Selbstverschuldet in Not geraten ist Oscar in dieser Woche mindestens dreimal, wobei die Dunkelziffer um einiges höher liegen dürfte. Da ist zum einen seine Angewohnheit, morgens ein akrobatisches Ritual während des Anziehens zu veranstalten: Dazu greift sich Oscar aus seiner recht hohen Kommode die Kleidungsstücke, die er in der Kita zu tragen gedenkt. Er steht deshalb auf der höchsten Stufe seiner Hochbetttreppe und wühlt nach Hosen, Unterhosen und anderem Kram. Höhepunkt dieser Aktion ist dann das wuchtige Auf-den-Boden-Werfen der auserkorenen Klamotten.
Dann ein Knall. Oscar ist von der Kinderbett-Treppe gefallen, die Jeans noch in der Hand. Selbstverschuldete Not. Papa schimpfte, Mama tröstete.
Am Abend, es war wohl wirklich der gleiche Tag, dann folgendes: Zähneputzen. Oscar diktiert dem humorlosen Vater die Spielregeln: Auf den zweistufigen Holzhocker muss ein kleiner Plastikhocker gestellt werden. Auf diesen klettert dann in Zirkusartisten-Manier der Große Oscario. Erst dort oben, auf dem wackelnden Hochsitze, ist Oscar gewillt, sich für etwa sechs Sekunden die Zähne zu putzen.
(Und nun markiert und kopiert Papa aus Zeitgründen mal einen bereits geschrieben Absatz und verändert ihn nur ganz wenig:)
Papa, dem das bis dato nicht klar war, fand das doof und verließ aus Protest den Raum.
Zwei Tage zuvor, es war Nachmittag, hielt Oscar folgendes für richtig: Auf der Rücklehne des Sofas stehen und per Bauchklatscher auf die Sitzfläche springen, dabei lachen. Einige Male ging es gut, nur Papa nervte, weil er Oscar ständig auffordern musste, diese weder sinnvolle noch ansehnliche Tätigkeit abzubrechen. Auch auf etwaige Gefahren machte der Vater seinen Sohn aufmerksam. Diesen interessierten die Warnungen erst, als er während des Sturzfluges von der Rücklehne in der Luft befindlich feststellte, dass er zu weit gesprungen sein muss, denn soeben rauschte die gepolsterte Sitzfläche an Oscar vorbei.
Als nächstes bereit, Oscars Sturz abzufangen, war der Parkettboden. Rumms. Selbstverschuldete Not. Papa schimpfte, Mama tröstete.
Und zum Abschluss noch eine Geschichte aus Absurdistan, welches in Kreuzberg liegt.
Es ist Abend, ein anstrengender Tag geht für die Kinder zu Ende, was erklärt, dass diese sehr sensibel sind. Beide Kinder wollen, dass Papa nur ihnen selbst, also nur der Tochter oder nur dem Sohne, vorliest. Ein unlösbares Problem.
Mama, zuständig für unlösbare Probleme, eilte mit einem Babybuch herbei, und las dem irritierten Oscar daraus vor, während Papa seiner Tochter vorlas. Die Regel lautet nämlich: Wenn einer fertig ist mit Vorlesen, dann darf er beim anderen noch zuhören.
Der Plan von Mama war also nicht schlecht: Sie würde Oscar das Babybuch innerhalb von einer Minute vorgelesen haben. Dann könnte Oscar juristisch sauber noch in den Vorlese-Genuss des Vaters kommen und hätte eventuell seine Ansprüche auf ein alleiniges Vorlesen angesichts des seltsamen Babybuches vergessen.
Weit gefehlt: Oscar fand Mama, wie sie das Baby-Buch vorlas, unmöglich. Noch in den kurzen Vortrag hinein, in dem es um einen Tisch und einen Stuhl zum Draufsitzen ging, randalierte der Sohn. Mama endete und wollte zum Siegeszug ansetzen, hier aber bereits ahnend, dass es schief gehen würde.
Und so sagte sie Oscar, dass er nun doch beim Papa zuhören dürfe. Oscar, mittlerweile lila gefärbt, raste vor Wut und brüllte, Mama möge das Kinderbuch nicht vorgelesen haben.
Sie tat es, und nur Papa fand es komisch: Sie blätterte das Baby-Buch von hinten nach vorne durch und las es rückwärts, machte dabei also Geräusche, wie man sie von Klingonen oder sich übergebenden Menschen kennt. Oscar fand seine Mama währenddessen sehr doof.