Sonntag, 22. März 2009

Das Gegenteil von 'klebrig'

Während Oscar weiterhin vor allem grunzt und schnalzt, in den letzten Tagen aber auch ein paar stimmliche Laute von sich gegeben hat, befindet sich Ella auf dem besten Wege, eine sprachliche Eloquenz zu entwickeln, die es ihr später erlauben dürfte, Radiomoderatorin oder Politikerin zu werden.

Seit vorgestern ist es amtlich: "Ellas Sprachentwicklung ist auf dem Stand einer Dreieinhalbjährigen", sprach Ellas Mama, einen dicken Wälzer laut zuklappend, in welchem sie soeben gelesen hatte, wie Dreieinhalbjährige so sprechen.
Sie sprechen so wie Ella, zweieinhalbjährig. Der Satz im Buch lautete: "Ich war gestern beim Arzt und der hat mir eine Spritze gegebt. Die hat wehgetan, da hab ich geweint."

Ella spricht zur Zeit nicht von Spritzen, da sie schon erfreulich lange keine mehr bekommen hat. Ella steht dagegen in ihrem Zimmer und spricht in bestem Hausmeister-Deutsch erzürnt auf ihren CD-Player deutend: "Das ist viel zu laut. Da kann ich nicht schlafen!" Und wem in diesem Satz das falsch konjugierte Verb des Satzes aus dem Buch fehlt, dem sei verkündet, dass Ella bei eben jener Partizipienbildung auch noch nicht so recht die wundersame Grenzlinie zwischen schwachen und starken Verben verinnerlicht hat, doch soll dieses linguistische Geschwafel nun in einer großen Mottenkiste verschwinden...

Stolz sind wir jedenfalls auf unser plapperndes Kind. Ist Papa etwa auch schon auf dem Stand eines 32jährigen statt 31jährigen? Oder gar ebenfalls schon ein Drittel der Lebenszeit im Voraus, also auf dem Stand eines 42jährigen?

Lassen wir die Prahlerei. Ella hat auch ihre wahrhaft ahnungslosen Momente.
Da wäre die Sache mit den Gummibärchen. Gummibärchen betrachtet Ella weder in erster noch in zweiter Linie als Naschwerk. In erster Linie sind Gummibärchen nämlich Allheilmittel gegen Schmerzen.
Tut sich Ella weh, legt sie das Gummibärchen auf die schmerzende Stelle und genießt die heilende Wirkung der Gelatine. In zweiter Linie sind Gummibärchen Kuscheltiere, die Ella oft tage-, eventuell wochenlang mit sich herumträgt.

So kauften wir ihr vergangene Woche in Berlin einen Gelatine-Schlumpf. Diesen verspeiste Ella nicht, sondern nutzte seine Wundheilwirkung und knautschte auch gerne an ihm herum. Oft fiel er herunter, war dreckig, musste abgewaschen werden, woraufhin er zu kleben begann. "Wie zum Geier kriege ich ihn jetzt nicht klebrig? Und wie heißt eigentlich das Gegenteil von 'klebrig', das ich für diese Situation gut gebrauchen könnte?", waren hektische elterliche Gedanken im Anschluss an das Reinigen des Schlumpfes.

Lösung: Mehl.

Und so mehlten wir das gewaschene Gummitier und erzielten tatsächlich den gewünschten Effekt. Wie gesagt. Das war letzte Woche; gegessen wurde der Schlumpf nicht.

Am Montag dieser Woche ergaunerte sich Ella beim Bäcker in Altona eine Gummibär-Colaflasche. Und was fand Ellas Papa heute (Sonntag) auf dem Küchentisch?
Richtig: Eine gemehlte Colaflasche.

Es ist schön, dass man seine Familie und ihre Gepflogenheiten so gut kennt, dass man ohne eine Frage zu stellen, genau weiß, warum ein gemehltes Gummitier auf dem Tisch liegt.

Wo wir vorhin noch Ellas Sprachniveau lobten, müssen wir nun kritisieren: Versteht Ella akustisch oder inhaltlich etwas nicht, so meldet sie dies mit einem äußerst unschönen Laut zurück, der in etwa wie "häää?" klingt.
Papa, der Deutschlehrer a.D., korrigierte: "Das heißt nicht 'häää?', sondern 'was?'", woraufhin der Mama die Gabel aus der Hand fiel. Mama riss die Sprecherziehung sofort an sich und brabbelt seitdem immer etwas von einer völlig überschätzten Floskel namens "wie bitte?".

Kommen wir nun noch zu Oscar.
Oscars Wochenhöhepunkt bestand darin, dass er mit ein paar anderen Säuglingen einen Kreis gebildet hat. Vor ein paar Monaten bildeten die dazugehörigen Mütter noch einen Kreis mit ihren dicken Babyplauzen im Geburtsvorbereitungskurs und wollten sich ihre Früchte nun gegenseitig zeigen. "Oscar", so die Mama, "war das beste Baby der Gruppe".
Kurz darauf betrat Oscar die Welt des Spielens.
Sein Lieblingsspiel geht so: Papa stupst mit Finger oder Nuckel immer um Oscars Mund herum. Meistens verzieht sich der Mund dann zu einem aufgeregten Lächeln. Mögen viele weitere Dinge in deinem Leben passieren, die dich so zum Lachen bringen, wie der Finger, der dich um deinen Mund herum anstupst.

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