Sonntag, 27. November 2011

Zuckerwatte, leicht verschwommen

Wir beginnen den heutigen Blogeintrag mit einem überaus langweiligen technischen Hinweis: Seit letzter Woche haben wir hier irgendwie ein Update der Blog-Software installiert. Neben vielen neuen Funktionen, die uns aber noch gänzlich verborgen sind, gibt es auch eine Änderung bezüglich der Bildgrößen. Man kann wählen zwischen "klein", "mittel" und "groß". "Mittel" - und hier fängt es an, doof zu werden, ist aber deutlich größer als das, was wir gewohnt waren. "Klein" ist tatsächlich "kleiner" - was "groß" bedeutet, haben wir nicht ausprobiert - wir ahnen aber, dass das auch nicht gut ist. Nach schlaflosen Nächten und vielen vergossenen Tränen haben wir uns nun für die Bildgröße "klein" entschieden. Wer mag, kann die Bilder ja per Mausklick auch in groß sehen.


Wir wissen nicht, wann und wo wir in der Erziehung unseres Sohnes Fehler gemacht haben, aber es ist unserer Meinung keineswegs als großer pädagogischer Erfolg zu werten, dass Oscar sich artikuliert wie ein Fußballfan in der Ostkurve.

Der Junge kann ja nun wirklich noch nicht allzu lange sprechen, insofern ist diese Art der sprachlichen Schwerpunktsetzung schon erstaunlich. Oscar redet nicht groß übers Wetter oder erzählt von Tieren oder von so Dingen, von denen Jungs in seinem Alter halt sprechen. Nein. Oscar brüllt - gerne auch am Tisch - laut und im Rhythmus der Fankurve "Bo! Chu! Mer!" oder auch "Le! Ver! Ku! Sem! Ber!" und guckt dabei streng in die Runde. Dass Oscar weit ab vom Ruhrgebiet aufwächst, glaubt auch keiner, der ihn letztens laut "Kollege!" hat schreien hören. "Kollege" ist in Nordrhein-Westfalen, dort also, wo die Bochumer und Leverkusember wohnen, ja durchaus eine sinnstiftende Gesprächseröffnung, hier in Berlin aber nicht. Und so stehen wir neben dem 93 cm großen Fußballfan mit dem westfälischen Idiom und fragen uns ernsthaft, wie das passieren konnte. Hat er das von uns? Rennen wir hier durch die Wohnung, schreien die Namen von irgendwelchen Fußballclubs (das ist möglich...) und reden uns mit "Kollege" an (das ist nicht möglich...)?

Vielleicht hat das Ganze ja auch andere Gründe, denn Oscar wird zur Zeit medikamentös behandelt. Als er nämlich am Donnerstagmorgen "aua" schrie, als Mama ihm den Pullover über die Ohren ziehen wollte, da war eigentlich schon klar, was kurz drauf die Ärztin bestätigte: "Mittelohrentzündung, Kollege."

Oscar sieht sich seitdem mit einer milchigen Flüssigkeit konfrontiert, dessen Geruch prinzipiell an Erdbeereis erinnert, die scheinbar aber nicht nach Erdbeereis schmeckt, da Oscars Gesicht nach dem Genuss von Erdbeereis deutlich zufriedener aussieht als sein schreiendes und sich windendes Gesicht beim Erhalt dieses Saftes. Dass der Saft gesund macht, hat Oscar begriffen und auch schon am Donnerstagabend in die Tat umgesetzt. Verbunden mit einer stets in Aussicht gestellten Belohnung, die meist aus ein oder zwei Gummibärchen besteht, schluckt er mittlerweile aber extrem tapfer das vermutlich eklige Zeug. Kein Winden mehr seit Freitag. Und bald schon ist die Flasche leer getrunken und darf in den Müll wandern.

Ella durfte sich dann am Wochenende ihre erlogene Brille (wir berichteten vor zwei Wochen) abholen. Wortgewandt und eloquent fuhr sie mit dem Vater zum Optikerladen um in selbigem nach Erhalt der roten Brille zu verstummen. Entweder tief beeindruckt oder schockiert von der neuen Sicht auf die Dinge, wanderte kein Wort mehr über ihre Lippen. Draußen wurde die Brille dem Vater gereicht. Momentan ginge es ja auch so, man müsse das mit der Brille ja noch üben. Unbebrillt spazierte man über den Weihnachtsmarkt und fuhr eine Runde Karussell, dann erklärte man dem Vater, dass das Gucken mit der Brille "irgendwie so verschwommen" sei. Der Vater ballte in der Jackentasche die Faust.

Am Wochenende machten die Eltern einen Fehler. Der Vater war für den heutigen Sonntag seit längerem verplant, denn er fährt jedes Jahr im Winter an einem Tag in eine andere deutsche Stadt um da den VfL Bochum (Bo! Chu! Mer!) verlieren zu sehen. So war der Vater heute kinderlos in Braunschweig unterwegs, während die Mutter mit beiden Kindern auf einen Weihnachtsmarkt nach Dahlem fuhr. Auch wenn sie im Anschluss behauptete, dass alles glatt gelaufen wäre, bis auf die Tatsache, dass Ella nach dem Erblicken einer verschwommenen Zuckerwatte durch ihre Brille so lange nervte, bis sie eine Zuckerwatte erhielt und bis auf die Tatsache, dass Ella rechtzeitig zur Weihnachtszeit eine wenig sympatische materialistische Seite in ihr entdeckt hat ("Mama, wir müssen noch irgendetwas kaufen"), auch wenn sonst also alles toll war, mit Märchenerzählern, Tieren und Mama, hätte man aus Papas Sicht das alles auch am Samstag, also mit Papa machen können.

Denn am Samstag war stattdessen Weihnachtsbäckerei. Und dies sprach sich in unserem Haus schnell herum. Janek war plötzlich in unserer Küche, dann kam auch Grezia kurz mal vorbei. Schließlich saßen auch noch Rafa und Simon in unserem Wohnzimmer. Bei all dem gab es auch noch viel Mehl. Überall. Kinder, Mehl, Teig, Oblaten (an denen sich Oscar verschluckte und daraufhin in den Flur brechen musste), noch mehr Kinder, Ausstechformen und immer mehr Mehl. Papa war am Ende. Seine CDs durften auch nicht laufen, denn in der Weihnachtsbäckerei hört man nicht Diskurs-Pop oder Alternative-Rock. Nein, da hört man Weihnachtslieder und ganz besonders gerne die Kinderweihnachtslieder, die an Dümmlichkeit nur schwer zu überbieten sein dürften. Wie gesagt: Man hätte das alles ja auch am Sonntag machen können, während der Vater in Braunschweig... aber egal.

Zum Abschluss noch dies: Ella ist nicht dumm. Das wissen wir alle. Seit ein paar Tagen betont Ella immer häufiger, wie furchtbar doof sie Schokolade in Weihnachtskalendern findet. Doof sei das voriges Jahr immer gewesen, wenn da Schokolade drin war. Wir hören diese furchtbare Kindheitserinnerung unserer hart geprüften Tochter nun fast täglich. Klar ist, dass Ella die Planungen für den kommenden Weihnachtskalender beeinflussen möchte. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass Oscar letztes Jahr immer dann enttäuscht war, wenn keine Schokolade im Kalender war, sondern ein ungenießbarer Flummi oder so was in der Art, und wenn man dann bedenkt, dass Eltern den Anspruch haben, ihrer Kinder immer irgendwie gleich behandeln zu wollen, dann ist klar, dass das Erstellen eines Weihnachtskalenders, das in diesen Tagen ansteht, keine vergnügliche Arbeit ist, sondern hochkompliziert und an der Schwelle zur Unlösbarkeit ist. Wir werden sehen, welches Kind zuerst weint.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen