Sonntag, 2. Januar 2011

Vom Bildhauen und Zapfen

Bevor die werte Leserschaft erzürnt fragt, wer denn der Junge mit der hohen Stirn sei, müssen wir erwähnen, dass der überaus haarige Oscar, der mit uns Weihnachten feierte, nun doch bereit war, sich die Haare schneiden zu lassen.

Mama und Ella waren außer Haus, als es geschah. Papa versuchte, seinem Sohn in die Augen zu blicken, schaffte dies aber aufgrund des blonden Vorhangs nicht, der schlaff vor etwa 80% von Oscars Gesicht hing.

Im Wissen um a) die mangelnden Frisier-Fertigkeiten des Vaters und um b) die Panik des Sohnes vor schnappenden Frisier-Scheren stellte Papa dem blonden Büschel die Frage "Soll ich dir die Haare schneiden?", woraufhin irgendjemand hinter den Haaren "ja" sagte.

Papa zückte die Schere, griff in den Pony und schnibbelte. "Oha", dachte er nach dem ersten Schnitt, "das war aber hoch angesetzt." Der asymmetrisch frisierte Sohn strahlte. Offenbar reichte die Laune für ein paar Korrektur-Schnitte.
Oscar ließ alles über sich ergehen und nachdem der Vater hier und da anzugleichen versuchte, was er zuvor so deutlich zu viel abschnitt, konnte Oscar wieder gut gucken. Seine verkaterte Mutter sprach tags drauf etwas von "Rock'n'Roll-Frisur", was Vater und Sohn als Kompliment aufnahmen. Oscar hat hinten noch seine Matte und vorne freie Sicht. Vielleicht sahen Rock'n'Roller irgendwann einmal so aus, als Oscars Mama, die morgen schon 34 Jahre alt wird, jung war.

Ob nun langhaarig oder frisiert, Oscar liebt weiterhin Elefanten. Diese Zuneigung nimmt nun allerdings etwas seltsame und für einen knapp 2jährigen recht kreative Züge an: Oscar bildhauert Elefanten aus Brot.
Er greift sich dazu sein Abendbrot oder Frühstück (, das aber auch "aaaambrooo" heißt) und beißt so lange um einen Elefanten, den nur er sehen kann, herum, bis er der Meinung ist, nun müssten auch die weniger kunstbegabten Familienmitglieder am Tische diesen erkennen. Oscar hält dann die Brotscheibe empor und schreit laut "Töröö!". Mutter, Vater und große Schwester kneifen die Augen zusammen und erkennen dann tatsächlich statt eines profanen Bisses im Brot einen Elefantenkopf mit Rüssel. Der Künstler hält noch kurz inne, ehe der Elefantenkopf im Kindermund endgültig verschwindet.

Wo wir beim Thema "Aaaambroooo" sind, müssen wir der Weltöffentlichkeit noch dringend ein Rezept verraten, welches hier seit Wochen täglich die Mahlzeiten bereichert: Toast Tricolor.
Man bestreiche Brot hierzu einfach nur den strengen Anweisungen unseres Sohnes entsprechend, nämlich mit einem dicken Streifen Tartex, gefolgt von einem Streifen Teewurst und einem Streifen Leberwurst. Dieses braun-rosa-lila-farbene Festessen begleitet uns nun schon den gesamten Winter und die Bezeichnung "Toast Tricolor" hat sich in unseren Wortschatz gemeißelt, sodass auch Ella morgens mit einer Selbstverständlichkeit den "Toast Tricolor" bestellt, die ihr in fremder Umgebung demnächst vielleicht Schwierigkeiten bereiten könnte.

Diese fremde Umgebung wurde zwecks Jahreswechelfeierlichkeiten in dieser Woche aufgesucht. Die Familie bereiste Dresden, Heimat der kleinen Carla und des noch kleineren Curt. Zum Frühstück ("Aaaambrooo") fehlte, wie man das vom Osten so kennt, einiges, was der Hauptstädter für seinen "Toast Tricolor" so braucht, nämlich Teewurst und Tartex. Doch kein Problem: Wer Elefanten aus Brot baut, der kann improvisieren. Und so griff sich Oscar die Leberwurst, an deren Öffnung er im Übrigen nuckelte wie an einem Wassereis, als er mit dieser alleine gelassen wurde, und erfand per Fingerdeut ein neues Rezept, das sich bislang noch nicht so recht in unsere Herzen gespielt hat: Er verlangte sein Brot halb mit Leberwurst und halb mit Nutella bestrichen. Würgend befolgte Papa den Befehl.
Es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis Oscar zu Hause die Möglichkeit entdeckt, den "Toast 4 Jahreszeiten" zu komponieren. Das wäre dann "Toast Tricolor" ergänzt um Nutella.

Der Jahreswechsel wurde in Dresden dennoch zu einem vollen Erfolg. Neben den gastgebenden Kindern Carla und Curt reisten aus Magdeburg noch Ela Maya an, mit der Ella nun schon das dritte Mal Silvester feierte, und die Herren Til und Severin.
Severin, deutlich jünger als Oscar, hat den Wortschatz eines 5jährigen, kann dafür aber nicht klettern, wie die Eltern berichteten um uns zu trösten. Oscar dagegen klettert wie ein 5jähriger, kann aber - oben angekommen - nur "Aaambrooo" sagen...

Sprechfähigkeit hin oder her, Oscar und Severin hatten oft ordentlich Ärger miteinander. Der Grund war Carlas Spielzeug, von dem beide Herren stets dachten, es wäre ihres.
Während die Kerle so stritten, fand Ella dann spät nachts ihre Bestimmung.

Ella zapfte Kölsch.

Da dieses Gebräu aus kleinen Reagenzgläsern getrunken wird, gab es eigentlich immer jemanden in der Runde, dessen Reagenzglas gerade leer war. Dieser Jemand konnte getrost sitzen bleiben, denn Ella wusste irgendwann, wie so ein Zapfhahn funktioniert und so zapfte sie des Nachts artig Bier, während Oscar und Severin ausdiskutierten, wem das Bobbycar zusteht und auch bei den anderen Mädels hier und da die Fetzen flogen.

1 Kommentar:

  1. sehr sympathisch, wenn Berliner auf der Silvesterfeier in Dresden Kölsch trinken.
    Grüße aus Köln!
    Heike
    PS: Meine beiden Kinder heißen übrigens auch Oscar und Ella (in dieser Reihenfolge, 4 u 2 Jahre alt).

    AntwortenLöschen