Montag, 13. Juni 2011

Treppengeländer links, Garten rechts

Die Woche, in der die Mutter des Hauses allnachmittäglich und -abendlich beim "Bibliothekartag" weilte und sich dort unter anderem am Sekt gütlich tat, wollte der Vater des Hauses unbedingt dazu nutzen, Punkte bei den Kindern zu sammeln. Oscar, der am 3. Juni, also am vergangenen Freitag, erstmals sagte, dass er seinen Papa lieb hat, nahm nach dem Bibliothekartag allerdings wieder alles zurück und urteilte streng: "Papa nee lieb!"

Alles, was Oscars Papa in der letzten Woche unternahm - dazu später Details - um die Gunst des Sohnes zu erlangen, verlor sich gestern im Treppenhaus, durch welches Oscar und Papa nach unten stiegen.

Oscar ist - das muss man wissen - der selbsternannte Chef des Treppenhauses. Wie ein Dirigent zeigt er mal hierhin, mal dorthin und scheucht seine Erziehungsberechtigten von Ecke zu Ecke. Meist läuft es darauf hinaus, dass Oscar an dem einen Treppengeländer und seine Eltern am anderen Treppengeländer zu laufen haben. So weit, so gut.

Am Schluss aber wartet eine wirklich üble und sehr breite Steintreppe. Falls Oscar nicht aufgrund einer anstehenden Radfahrt ohnehin mit Helm auf dem Kopf die Treppe hinuntersteigt, erscheint es seinem Vater sinnvoller, am selben Treppengeländer zu laufen wie der tapsige Sohn. Denn sehr schlecht dürfte es gehen, wer hier die Treppe hinunterfällt.

Eine schöne Oscar-und-Papa-Phase endete also mit diesem Dialog:
Oscar (am linken Geländer, auf das rechte Geländer deutend): "Da! Papa da!"
Papa: "Nein. Dann kann ich dich nicht halten, wenn Du fällst."
Oscar (erbost auf SEIN Geländer zeigend): "Papa neee da!"
Papa: s.o.
Oscar: "Rawääääääääääääääääääääääääh"
Papa (Oscar greifend und mit ihm auf dem Arm die Treppe hinuntersteigend): "Blödmann!"
Oscar (tretend): s.o.

Danach war Oscars Laune noch lange schattig. So richtig toll findet er seinen Vater seitdem nicht mehr. Das gerade aufkeimende Pflänzchen der Liebe, das Oscar am 3.Juni in Lindow(Brandenburg) in die Worte "Mama, Ella, Papa lieb" kleidete, es wurde jäh zertrampelt im Kreuzberger Treppenhaus.

Zuvor allerdings waren Papa und Oscar im Schwimmbad, wo Oscar bemerkenswert schnelle Stimmungsschwankungen zeigte: Innerhalb von vielleicht 3 Sekunden konnte Oscar die Zustände fröhlich - untröstlich - wieder fröhlich annehmen. Dann nämlich, wenn Oscar qietschvergnügt durchs Babybecken latschte, ausrutschte, mit dem Kopf fast unterging und daraufhin furchtbar weinte, nach zwei Sekunden aber wieder fröhlich weiterlatschen konnte. Eine von Oscars Grundeinstellungen ist halt die, dass man sich mit Schmerzen und anderem Unbill nicht allzu lange aufhalten muss. Es sei denn, es geht um sadistische Väter und Treppenhausrevolten.

Am Donnerstag wurde Oscar aufgrund einer spontan auftretenden Organisationslücke mit zum Schulfest von Papas Schule geschleppt. Papa hatte zu tun und Oscar latschte hinterher. Das ist nicht schön. Glücklicherweise hat Papa aber Schülerinnen, die beim Anblick ihres Lehrers im Kleinkindformat regelrecht dahinschmolzen. Eine große Diskussion, bis hinunter zu den Schülerinnen der 7. Klassen, entbrannte, wer denn nun den kleinen Wicht als nächstes wird knuddeln dürfen.
Oscars Vater war dieser Bohei um den Sohn sehr recht. Umgeben von etwa fünf bis zehn muttergefühlsgepeitschten Babysittern konnte Oscar nichts passieren. Nur irgendwann war es einfach zu viel. Als die 73. Schülerin fragte, wer das denn sei, und dass das ja ein ganz Süßer sei und Oscar dann anfassen wollte, war Schluss. Oscar war fix und fertig, suchte sich eine liebe Schülerin, setzte sich auf ihren Schoß und hielt Mittagsschlaf. Die Schülerin saß glücklich da. Zu den 28° Lufttemperatur gesellten sich für 60 Minuten noch Oscars gesunde 36°. Die Schülerin - dies nur als kleine Pointe - stammt übrigens aus Sibirien.

Am Pfingstwochenende warteten Attraktionen auf uns. Zum einen feiert Kreuzberg in diesen Tagen ja immer den Karneval der Kulturen, zum anderen kamen Jan, Kitti und Jette aus Hamburg zu Besuch.
Jette, ein halbes Jahr jünger als Oscar, war sprachlich unserem Kleinen ebenbürtig. Und so führten die beiden ernsthafte Gespräche, die sich - soweit wir das beobachteten - über die wirklich existenziellen Themen, wie zum Beispiel das Essen drehten.

Als dann der Besuch in unseren Garten gelockt wurde, zeigte Oscar zumindest genetisch große Verbundenheit zu seinem Vater.
Die Mutter entschied zuvor, den Garten diesmal nicht - wie gewohnt - vom Steinhellenweg, sondern von der Florastraße aus anzusteuern. Dies bedeutete folgendes: Der Garten war, wenn man sein Fahrrad vor der Türe abstellt, nicht mehr rechts, sondern links.
Papa - der so etwas schon ahnte - fuhr zwar fast am Garten vorbei, erkannte dann aber doch rechtzeitig noch den Eingang.

Oscar aber ging einen Schritt weiter. Er akzeptierte den Eingang nicht. "Neeeee daaa!", hörte man ihn entsetzt schreien. Mama löste den Konflikt auf. Sie griff sich Oscar, ging zehn Meter am Garten vorbei, drehte, ging zehn Meter zurück und siehe: Der Garten war wieder rechts. Oscar war zufrieden. Papa wäre diese zusätzlichen 20 Meter gerne mitgegangen, denn ein bisschen verwirrend war das ja doch mit der Florastraße.

Nur eine kleine Geschichte aus Ellas Leben.
Ella besucht seit letzter Woche jeden Dienstag einen Schwimmkurs. Hoffen wir. Am letzten Dienstag - bei Ellas erster Sitzung - zeigte sich die Möhre den Anweisungen der Schwimmlehrerinnen gegenüber eher spöde.
Wenn erklärt wurde, starrte Ella gerne mal auf die Schwimmbadfliesen. "Anweisungen", so berichtete später die Mutter, die Zeugin der ersten Schwimmstunde war, "Anweisungen mag Ella nicht." - Ein schöner Vorgeschmack auf die Schule...

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