Sonntag, 12. Dezember 2010

Hüpfen vor dem Filz-Stern

Ein für Außenstehende röchelnder Sohn brachte seine Eltern heute zur Verzückung. Oscar stand in der Küche, guckte konzentriert und machte "Okchra. Okchra." Papa, der zugegen war, ahnte die Bedeutung des Röchelns. Hier will jemand mal endlich seinen Namen aussprechen. Und so wurde ein Dialog geführt, der die wahre Bedeutung des "Okchra"-Lautes klären sollte.
"Wer ist das?", fragte Papa und deutete auf sich. "Papa", sagte Oscar akzentfrei. "Und wer ist das?" Papa tippte auf seinen Sohn. "Okchra!", strahlte dieser, wurde auf den Arm gehoben, zur Mutter getragen und führte dort das Kunststück noch einmal vor und weigert sich seitdem verschämt, noch mal "Okchra" zu sagen. Die Begeisterungsstürme seiner Eltern haben ihn ein bisschen verunsichert. Oscar betet auf Nachfragen nun bereitwillig die Namen aller Familienmitglieder hinunter. Fragt man ihn nach ihm selbst, so wird er rot, grinst und schüttelt den Kopf.
Vermutlich wird er den Namen nun noch ein bisschen üben, bis er das Gefühl hat, die Aussprache ein wenig dem Originallaut seines Namens angepasst zu haben. Er spricht ja sowieso gerne ohne Zuhörerschaft.

Bezeichnend war, als Papa durch die riesige Wohnung irrte und für einige Momente nicht wusste, welches Kind in welcher Himmelsrichtung gerade Dinge anstellte. Ella war eben noch im Kinderzimmer zu sehen, aber wo zum Geier ist Oscar? Dies denkend ging Papa in Richtung Küche, hörte aber schon 3 Meter vor dem Küchentür-Rahmen (wir besitzen keine Küchentür) seinen Sohn laut "Eier!" schreien, woraufhin ein Plastikei auf den Küchenboden geschleudert wurde. Alles klar. Oscar ist also auch da.

Der Dezember, dessen Mitte wir bald erreichen, ist für Eltern ein eher belastender Monat. Alleine schon der Adventskalender (besser gesagt, die vier Adventskalender, die wir hier so haben) sorgt für eine gewisse Reizüberflutung, da ja nun jeder Tag mit aufgeregt hüpfenden Kindern vor 24 Filz-Sternen beginnt.
Mal ist Schokolade drin, dann ist Ella immer ein bisschen enttäuscht, weil vierjährige Kinder begreifen, dass es im Dezember sowieso an jeder Ecke Schokolade gibt. Mal sind kleine Spielsachen drin, dann ist Oscar enttäuscht, weil sich seine Zunge, seine Backen und sein Gaumen während des Hüpfens vor dem Filz-Stern schon auf das Geschmackserlebnis "Schokolade" einstellen. Erhält das Kind dann einen Flummi, guckt es schon mal recht doof.

Dann war ja auch noch Nikolaus. Der Original-Nikolaus füllte die Stiefel der dynamischen Familie mit Schokolade, Nudeln, einem Schminkset (Ella) und einem Malbuch samt Stiften (Oscar). Dann war der Nikolasu aber auch bei den Omas und hat dort Dinge abgegeben, dann war er auch beim Kinder-Turnen. Wie soll ein Kind hier noch kühlen Kopf behalten.
Beim Opa und der Mietoma war am Wochenende sogar schon der Weihnachtsmann...

Oscar nimmt die Spielsachen und Bücher, die da täglich in sein Leben treten gelassen hin und konzentriert sich mehr darauf, ständig Schokolade in seinem Mund zu haben. Es ist ein Jammer. Wir steuern nach drei Wochen Adventszeit auf eine Zahn-und-Cholesterin-Katastrophe zu, sodass man vom Vater des Hauses ungewohnte Worte zu hören bekam: "Im Januar gibt es nur Salat". Keiner protestierte. Oscar konnte auch nichts dagegen sagen. Sein Mund war gerade damit beschäftigt, ein überdimensionales Schoko-Etwas zu zerspeicheln.

Ellas von Schokolade zerfressenes Immunsystem kapitulierte dann am Donnerstag und ließ den Fieber-Virus gewähren.
Ella, bei vollen Kräften manchmal ja durchaus ein Vulkan, wird bei Krankheit immer sehr lieb und kuschelig. Sie richtete es sich dann gemütlich ein vor dem Fernseher und verbrachte am Donnerstag mit dem Papa und am Freitag mit der Oma tolle Genesungsstunden. Im Fernsehen lief die DVD von "Petterson und Findus" absurd häufig hintereinander.

Am Wochenende war sie wieder gesund und so musste Jurij aus Hamburg doch nicht abgesagt werden. Jurij, Ella, Oscar, Mira und zwischenzeitlich Nachbarskind Janek stellten relativ schnell fest, dass keinem der Erwachsenen heute nach "Grenzen setzen" zumute war.
Die Erwachsenen lagen oder saßen wabernd in der Wohnung herum, deren Kontrolle längst die Kinder übernommen hatten. Etwa 100 der vorhanden 135 qm waren am Schluss verwüstet.

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