Sonntag, 24. Oktober 2010

Am Mittwoch

Da Oscar nun seit drei Wochen in der Kita ist und Mama deshalb seit einer Woche wieder ins Berufsleben hineinschnuppert und Papa morgen nach zwei Wochen Herbstferien wieder arbeiten gehen wird und da Ella ohnehin schon seit drei Jahren Kita-Kind ist, gibt es morgen eine Premiere: Erstmals gehen vier Familienmitglieder morgens aus dem Haus und ihrer geregelten "Arbeit" nach.

Schon in der vergangenen Woche musste sich die Familie auf "arbeitende Mutter" umstellen, was allerdings nur am Mittwoch spürbar war, weil Mama mittwochs jetzt immer spät arbeitet; also erst nach Hause kommt, wenn Oscar schon das Abendbrot im Mund hat, während Ella zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich nichts im Mund hat, da sie beim Essen viel lieber erzählt oder durch die Küche flitzt.

Am Mittwoch also musste Papa sich das Nachmittagsprogramm für die Kinder ganz alleine überlegen und so stellte er der Tochter und dem Sohn jeweils einen Tuschkasten vor die Nase, legte Zeitung auf den Tisch und Malblätter darüber und schloss die Augen um das nun vorprogrammierte Chaos zu verdrängen.

Ella und Oscar tuschten sich in Trance. Alle 10 Minuten hatte Papa die beiden Tuschwasserbecher zu wechseln und sonst einen wunderbaren Nachmittag. Hier und da musste er Ella beim Tuschen dreier Bundesliga-Wappen helfen und Oscar erläutern, dass es beim Tuschen nicht unbedingt nur darum geht, den Pinsel mit Farbe zu tränken um ihn dann wieder ins Wasser zu halten, welches sich - zugebener Weise - dann auf aufregende Art verfärbte, sondern dass es auch durchaus einen Versuch wert wäre, den Pinsel einmal über das Blatt gleiten zu lassen.
Am Schluss sahen Ella und Oscar aus wie zwei Teller bunte Knete und wurden deshalb ohne vorherige Anhörung in die Badewanne gesetzt.
Als Mama dann kam, war sie spürbar beeindruckt von den sauberen, nach Himbeer-Shampoo riechenden Kindern. Und dann war da auch noch der Bobtail in Oscar verschwunden.

Oscar teilte nämlich bis Mittwoch mit dem Bobtail die niedliche Eigenschaft, dass er durch einen Vorhang aus Haaren gucken muss. Diesen Vorhang schnitt Papa am Mittwoch dann einfach mal ab.
Dass dies gleichzeitig einen großen Triumph über die Mama darstellte, lässt sich erklären. Mama nämlich schnitt letztens beiden Kindern die Haare.
Ella ließ sich die Prozedur und die folgenden zwei Korrekturhaarschnitte gefallen, Oscar aber wütete. Mama versuchte den Kopf zu fixieren, doch nichts half. Und da sich Oscar den ersten Schnitt probeweise noch gefallen ließ und sich erst im Anschluss ungünstig verhielt, war Oscar leider nur linksseitig vom Bobtail-Pony befreit und lief einige Tage äußerst trendbewusst, nämlich mit einer asymmetrischen Frisur, durch Kreuzberg.

Papa hatte dann am Mittwoch, als er seinen nassen asymmetrischen Sohn so ansah, das große Bedürfnis, Oscars rechte Frisurenhälfte nun der linken anzupassen. Trend hin oder her. Der Junge soll sehen, wo er hinläuft. Auch rechts.

Papa griff entschlossen zur Schere und schnitt erfolgreich den rechten Pony ab. Des Rätsels Lösung ist banal.
Papa fixierte nicht Oscars Kopf, sondern Oscars Haare. Er schnitt also - Menschenrechtler mögen dies bitte überlesen - seelenruhig über den sich unter Schmerzen windenden Kopf des Sprosses die fest in der Faust geballten Haare ab und war mit dem Ergebnis zufrieden.
Der Kunde zahlte mit einem bösen Blick (das kann Oscar in letzter Zeit richtig gut) und zog von dannen.

Doch zurück zum Thema Bildende Kunst. Neben den wunderbaren Werken "Schalke", "Bochum" und "Leverkusen", die Ella am Mittwoch tuschte, fertigt sie nun auch immer besser werdende Filz- und Buntstift-Zeichnungen an. Schon letzte Woche berichteten wir von den bald schon stilprägenden Bauchnabel-Figuren, die Ella so gerne malt.

Nun wagt sie sich auch an die graphische Darstellung der Familienmitglieder ran. Mama und Papa sind deutlich zu erkennen. Papa hat einen adretten Kurzhaarschnitt, einen Bauchnabel, Kniescheiben und Ellenbogengelenke. Mama ist kleiner, hat lange Haare und sonst auch Nabel und Gelenke.
Doch noch etwas unterscheidet Mama von Papa - und da wurde die Künstlerin sympathisch selbstkritisch beim Betrachten ihres Werkes: "Guck mal, Mama wachsen die Arme aus den Beinen." Dass das nicht richtig sein kann, ist Ella bewusst. Sie ergänzte: "Eigentlich wachsen die Arme ja aus dem Bauch!" - bei Papa war das zeichnerisch schon besser gelöst. Vielleicht lag's am größeren Bauch.

Zu Besuch waren heute Flora und Linus aus dem Graefekiez. Papa wollte die beiden Mädels mit Bügelperlen ruhigstellen und ermöglichte so erst das wahre Bügelperlenchaos, das sich schließlich in unserer Wohnung epidemieartig ausbreitete. Die Mädels hatten ihren Spaß beim Verteilen der fiesen Perlen. Als Flora dann aber weg war, stürzte Beschäftigungs-Genie Ella in eine tiefe Krise: "Ich will spielen und niemand hilft mir dabei", jaulte sie.

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