Sonntag, 6. November 2011

Sehen. Hören. Sprechen.

Ella sprach beim Abendbrot ziemlich deutlich aus, was alle dachten: "Die Katze tritt die Treppe krumm." Damit war endgültig bewiesen, dass ihre Tage beim Logopäden gezählt sein dürften und so befand selbiger heute auch, dass Ella noch exakt zehn Mal zu erscheinen habe und dann offiziell zu den Menschen gehören wird, die die Buchstaben K und T sowie G und D ohne Verwechslungsgefahr aussprechen können.

Das ist schon mal gut, denn als Ella, die ja mittlerweile gierig alle Buchstabenansammlungen in sich aufsaugt, die Leuchtbuchstaben "Wittenbergplatz" laut durch den Bus brüllte, sagte sie immerhin "Fittenbergplatz" und nicht selbiges Wort mit k statt t. Jedenfalls nicht so richtig... Es ist im Übrigen wirklich großartig, wie Ella sich derzeit das Lesen und Schreiben beibringt, auch wenn sie sich da manchmal noch überschätzt.

So antwortete sie auf des Mamas Frage, wer denn mitkommen wolle zum Einkaufen, in ebenso altkluger wie kurioser Weise: "Die mit E anfangen dürfen auch was mit E sagen: Ech!"
Das Personalpronomen Ech kritzelte Ella auch heute mit Kreide an die Spielplatzmauer. "Oma Ech Hap Dech Lip" und wir sind uns an dieser Stelle vollkommen darüber im Klaren, dass dies nur Omas und Eltern süß finden.

Interessant für den Rest der Welt dagegen ist folgendes: Ella kann zwar super sehen, aber schlecht hören. Dies befinden die Eltern einstimmig nach langer Beobachtungszeit. Ella kann beispielsweise erkennen, dass das Stück Käse, welches man ihr reicht, um etwa 5 Milimeter kürzer ist als jenes, welches kurz zuvor im weit geöffneten Schlund des Bruders verschwand. Sprechen tut sie dagegen in einer Lautstärke, die man von schwerhörigen Senioren oder Bundeswehroffizieren kennt. Hinzu kommt, dass Mama an der Haltestelle Hagenplatz den Namen der Station rund fünf Mal wiederholen musste, weil Ella nach jedem "Hagenplatz" laut "Was?" schrie. Die Mitfahrer im Bus stiegen schon genervt aus, war ja sowieso fast Endstation.

Und was bekommt ein Kind, das so gut sieht und so schlecht hört? Richtig. Eine Brille. Und zwar eine Rote. Dies stellte zumindest ein überforderter Augenarzt fest, der eine Dioptrinzahl in den Augen unserer Tochter fand, die sie nicht den Toast auf dem Teller finden lassen dürfte.

Er teilte - ganz medizinischer Profi - den gemessenen Wert durch zwei, nannte dieses Meisterwerk der Diagnose dann "Mittelwert" und schickte Ella mit dem Befehl "Brille" nach Hause.
Ella findet's gut. Mama und Papa hatten in den Wochen vor dem Augenarztbesuch schließlich schon von der wunderbaren Welt der Brillen geschwärmt.
Selber vier Kontaktlinsen in den alterstrüben Augen sprachen sie von Brillen in den tollsten Farben. "Rot." sagte Ella dann. Die Brille soll rot sein, nicht "rog", denn Ella kann jetzt nicht mehr nicht sprechen, sondern nicht gucken.

Oscar derweil geht mittlerweile fast wöchentlich zum Fußball und muss jedes Mal auf dem Hinweg oder spätestens im Stadion erfahren, dass nicht der VfL Bochum spielt. Am Sonntag stand der Knirps im Mommsenstadion, deutete auf die sich warm laufenden Spieler von TeBe und hüpfte "Da sind die Bochum-Männer". "Nein, Oscar. Das ist TeBe."
Dann Tränen, klar. Am Schluss war aber alles in Ordnung "TeBe! TeBe! TeBe!" rief ein glücklicher Junge, der aber demnächst mit seinem Vater mal nach Bochum reisen wird, wo die Bochum-Männer spielen. Übertrieben findet dies nur, wer Oscar noch nie im Treppenhaus sitzen gesehen und Minuten lang "Bochum" schreien gehört hat.

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