Sonntag, 10. Januar 2010

Der politische Dialog mit der Dreijährigen

Wenn Jurij aus Hamburg zu Besuch kommt, passieren immer vorhersehbare Dinge: Als erwiesenermaßen lautestes der etwa 150 Kinder in der Altonaer Kita sorgt Jurij stets für einen konstant hohen Unruhegrad in den 4 Wänden, in welchen er gerade zugange ist und meistens auch noch in den 4 Wänden der angrenzenden Räumlichkeiten. Und da Jurij immer politisch in Berlin unterwegs ist (letztes Mal wegen der Anti-Atomkraft-Demo, diesmal wegen Rosa Luxemburg), erweitert sich das Vokabular in unserer Wohnung immer ein wenig.

So spielt Ella seit Jurijs letztem Besuch ganz gerne "Treck", indem sie ihr Matchbox-Hab-und-Gut fein säuberlich aufreiht und gen Asse oder Gorleben rollen lässt. Dieses Mal, nachdem Ella einem Gespräch zwischen ihrem und Jurijs Papa über Linksradikalismus gelauscht hatte, wurde sie Brisantes gefragt: "Ella, magst du Linksradikale?" - Kleinkindantwort: "Nein, ich mag lieber Lampen."
Papa streichelte Ella übers Haar.

Später am Abend wurden Papa und Ella albern und spielten das Spiel "Du hast seltsame Dinge im Haar". Irgendwann sagte Papa zu Ella "Du hast Linksradikale im Haar" - schlauer Kleinkind-Konter: "Und du hast Rechtsradikale im Haar" - der politische Dialog mit Ella nimmt so langsam Formen an.

Zuvor ging es aber auch relativ normal, also auch mal stupide, zu. Jurij und Ella spielten mit Ellas neuer Küche, während Oscar um die beiden herumschlängelte und das tat, was er immer tut, wenn um ihn herum das Leben blüht, nämlich alleine spielen.
Ella reichte Jurij eine Spielzeug-Schokolade aus Holz. "Hier Jurij, Schokolade". Jurij, durchaus erkennend, dass es sich um eine Spielzeugschokolade handelte, tat so, als beiße er hinein.
Haps Haps, machte Jurij, die Illusion aufrecht erhaltend.

Doch leider vergaß Ella in diesem Moment, dass sie sich in einer Schokoladen-Simulation befand. Sie fing an zu weinen, als sie die - selbstverständlich unversehrte - Holzschokolade betrachtete und schrie "Jurij hat die Schokolade aufgegessen!"

Später am Abend - der lautstarke Gast war bereits gegangen - geschah Ungeheuerliches. Die Kindsmutter entschied sich gegen ihre Familie und für ein akutes Magenleiden und verschwand im Bett. Ella, Oscar und Papa waren auf sich alleine gestellt und meisterten die Abwesenheit des Regisseurs, Dompteurs, Schlafliedsängers und Fläschchenhalters ganz gut.

Am heutigen Sonntag teilten sich dann zwei Babysitter - erst der Fernseher, darin Tiger und Bär, dann Opa Jürgen - den Job des Kinderbespaßens, während Mama immer noch im Bett lag und Papa gegen einen immer weiter anschwellenden Arbeitsberg kämpfte.
Unkonventionelle Dinge konnten also ausprobiert werden: Oscar beispielsweise kann nun auch schon Verstecken spielen, da er einem Drogenhund nicht unähnlich immer konsequent auf die sich versteckende Ella zusteuert.
Außerdem durfte Ella heute mal ihren Bruder füttern.

Mit den zunächst sehr gut gemeinten Löffeln, auf denen sich der Obstbrei wackelnd türmte, hatte Oscar so seine Schwierigkeiten, später aber wurde aus den beiden ein tolles Fütter-Team. Oscar riss den Mund etwas mehr auf als sonst, und Ella füllte den Löffel nur noch mit einem halben Wackelturm aus Obstbrei.

Im Übrigen behauptet die wieder genesene Mama steif und fest, dass Oscar sprechen kann. Selbstverständlich versteht Oscar aber nur Vokabeln, die mit dem Essen zu tun haben. Antworten kann er bislang nur mit "da" und "ei", was wir einfach mal mit "Ja" und "Nein" übersetzen.

Fragt man Oscar nun "Hast du Hunger?", so antwortet er "da". Nach der Speisung allerdings heißt es auf die selbe Frage "ei". Zufall? Wir wissen es nicht, aber dass Oscar über das Thema Essen zur Sprache findet, ist nicht verwunderlich.

Zur Erinnerung: Ellas erstes Wort war "Buch". Oscar findet Bücher absolut langweilig, Ella liebt sie. Ella dagegen findet Essen doof und war sehr zufrieden damit, dass Papa, als Mama jammernd im Bette lag, beiden Kindern unfassbar wenig zu essen gab, nämlich erstens nur Möhren und trockenes Brot und zweitens davon sehr wenig. Ella hat es genossen und Oscar zumindest mal nicht geschadet.

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