Sonntag, 14. Juni 2009

Psychologie und Gewerkschaft. Später auch Kitsch.

Ein paar neue Erziehungsmethoden wurden in diesen Tagen eingeführt, die Mama und Papa lang vermisste Freiheiten zurückgeben sollen. In Gesprächen mit anderen Eltern erfuhren wir nämlich, dass es Kinder geben soll, die nicht jede einzelne Sekunde bespaßt und unterhalten werden müssen und die beispielsweise auch nicht ständig schreien.

Die Rede ist im Übrigen nicht vom Säugling, sondern von Ella. Ella schreit. Manchmal einfach so, manchmal aber auch, weil sie Angst hat.

Ja, die Angst klopfte an zu Beginn dieser Woche.

Was war passiert? Nun. Im Münsteraner Zoo wurde Ella am letzten Samstag eine Hexe im Märchenwald gezeigt. Dies beschäftigte sie sehr. Zunächst erzählte sie noch sehr gerne von der lieben Hexe im Zoo, dann - am Montag - wendete sich das Blatt. Ella schrie nachts laut auf und zitterte am ganzen Leib. Angst habe sie, erklärte sie, dass die Hexe komme. Papa sprach: "In Altona gibt es keine Hexen." und richtete damit Schaden an, denn die unmittelbare Nähe der Worte "Altona" und "Hexen" verkraftete Ella um 1:00 nachts nicht. Die Panik wurde größer.

In der selben Nacht übrigens weinte und sabberte Oscar unentwegt. Eventuell deuten sich erste Zähne im kleinen Gaumen des kleinen Mannes an.
Hexen und Zahnen ließen uns also nur am Rande schlafen in dieser Nacht und als Papas kinderlose Kollegin am nächsten Morgen im Lehrerzimmer laut darüber philosophierte, dass ihre Augenringe ja immer dann besonders schlimm wären, wenn sie - wie letzte Nacht - mal wieder neun Stunden geschlafen habe, da musste man Ellas und Oscars Papa schon sehr bremsen um Tumulte im Lehrerzimmer zu verhindern.

Aber im Grunde sind es nicht nur die jüngsten Panikattacken, die Ella jede (JEDE !!!) Nacht laut aufheulen lassen. Wahrscheinlich ist es ihre ganz persönliche Reaktion auf den kleinen Bruder. Für Mama und Papa sind die Nächte seitdem jedenfalls wieder etwas weniger bequem und deshalb wurde Ella jetzt mit Papas Tiefenpsychologie konfrontiert.

Papa erklärte, dass sich Ella an jedem Morgen nach einer Nacht, in der sie nicht geschrieen hat, einen bunten Punkt in den Kalender kleben darf. Ella nahm dies interessiert zur Kenntnis, Mama kaufte nicht nur blöde Punkte, sondern super Glitzeraufkleber. 256 Stück.
Und so viele sind es immer noch, denn seit Einführung des psychologischen Schachzuges am Dienstag hat sich an Ellas nächtlichem Schrei nichts getan. Der Kalender ist noch leer.

Eine weitere Veränderung ist die offizielle Pause, die sich Mama und am Wochenende auch Papa nun immer nehmen. Hier werden so langsam gewerkschaftliche Ideen durchgesetzt. Herr Bsirske, oder wie dieser Mensch heißt, dürfte jedenfalls unsere Ansicht teilen, dass der Job Mutter oder Vater auch eine gesetzliche Pause braucht.

Zu Ella wird irgendwann am Tage dann gesagt: "Ella. Jetzt haben wir eine halbe Stunde Pause." - Mama und am Wochenende auch Papa liegen dann betont desinteressiert auf dem Sofa und beachten das Kind nicht.
Ella reagiert verständnisvoll und fährt ihr Nervpotential tatsächlich zurück. Natürlich steigt sie über die Pausierenden, natürlich müssen die Pausierenden Ellas Spiel (Kuscheltiere fahren jetzt alle Bus) beachten und würdigen, natürlich fragt Ella alle 2 Minuten, wie lange die Pause denn noch dauern würde, aber im Grunde hat sie das Prinzip eigentlich dennoch ganz gut verstanden.

Mama und Papa sind also dabei, sich phasenweise zu emanzipieren. Gesellschaftsfähig sind wir deswegen noch lange nicht.
Besucht uns jemand, wie letztens Jenni und Matze, muss der Besuch stets auf unangenehme Fragen gefasst sein. "Hast du einen Penis oder eine Scheide?", wird gerne gefragt. Wer antwortet, muss mit Fragen nach der Größe des Geschlechtsteils rechnen oder auch mit der heiklen Frage, ob da unten auch Fell wäre...

Wir wissen nicht, ob schon irgendjemand vor uns die Metapher von Kompass und Nordpol benutzt hat. Eigentlich ist sie zu gut und zu kitschig, als dass all die Andy Borgs und Flippers und Rosenstolzes daran vorbeigekommen wären, aber uns ist sie auch erst heute eingefallen:
Oscar ist der Kompass und Mama der Nordpol.

Hat man Oscar auf dem Arm, so weiß man nur durch einen Blick in sein Gesicht, wo die Mama gerade steckt. Oscar - die Mama sollte diesen Umstand viel bewusster genießen, er wird nicht ewig halten - ist derzeit zu 100% auf die Mama ausgerichtet. Sie ist Lebenselexier und -mittelpunkt. Oscar behält sie daher im Auge. Immer. Wie die Kompassnadel den Nordpol. Kitschig, was?

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