So hatten wir exakt zu Weihnachten statt eines fröhlich-randalierenden Oscars wie sonst ein missmutig-pöbelndes Kind in unserem Kreise, das beispielsweise mitten in die Kirchengesänge am Heiligen Abend hineinpolterte "Die sollen aufhören zu singen. Das ist langweilig hier!".
Als die Familie dann nach Ende des Gottesdienstes nach Hause kam, stellte man fest, dass man den Weihnachtsmann verpasst haben muss, denn unterm Baum lagen plötzlich zahlreiche Geschenke. Es war der Zeitpunkt, von dem an die Vorstellungen der Kinder über den Verlauf des Abends von denen der Eltern stark abwichen. Es war dies gleichzeitig der Zeitpunkt, an welchem den Eltern die Fäden aus den Händen glitten.
Ella und Oscar sahen das anders. Hier das Protokoll der ersten zwei Minuten nach Aufschließen der Wohnungstür:
Ella, mit brennender Kerze in der Hand, stürzt ins Wohnzimmer, schreit: "Der Weihnachtsmann war da!". Oscar, ebenfalls mit brennender Kerze in der Hand, stolpert hinterher. Papa, der sich eigentlich zunächst einmal seine Schuhe ausziehen wollte, sieht sich plötzlich mit den beiden brennenden Kerzen seiner Kinder in den Händen vollkommen handlungsunfähig dastehen.
Oscar stürzt zu einem attraktiven Geschenk und beginnt daran zu rupfen. Die Eltern schreien "Noch nicht! Noch nicht!" - Oscar schreit zurück "Ein CD-Player!!!!" und verbeißt sich immer stärker in das halb geöffnete Paket.
Auch Ella ist nun nicht mehr zu halten. Papa steht immer noch hilflos mit zwei Kerzen in der Hand daneben. Die Mutter versucht, sich irgendwie zwischen die Kinder und die Geschenke zu werfen. Relativ erfolglos. Die Kinder sind längst im Raubtier-Modus und nur noch trieb- statt vernunftgesteuert.
Ella liest die Namensschilder an den Geschenken und wird immer aufgebrachter. "Die großen Sachen sind alle für Oscar!!!" schreit sie. Die Stimmung kippt ins Aggressive.
Irgendwann saß die Familie dann beim Festessen. Oscar verspeiste ein Würstchen, was später noch von Bedeutung sein wird.
Fast biblisch klang seine Weissagung am 23.Dezember. Er saß auf dem Klo und während Papa Oscars Hintern von gelblicher Flüssigkeit befreite, sprach Oscar: "Ich habe drei Tage Durchfall!". Und siehe: Drei Tage lang hatte er tatsächlich Durchfall. Dann war es vorbei. Oscar hat manchmal etwas Magisches an sich.
Schnell wieder zur tanzenden Ella, die fröhlich Arme und Beine von sich wirft. Der mit Wurst gefüllte Oscar will nun auch mal, schnappt sich einen zweiten Controller und tanzt neben Ella nun auch ein bisschen. Hier gehüpft, dort ein Ärmchen nach links, hier ein Beinchen gehoben. Wurst.
Es war grotesk. Papa hatte gerade den Telefonhörer in der Hand, war mit dem Anrufbeantworter des Opas verbunden. Ella hüpfte wild und Oscar erbrach die Wurst einen Meter neben die tanzende Furie, die davon überhaupt nichts mitbekam.
Vergleichbar lief schließlich auch der erste Feiertag bei Oma. Oscar versuchte - schlecht gelaunt - mitzufeiern, gab dann auf und schlief ein. In der Möckernstraße auf Papas Arm kotzte er dann Nudeln. Es war fantastisch: Die S-Bahn blieb sauber, das Treppenhaus blieb sauber. Oscar wusste genau, wo man mit minimalen Konsequenzen hinkotzen kann.