Sonntag, 21. Juni 2009

Altonale 2009

Ein Blick auf den Kalender verrät, dass wir hier in Hamburg angezählt sind, dass der Umzug naht. Deutlich wurde dies zum Beispiel am Mittwoch, wo es zum ersten Mal hieß: "Letztes Mal", denn die Spielgruppe, die Ella zuletzt immer euphorischer besucht hat, schließt im Sommer ihre Pforten - auch wenn - so rein realistisch betrachtet - der Sommer schon wieder vorbei ist.

Doch immer noch ist es hier in Hamburg auch die Zeit der "ersten Male" und so besuchte Ella tags zuvor erstmals das Kinderturnen in Altona.
Man denke sich eine Turnhalle kleinerer Größe, etwa 15 aus Kästen, Seilen und Matten konstruierte Haufen, auf denen gut und gerne 40 Kinder turnen beziehungsweise an ihnen vorbeirennen. Jedes dieser 40 Kinder hat mindestens ein Elternteil dabei, was die Zahl der in der Halle umherirrenden Personen verdoppelt. Chaos herrscht. Und mitten in dieses Chaos blenden wir nun hinein: Ella befindet sich auf einem Kastenwirrwarr in schwindelerregender Höhe. Ellas Mama steht fangbereit als Hilfestellung darunter.

Mama begeht einen Fehler, denn sie guckt zur Seite. In exakt diesem Moment mütterlicher Abgelenktheit entscheidet sich das Töchterchen dafür, zum Sturzflug anzusetzen. Mama wird ja aufpassen...

Ella flog der Mama in den Kopf. Sieben schlichte Worte, die den Doktor am Abend "inverses Schleudertrauma" diagnostizieren ließen und der Mama eine Halskrause verpassten.

Dass Ella durchaus schon in der Lebensphase ist, in der das ungünstige Gefühl des schlechten Gewissens die Seele belasten kann, zeigte sie auf ihre subtile Art: Sehr oft wollte sie die Geschichte hören, warum Mama denn jetzt so schnell in ärztliche Behandlung musste. Rotbackig und mit offenem Mund nahm sie auf dem Heimweg vom Turnen immer und immer wieder zur Kenntnis, dass es ihr Sprung ins Gesicht der Mutter war, der die Mama so plötzlich zum Arzt gehen ließ.

Die sonst vorherrschende Schallmauer von sechs Fotos pro Blog wird heute mal missachtet. Der Rahmen wunderbarer Fotos wurde gesprengt, weil am Wochenende die Altonale, die - jetzt können wir es ja sagen - kleine Schwester des Berliner Karnevals der Kulturen, mit allem außer Sonnenschein lockte.

Ella erlebte einen Samstag mit wahren Höhepunkten: Sie durfte Müllauto fahren und dabei auch noch neben den Männern ihres Lebens (Dominic links, Papa rechts) sitzen. Ein echter Müllmann war auch an Bord. Er fuhr die staunenden Kinder einmal um den Block und schaffte es, dass sie trotz dieser kurzen Fahrt im Trockenen ein- und im Weltuntergangsregen ausstiegen.

Als der Regen vorbei war, zeigte Dominic großen Mut, als er das Bungee-Trampolin heldenhaft bestieg und ohne nennenswerte Veränderung seiner Mimik in rund 6 Meter Höhe gezogen wurde. Ella direkt hinterher. Fünf Minuten hüpfte sie, was das Zeug hielt, während Papa das Kleingedruckte auf dem Sicherheitshinweis der Trampoline ("Salto verboten - Landen auf dem Kopf kann tödliche Folgen haben") mit den Anweisungen der Trampolin-Guards ("Kopf nach hinten und Salto - Los!") verglich. Ella wurde übrigens nicht zum Salto aufgefordert. Die hatte auch so quietschenden Spaß genug.

Am heutigen Sonntag lief durch Altona dann die sogenannte Spaßparade, die ihrem Namen allerdings immer dann nicht gerecht wird, wenn sich große Papp-Figuren oder verkleidete Menschen unserer Tochter nähern. Für die ist dann sofort jeder Spaß vorbei. Dann wird geschrieen, zu Mama gerannt und dort erstmal geweint. Das war übrigens schon bei der Spaßparade 2008 so.

Oscar ließ alles etwas weniger emotional über sich ergehen. Er konzentriert sich momentan auf seine ganz persönlichen Errungenschaften. Schließlich gehört unser Oscar nun zu dem Teil der Bevölkerung, der in der Lage ist, liegend die Beine hoch zu strecken, sodass der Sportlehrer von einer "Kerze" spricht. Außerdem verblüffte uns Oscar damit, dass er Mama anguckte, als er gefragt wurde, wo die Mama denn sei.

Gut, dies ist nicht verwunderlich, denn Oscar guckt immer die Mama an, aber als er nach Papa gefragt wurde, da guckte er den Papa an, und als er nach Ella gefragt wurde, da guckte er sich suchend um. Ella war nicht da.
Wir finden, dass dies nicht schlecht ist für ein fünfmontiges Baby.

Unerklärlich ist dagegen, wie Oscar es im Sitzen stets schafft, den Inhalt seiner Windel nach hinten oben überquellen zu lassen. Der Verdacht liegt nahe, dass Oscar antigravitätisch ausscheidet, dass seine Losung also die Gesetze der Schwerkraft missachtend nach oben fließt. Wir werden der Sache nachgehen und uns entsprechende Physik-Lehrbücher zulegen und dann entscheiden, ob wir uns Sorgen machen müssen.

Zum Abschluss noch eine Anekdote, die Papas allnächtliches Leid verdeutlicht:
Ella lag - warum auch immer - bereits im Elternbett, als Mama und Papa hinzusteigen wollten. Ella sah ihre Eltern an, rutschte aus ihrer zentralen Position weit in Richtung Wand und sprach gönnerhaft: "Hier Mama, ich hab dir Platz gemacht." - Und in der Tat, der Mama lachte ein dreiviertel Bett entgegen. Für Papa - und das ist die Kehrseite des gönnerhaften Verhaltens unserer Tochter - blieben etwa 20 cm Platz für diese Nacht.
Die Verhandlungen, ob wir uns in Berlin ein neues, breiteres Bett kaufen sollen, laufen. Es sieht jedoch so aus, als würde sich die Interessensgemeinschaft "Mehr Platz für schlafende Väter" nicht gegen das Finanzministerium der dynamischen Familie durchsetzen können.

Das Punkte-System läuft dagegen mittlerweile sehr erfolgreich. Ellas nächtliche Schreie sind deutlich reduziert. Heute durfte sie sich trotzdem keinen Punkt in den Kalender kleben. Grund: Ella schrie um 3:10 Uhr plötzlich wie am Spieß. Oscar schloss sich ihr nach einer Sekunde an. Plötzlich also Riesenlärm im Schlafzimmer. Ella und Papa schliefen etwa um 3:20 Uhr wieder ein. Mama und Oscar nicht. Oscar wollte fortan stündlich Milch.
Diese konnte - sah man sich die Laune der Mama am Morgen an - eigentlich nur noch sauer sein...

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