muss angesprochen werden dürfen. In langen Vokalreihen, ausgestoßen aus einem vor Wut verzerrten und aufgrund der Nachtzeit ordentlich bespeichelten Munde, erläutert Oscar seinen Eltern, dass er mit einem Platzwechsel liebäugelt. Papa hört sich das Spielchen dann erst einmal reglos an. Schließlich besteht in manchen Fällen die Möglichkeit, dass Oscar von Mama überredet werden kann, mit ihr statt des Vaters zu kuscheln. Dann geht es im Prinzip auch schon wieder ruck zuck weiter mit dem Schlafen.

Meistens aber lässt sich Oscar nicht abspeisen. Dass er mit der Mama kuscheln kann, ist ihm schließlich bekannt. Er liegt ja bereits neben ihr. Nein. Oscar argumentiert weiter und schließlich ist es der Vater, der davon zu berichten weiß, dass eine Seite neben ihm ja noch völlig kinderfrei ist. Oscar wird herübergehoben. Papa liegt dann genau zwischen den Kindern, die sich in diesen winterlichen Tagen auch immer recht eng an ihn kuscheln. Um die Mama herum ist dann immer viel Platz. Tollste Wendungen und Drehungen könnte sie des Nachts vollführen, während der Vater fixiert liegt wie eine wertvolle Vase vor dem Verschiffen.

Auch tagsüber wird häufig darum gestritten, wer neben Papa sitzen darf. Glücklicher Weise hat die Mutter ein dickes Fell und kommt scheinbar wunderbar damit klar, dass an unserem kreisrunden Küchentisch häufig drei Stühle dicht an dicht stehen, während wie ausgestoßen der vierte Stuhl im größtmöglichen Abstand gegenüber zu finden ist. Es ist der Stuhl der Mutter. In der nächsten Woche wird aber Papa zweimal abends weg sein. Eventuell kann die Mutter dann bei unseren hitzköpfigen Kindern wieder punkten.

Ansonsten ist hier der Umgang mit dem vor der Tür befindlichen Weihnachtsfest einerseits feierlich und andererseits "herrlich unverkrampft", wie es im ZDF genannt werden würde. A propos ZDF. Mama blickte durch das Wohnzimmerfenster und sagte: "Dieses Fenster sieht aus wie im ZDF." Als Begründung nannte sie eine Mischung aus Dreck, Weihnachtsschmuck und Luftfeuchtigkeit.  Ihr Gesprächspartner wunderte sich über die seltsame Assoziation und nickte kauend.

Feierlich ist unsere Weihnachtszeit, weil hier häufig ganz klassisch gesungen wird, um die Kinder auf die Tophits aus dem Weihnachtsgottesdienst ("Vom Himmel hoch" und "Ihr Kinderlein kommet") vorzubereiten, andererseits verstehen es nahezu alle Familienmitglieder hier, diese feierliche Stimmung immer wieder zu durchbrechen. Ella und Oscar sind wahre Meister darin:

"Mariaaaaaaaaaaa", brüllte Ella letztens aus der Küche heraus. "Un Joooooooosef", brüllte Oscar aus dem Schlafzimmer zurück. Ein weihnachtlicher Wechselgesang, dem katholischen Gottesdienst nicht unähnlich. Ella brüllte weiter: "betraaaaaaaaaaachten" und Oscar spielte Echo: "betraaaaaaaaaaaaaaachten".
Das ist unsere Version von "Ihr Kinderlein kommet" und wenn unsere Kinderlein auch am 24.12. in der Kirche zu derartigen Darbietungen bereit sind, dann steht Kreuzberg ein Gottesdienst ins Haus, der sich gewaschen hat.

Überhaupt sind die Kinder vor allem von der Weihnachtsgeschichte und allem Krippenzeug begeistert. Die Holzfiguren des Bethlehem-Stalls werden in immer kreativere Anordnungen gebracht (gestern bekniete ein Hirte zwei übereinander gestapelte Schafe, während der kleine Jesus unbeachtet daneben lag) und Oscar erzählt viel von Sternendeutern und Bethlehem, während Ella sich mal wieder nach der Existenz Jesu erkundigte, worauf die Mutter zum Haareraufen jedes praktizierenden Christen erwähnte, dass Jesus schon unfassbar lange tot ist. Frohe Weihnachten...

Ella findet derlei Hintergrundinformationen sehr wichtig. Nur so kam sie zu der interessanten Erkenntnis, dass die Menschen vor der Geburt des Christkindes gar nicht Weihnachten feiern konnten. Schade eigentlich. Ostern auch nicht.

Nebenbei verabschiedete sich in dieser Woche auch der zweite untere Schneidezahn unserer Tochter. Dass sie nichts davon bemerkte und den Zahn letztlich auch nicht fand, bedeutet für Ella natürlich materiellen Schaden, denn ohne Zahn keine Zahnfee und ohne Zahnfee kein Geschenk...

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