Sonntag, 20. Juni 2010

Parkhaus. Nur das Parkhaus.

Am Donnerstag veränderte sich in Abwesenheit von Mama und Papa das Familienleben ganz erheblich. Babysitter Oma war Zeuge und sie verkündete die Veränderung mit folgendem schlichten Satz: "Oscar spielt die ganze Zeit mit dem Parkhaus."

Gemeint war das auf dem ersten Bild abgebildete Fisher-Price-Parkhaus und für all jene, die meinen, wir trügen hier ein bisschen dick auf, wenn wir von einer erheblichen Veränderung des Familienlebens sprechen, sei ein wenig detaillierter beschrieben, mit welcher Intensität unser Sohn sich derzeit dem Parkhaus widmet.

Befindet sich Oscar bei uns in der Wohnung, so gibt es nur zwei Orte, die ihn nicht zum Toben bringen. Der eine ist der Küchentisch. Mit ihm verbindet Oscar ungezählte schöne Stunden mit Leberwurst und Fleischwurst. Der Küchentisch ist in Ordnung.
Der zweite Ort ist das Kinderzimmer, genauer gesagt der Bereich, der weniger als 20 cm vom Parkhaus entfernt ist.
Oscar sitzt Stunden (!), ja Stunden (!) neben dem Parkhaus und lässt Autos die Rampe hinunter rollen, was zu Szenen in den unteren Schichten des Parkhauses führt, die man gut und gerne mit dem Wort Massenkarambolage beschreiben kann. Vielleicht zwanzig ineinander verkeilte Autos müssen dem Druck der oben stetig nachgestopften Autos Stand halten. Gegen Ende dieser etwa drei- bis vierstündigen Zeremonie greift der Zeremonienmeister Oscar dann nach dem überdimensionierten Gelenkbus. Dieser soll nun auch die Rampe hinunter gestopft werden.

Der Bus ist für derlei kleine Kurven aber nicht gemacht und weigert sich beharrlich, Oscars Idee, die Rampe hinunter zu gleiten, zu befolgen.
Oscar, so wurde überliefert, tritt dann in einen interessanten Streitzustand mit der Materie ein. Wütend auf den Bus und vielleicht auch auf das Parkhaus beginnt er zu schreien, zu fiepen und zu brüllen. Eventuell wird sogar zur letzten Waffe, zum Todschlagargument gegriffen und sich mit dem Hinterkopf aufs Laminat gestürzt.

In jedem Fall aber sehen sich Mama und Papa erstmals in ihrer Elternschaft einem sich selbst beschäftigenden Kind gegenüber. Wie herrlich das ist, weiß keiner, der nicht seit knapp vier Jahren einen großen Teil seiner "Freizeit" damit verbringt, einem Kind (Ella) das Spielen beizubringen.
Wir feiern heute Oscars Genom, das sich in puncto Spielverhalten dem des autistischen Vater nähert. Und wie gesagt: Dies begann schlagartig am Donnerstag und hält nun schon drei Tage an.

Am Samstag zum Beispiel wurde Oscar um 6:00 weinend wach. Mama ging auf Fehlersuche: "Durst?" - "Wäääääähhh". "Hunger?" - "Brähääääää". "Schnulli?" - "Uuuuäääääää". "Parkhaus?" - "Ja. Ja."
"Okay, Oscar, dann geh zu deinem Parkhaus."

Als Oscar dann ins Kinderzimmer abzischte um sich dem Parkhaus zu widmen, kam ihm Ella entgegen. Es war 6:01 und sie beschloss, sich ins Bett der Eltern zu legen und diese in Gespräche zu verwickeln.

An jenem Samstag dann wurden Ella und Oscar mal wieder zur Oma nach Lichtenrade verfrachtet, weil Mama und Papa auf einer Hochzeit eingeladen waren und den Abend in einer Form gestalteten, die in Bezug auf diverse Genussmittel wenig Vorbildfunktion erfüllte. Auf der Feier wollten Mama und Papa ihr Schicksal übertrieben darstellen, als sie dem gebannt lauschenden Freundeskreise verkündeten, man werde am nächsten Morgen ohnehin um 9:00 wach. Man sei der Kunst des Ausschlafens einfach nicht mehr mächtig.

Am nächsten Morgen um 8:00 war es dann soweit. Nach fünf Stunden Schlaf stöhnte Mama "Oscar!".
Papa wurde wach und dachte nach. Wieso schimpfte Mama mit einem Abwesenden? Nahezu vergessene Katersymptome verhinderten den klärenden Dialog.
Erst am Nachmittag kam es zur Aussprache: Mama wurde um acht Uhr wach, weil sie an Oscar denken musste. Dieses nahm sie ihrem Sohne übel. Und so jaulte sie laut auf und rief um 8:00 Uhr "Oscar." Dann war die Nacht vorbei und da Ella und Oscar in Lichtenrade auch drei Stunden später als gewöhnlich im Bett waren, fand heute eine Familie zusammen, die völlig übermüdet und zum Teil recht langfristig verkatert war. Übrigens: In Lichtenrade gibt es auch ein Parkhaus. Alles andere wäre für Oscar auch die pure Folter gewesen.

Zum Abschluss dieses Blog-Eintrages, der fast nur von Oscar, einem Plastik-Parkhaus und verkaterten Erziehungsberechtigten handelte, folgt nun Erheiterndes aus dem Munde unserer Ella.
Küche in Kreuzberg, Frühstück. Ella löffelt Cornflakes. Zurück bleibt ein wenig Milch. Ella trinkt einen Schluck und sagt folgendes:
"Hää? Die Milch schmeckt ja voll nach Bakterien..." - Unergründlich sind die Hirnwendungen der Kleinkinder...

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