Sonntag, 19. Juni 2011

Ein neues Polonaise-Konzept

Nur einen Tag, nachdem Ella gemeinsam mit ihrem Vater die Ausstattung des hiesigen Badezimmers um drei Packungen Toilettenpapier mit Gummibärchenaroma vervollständigte und von da an nun eigentlich das wirklich sorgenfreie Leben hätte beginnen können, da bekam Ella nicht etwa eine Darmgrippe, die den neuen duftenden Toilettenpapierblättchen gleich zu zentraler Bedeutung verholfen hätte, nein, da bekam Ella eine beeindruckende Magengrippe.

Der Darm spielte nicht mit, weil nichts von dem, was Ella zu sich nahm, den Darm erreichte. Und während Ella etwa 20 Stunden lang zunächst die Mutter, dann das Sofa, dann den Teppich und irgendwann nur noch eine Schüssel mit Mageninhalt besudelte; während extra ein Auto gechartert wurde um Ella in die Notaufnahme des Krankenhauses zu fahren und während der Vater um 4:30 Uhr nach Schöneberg in die Nachtapotheke radelte; während all dies geschah, langweilte sich das Luxustoilettenpapier zu Tode.

Schlimm war diese Nacht für fast alle: Beginnen wir aber mit der Ausnahme:
Oscar marschierte direkt nach der Kita mit Mama in den Zoo, weil uns dieser Ort mit seinen 15.000 Tieren weitaus hygienischer erschien als unsere Wohnung, in welcher in schnellen Rhythmen gebrochen wurde.
Als Oscar dann wiederkam und von den Tieren berichtete, die ihn dieses Mal am stärksten beeindruckten, nämlich den Flamingos, war dann auch schon Bettzeit. Oscar pennte die folgenden Stunden friedlich durch. Das war Oscars Nacht.

Die Nacht der restlichen Familie war dadurch geprägt, dass Ella etwa alle 50 - 60 Minuten mit einem lauten Schrei wach wurde. Sie habe Durst, jaulte sie. Dass sie nicht selbstständig trinken darf, hatte sie irgendwann verstanden, weil dann nämlich immer eine unverträglich große Menge getrunken wurde, die der Magen unverzüglich wieder heraus schmiss. So also wurden die Eltern gebeten, über Ellas Trinken zu wachen. Nach zwei Schluck riefen diese laut "Stop", Ella legte sich hin und schlief. Etwa fünf Minuten später musste dann die doch Schüssel ran, weil in dieser Nacht auch zwei Schluck zu viel für den Magen unserer Tochter waren.

Diese Abfolge hatten wir in dieser Nacht so lange, bis Papa sich dachte, dass es jetzt auf dem Fahrrad Richtung Schöneberg bestimmt nicht furchtbarer ist als zu Hause.

Als Papa dann von der Arbeit nach Hause kam, legte er sich ins Bett neben seine nun nur noch sehr müde, aber nicht mehr stets brechende Tochter und schlief.
Um 16 Uhr dann wachten Papa und Ella gleichzeitig auf. Und siehe: Papa war nicht mehr müde und Ella war nicht mehr krank.

Wie gesund Ellas Magen wirklich in dieser kurzen Zeit wurde, konnte sie uns am folgenden Tag schnell beweisen, denn die Kita feierte Sommerfest. Ella tankte sich durch Grillwürstchen, Kuchen und Süßigkeiten. Ihr Magen akzeptierte alles. Das Kind ist geheilt.

Und furchtbar schlau ist es immer noch. Da hat der Magenvirus nichts dran geändert. Als Ella vorhin im Garten ein Wort mit "R" bilden sollte, da sagte sie "Racso". Mama und Papa sahen sich gelangweilt an.
"Ella", sagten sie streng, "sag uns ein richtiges Wort".
Da wurde Ella klar, dass ihre Eltern nicht verstanden, dass sie ihnen wohl überlegen sein muss. "Das", erklärte sie geduldig "heißt 'Oscar' rückwärts" und dann erkannten auch Ellas Eltern, dass sie nicht verstanden hatten, dass Ella ihnen überlegen sein muss und nippten peinlich berührt am Apfelsaft.

Reden wir zum Schluss über das sorgenfreie Problemkind.
Oscar feierte natürlich auch Sommerfest und konnte seinen Umgang mit Buffets dahingehend verfeinern, dass er nun nicht mehr die meiste Zeit vor dem Buffet sitzt, sondern in diesem Falle - weil die Architektur es ermöglichte - auf dem Buffet saß. So latschte er zwischen Grütze, Kuchen, Salaten und Säften umher und griff mal hierhin, mal dorthin.

Des Weiteren zeigte er sich als großer Reformator der Polonaise, denn er griff seiner Vorderfrau nicht etwa an die Schultern, sondern umschloss mit beiden Armen deren Bauch.
In dieser Position war er aber leider extrem abhängig vom Tempo der Vorgängerin und das wurde zum Ende hin immer schneller.

War Oscars Gesicht zuvor schon eine echte Attraktion, weil es natürlich mit einer kompletten Hälfte und unter Deformierung der verbleibenden Hälfte an den Rücken der Vorderfrau gepresst war, so wurde sein Gesicht immer großartiger, als die ehrliche Mühe hinzukam, das steigende Tempo in dieser Haltung mitgehen zu wollen. Papa filmte, aber der Film ist in den Windungen seines Handys verschollen. Wenn wir ihn gefunden haben, reichen wir ihn nach und gewinnen dank Oscar den "Oscar" in der Kategorie "Verzweifeltes Kleinkind beim Bemühen, ein neues Polonaise-Konzept durchzusetzen."

Ansonsten hat es Oscar in der letzten Woche fertig gebracht, nahezu jede Nacht auf dem nackten Boden einzuschlafen. Es war die pure Abneigung gegen jeden ihm angebotenen Schlafplatz, die das Kind allabendlich schreien und irgendwann auf dem Boden einschlafen ließ. Dies sah im Ergebnis nur zum Teil süß aus, denn Oscar erinnerte auch ein bisschen an die Damen und Herren im ARD "Tatort", um die man gegen 20:25 immer eine Kreidelinie zieht.

Aber wenn im "Tatort" die Personen innerhalb der Kreidelinie weggeschafft werden, dann schnaufen sie nicht dabei und räkeln sich auf diese niedliche Art, wie Oscar es tut, wenn man ihn dahin legt, wo er es hasst: Ins Bett.

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