Sonntag, 7. März 2010

"Allet voll" - Das Sterben der Stadt

Irgendwann im März ist in Hollywood ja immer die Oscar-Verleihung, welche sich scheinbar so sehr in die Länge zieht, dass die hiesigen Fernsehanstalten dann gerne von der langen Oscar-Nacht sprechen.

Wenn dann heute Nacht also wieder einige Leute vor dem Fernseher sitzen und anstatt zu schlafen völlig freiwillig ihre lange Oscar-Nacht verbringen, haben wir das Theater schon hinter uns. Hoffen wir. Denn unsere langen Oscar-Nächte waren im Wesentlichen die Nächte der letzten beiden Wochen, vor allem die Nächte zum letzten Mittwoch und letzten Donnerstag.

Oscar war weniger Ursache als Medium des Problems. Die Ursachen hießen im Einzelnen "Backenzähne" und "Magen-Darm-Grippe" - Medium Oscar schrie und erbrach diese beiden Probleme dann nach draußen.

Und plötzlich - seit zwei Tagen - ist Oscar wieder tiptop in Ordnung. Er weint nur noch, wenn sichtbar Beweinenswertes passiert, er beispielsweise vom Stuhl fällt, in eine Rangelei mit Ella gerät oder ihm ein Essen serviert wird, das zu weniger als 80 Prozent aus Wurst besteht.

Und als bedarf es noch eines neuen Looks für den neuen beschwerdefreien Lifestyle des kleinen Rackers, zückte Mama noch die Schere und schnitt Oscar gekonnt einen Pony. Oscars Frisur geht damit den Schritt vom unberührten Naturland ins vom Menschen beeinflusste Kulturland. Eifrige Blogleser mögen klären, ob wir diesen Kalauer schon im Ella-Blog machten. Fast scheint es uns so zu sein...

Ella erlebte auch mal wieder richtig viel.
Zunächst ist zu sagen, dass Ella eigentlich zum ersten Mal eine richtig beste Freundin hat. Nach all den Jungs, die ihr Leben dominierten, schlich sich Romy in ihre Kita und in ihr Herz, so dass es schon mal heißt: "Ich bin in Romy verliebt. Und du bist in Mama verliebt."
Viel wissen wir noch nicht über Romy. Nur glauben wir, dass sie in der Lage ist, einige sprachliche Ungenauigkeiten von Ellas Elternhaus auszugleichen:

Ella ist in unserer Familie nämlich die einzige, die statt "lustich" und "witzich" die korrekte Auslautverhärtung "lustik" und "witzik" spricht. Woher soll sie das haben? Derzeit vermuten wir, dass eine gewisse Romy in der Kita dahingehend eine recht deutliche Aussprache zeigt und Ella festgestellt hat, dass diese der elterlichen Variante vorzuziehen ist.

Dann kam das Wochenende und mit ihm zwei Paukenschläge:
Am Freitagabend legte Ella ihren Schnuller auf das Fensterbrett und verkündete, die Schnullerfee möge diesen in der Nacht gegen ein Geschenk austauschen.
Und siehe: Am nächsten Morgen war der Schnuller weg. Ella ist nun stolze (wirklich überaus stolze) Besitzerin einer schnittigen Trinkflasche.
Dies trifft sich vor allem deshalb gut, da Ella, seit sie nicht mehr schnullert, einen wahnsinnigen Durst verspürt, den die Flasche, die man dank Auslaufschutz durchaus im Kinderbett liegen lassen kann, jederzeit zu löschen vermag.

Schließlich fuhr Ella zum ersten Mal in ihrem Leben zu einem Auswärts-Fußballspiel. Hannover war das Ziel. TeBe schaffte es nicht, das eine O von der Anzeigetafel gegen echte Zahlen auszutauschen, Hannover aber schon. Dass das Spiel 2:0 verloren ging, war für Ella hochgradig sekundär und schnell vergessen.
"Ella, wieviele Tore hat Hannover geschossen", fragte man sie am Morgen danach. "Hundert", sagte Ella. "Und TeBe?" - "Drei".
Lügen haben kurze Beine...

Im Stadion jedenfalls retteten Kakao, Frikadelle und die zweit- und drittjüngsten Besucher den Nachmittag. Mit denen konnte man nämlich im Oberrang sehr gut mit dem Winnie-Puh-Ball Fußball spielen. Die Frage Ellas, ob sie denn jetzt auch mal auf dem Rasen Fußball spielen dürfen, da wo die Männer sind, musste Papa aber schließlich verneinen.

Das letzte Foto zeigt Oscar beim heutigen Familienausflug auf den Funkturm. Die teilweise grotesk anmutende City-West brachte uns zuvor zum Lachen: Rund um das ICC und das Messegelände befinden sich riesige Straßen und ehemals futuristische Gebäude, aber keine Menschen.
Plötzlich tut sich mitten in dieser Betonwüste ein Fahrstuhl auf. Man steigt ein. Er führt ins Nichts. Der Weg zum Funkturm gleicht einem Computerspiel, in welchem unlogische Zäune in seltsamen Gängen mit Hilfe von unpassenden Fahrstühlen überwunden werden müssen.

Am Schluss ist die Familie tatsächlich auf dem Funkturm und guckt hinunter. Auf der Mitteletage geht's ins Restaurant, doch auch hier stirbt die City-West: "Neee, is allet voll heute." - "Oooch, und wenn wir warten?" - "Neee. Jeht nisch." Ein Blick über die Schulter der freundlichen Dame, die uns da um ein Stück Kuchen in 51 Meter Höhe gebracht hat, verrät: Das Restaurant ist praktisch leer... Seltsames West-Berlin, das da stirbt...

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